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Ausgabe:

Januar/2000

Spalte:

42–46

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Autor/Hrsg.:

Steck, Odil Hannes, Kratz, Reinhard Gregor, u. Ingo Kottsieper

Titel/Untertitel:

Das Buch Baruch. Der Brief des Jeremia. Zusätze zu Ester und Daniel.

Verlag:

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1998. 328 S. gr.8 = Das Alte Testament Deutsch. Apokryphen, 5. Kart. DM 68,-. ISBN 3-525-51405-0.

Rezensent:

Jens Herzer

Es ist ein äußerst begrüßenswertes Unternehmen, die Apokryphen des Alten Testaments in der Kommentarreihe des ATD einer breiteren, nicht nur wissenschaftlich ausgerichteten Leserschaft vorzustellen und so zu einer Wahrnehmung und Rezeption der Vielfalt alttestamentlich-frühjüdischer Traditionen auch außerhalb der Forschung beizutragen. An ihren impliziten Leserinnen und Lesern werden sich daher auch die anzuzeigenden Kommentare messen lassen müssen, so dass man sie mit einiger Spannung in die Hand nimmt.

Der Kommentar von O. H. Steck zum Buch Baruch im ersten Teil des Bandes (9-68) lag dem Verlag bereits 1993 vor und entstand im Zusammenhang mit einer umfangreichen Monographie (Das apokryphe Baruchbuch. Studien zu Rezeption und Konzentration ,kanonischer’ Überlieferung, FRLANT 160, Göttingen 1994), die ich bereits in ThLZ 120, 1995, 632ff., ausführlich vorgestellt habe. Daher sei es erlaubt, hier etwas kürzer zu resümieren.

Nach einer instruktiven Einleitung, die anschaulich die Entstehungsbedingungen und das theologische Milieu von Bar darstellt, bietet S. auf rund 40 Seiten einen Kommentar, dem es in wünschenswerter Konzentration gelingt, die oft sehr komplizierte Forschungsdiskussion einfließen zu lassen und sie dennoch für die Lesenden fast vollständig auszublenden.

An folgenden Stellen wäre - der Gattung Kommentar entsprechend - die Erörterung einiger Details hilfreich gewesen: die in dem stark weisheitlich geprägten Teil C (3,9-4,4) genannten Realien, die kaum allgemein bekannt sein dürften, etwa die Hintergründe der Vorstellung von der Unterwelt (3,11.19); die Bezeichnung ,Spruchdichter’ (3