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Ausgabe:

Juli/August/2018

Spalte:

740–742

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Burton, Marilyn E.

Titel/Untertitel:

The Semantics of Glory. A Cognitive, Corpus-Based Approach to Hebrew Word Meaning.

Verlag:

Leiden u. a.: Brill 2017. XIV, 349 S. = Studia Semitica Neerlandica, 68. Geb. EUR 105,00. ISBN 978-90-04-33961-3.

Rezensent:

Thomas Wagner

Mit der 2017 veröffentlichten Druckfassung der an der School of Divinity der University of Edinburgh vorgelegten Dissertation wird ein für die lexikographische Forschung neuer Weg beschritten, der auf einer quantitativen Untersuchung eines Wortfeldes aller verfügbarer hebräischer Schriften und Inschriften aufbaut. Ziel der Studie ist es, die Bedeutung des Begriffs »Glory« (Herrlichkeit) durch eine Untersuchung der den Begriff umgebenden Le-xeme näher bestimmen zu können. Während der Terminus glory zunächst mit dem hebräischen Begriff דובכ verbunden wird, geht die Vfn. ab Kapitel 4 von einem Wortfeld glory aus, zu dem auch דובכ gehört. Damit ergibt sich eine Spannung innerhalb der Studie, da unklar bleibt, ob nun der Begriff oder das Wortfeld Gegenstand der Untersuchung ist. Diese mit dem abschließenden Kapitel sichtbar werdende Uneindeutigkeit zieht sich durch die gesamte Studie und wird bis zum Ende nicht aufgelöst. Außerdem fällt auf, dass die Vfn. ihre Studie allein auf englischsprachige Beiträge aufbaut und damit die in der deutschsprachigen Forschung einschlägigen Beiträge, in denen die Begriffsbedeutung seit den 1930er Jahren diskutiert wird und auf denen auch die Artikel in den englischsprachigen Wörterbüchern basieren, übergeht. Gerade bezogen auf das von ihr gewählte Thema stellt das einen unnötigen Mangel dar.
Als methodischen Ansatz wählt die Vfn. die kognitive Semantik, die sich unter dem Theorem einer direkten Verbindung von Sprache und Erkenntnis als eine Kombination der Prototype Theory, der Frame Theory, der Conceptual Metaphor Theory und des Conceptual Blendings seit den 1980er Jahren in den Sprachwissenschaften ausbildete. Die größte Herausforderung, der sich die Vfn. damit stellt, ist die Rekonstruktion der Einsichten der Autoren der biblischen Texte sowie der in den Schriften überlieferten, aber nur noch fragmentarisch existierenden Kommunikationsprozesse. Erst durch diese Kontextualisierung wird die Bestimmung der Semantik möglich. Als problematisch stellt sich dabei aber die diachrone Schichtung der hebräischen Texte dar. Sprachgeschichtliche Differenzier ungen werden von der Vfn. angezeigt, die Bestimmung der Be­griffsbedeutung wird dann jedoch auf die Ebene des gewählten Korpus bezogen, so dass keine Entwicklungslinien in der Begriffsverwendung sichtbar werden können. Die Rekonstruktion der Kommunikationsprozesse versucht die Vfn. zu umgehen, indem sie einen qualitativen Zugang zur Erstellung des Wortfeldes wählt. In diesem weist sie Begriffsbeziehungen aus. Bei einem solchen Verfahren ist vor allem der metaphorische Gebrauch von Begriffen problematisch. Mit der ab Kapitel 2 dargelegten Querverbindung von Synonymen resp. sprachlichen Korrelaten (vgl. Schaubild, 49) versucht die Vfn. die metaphorische Aufnahme von Begriffen zu überwinden, indem sie zwischen symmetrischen und asymmetrischen Beziehungen trennt. Die Festlegung jedoch, ob ein Begriff an einer Stelle metaphorisch zu verstehen oder ob ein Literalsinn anzunehmen ist, ist für sie nicht eindeutig vorzunehmen. So verbleibt die Vfn. in ihrer Darstellung bei einer kategorialen Trennung, ohne zu erwägen, ob die Deutung des Begriffs von Rezeptionsprozessen abhängig und damit variabel ist.

»Given the frequent ambiguity between metaphorical and literal interpretation, we have nit attempted to separate out the metaphorical and literal relationships of ›glory‹ to a specific concept or domain, but discuss them together. Where the majority of the relationships appear metaphorical in nature, we treat the domain under the heading of Metaphor; this is the case for Clothing, Light, Visibility and Audibility. Where non-metaphorical association appears predominant, they have been treated under Associations; Ornamentations is most notable here.« (126)

Durch die Festlegung der Domain glory auf die Begriffe דובכ, תראפת ,רדה ,דוה ,זע ,הלחת ,חצנ ,יבצ ,ןואג ,חואג und תואג wird das Wortfeld näher bestimmt. Nachdem die Bedeutungsbereiche der einzelnen Begriffe erhoben wurden (Kapitel 3), werden dann ihre Relationen bestimmt. Diese werden durch eine Differenzierung von Motivfeldern und innerhalb dieser von Funktionen vorgenommen. Die Untersuchung verbleibt jedoch auf der Motivebene, ohne dass die Zuweisung mentaler Bilder bei der Textrezeption in Betracht gezogen wird.
Bezogen auf den eingangs als Synonym von glory genannten Be­griff דובכ, den die Vfn. in der Zusammenfassung als »core member of our semantic domain« (300) bezeichnet, wird der in der For­schung der vergangenen Jahre wiederholt aufgezeigte soziomorphe Aspekt, der mit ihm verbunden ist und der die Beschreibung von Verhältnis und Wirkung bestimmt, in dieser Zusam­menstellung nicht sichtbar. Stattdessen kommt die Vfn. zu dem Schluss:
»דובכ is the most basic term denoting ›glory‹, particularly divine glory. It is a quality predominantly of animate – God and man – and regularly bears connotations of wealth, as well as royality and regal power. In connection with the divine it is connected to righteousness. This quality, particularly in relation to God, is highly active, sometimes bearing connotations of military power and other efficacious in the process of sanctification and purification. Primary gloss: glory.« (306)
Dieses Ergebnis ist dahingehend ernüchternd, dass zwar Bedeutungskonnotationen aufgezeigt werden, die Frage nach der Verwendung des Begriffs in diesen Bereichen jedoch nicht hinterfragt wird. Der soziomorphe Aspekt kann erst dann sichtbar werden, wenn nach der Reziprozität von geschildertem Ereignis/Zustand und seiner sprachlichen Beschreibung im Rezeptionsprozess ge­fragt wird. Dies bleibt in dieser Studie jedoch aus. Die abschließende Anzeige einer Fortentwicklung innerhalb der Lexikographie ist dann auf englische Lexika bezogen. Die Einbeziehung von זע in das Wortfeld, was als weitführendes Ergebnis dieser Studie erwähnt wird, mag bezogen auf die englische Übersetzung strength/might überraschend sein, wird aber in der deutschsprachigen Forschung bereits seit den 1930er Jahren wiederholt abgebildet.
Mit ihrer Studie zeigt die Vfn. dahingehend eine Fortentwicklung der hebräischen Lexikographie auf, indem sie Prototype Theory und Frame Theory für die exegetische Forschung fruchtbar macht. Zugleich werden jedoch wesentliche Aspekte, die für eine Umsetzung vor allem der Frame Theory zu bedenken wären, nicht erörtert: der Einfluss von Motiven der Leit- und der Nachbarkul-turen und ihre Verbindung mit hebräischen Termini sowie die Quantität von Textkopien vor allem in der späteren alttestamentlichen sowie in der frühjüdischen Zeit. Je häufiger ein Text und mit ihm eine spezifische Bedeutung eines Begriffs kopiert und verbreitet wurde, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass Rezipienten diese spezifische Begriffsbedeutung auch in andere Texte hineinlasen. Diese Prozesse wären im Sinne der Rekonstruktion der Kommunikationsprozesse zu bedenken.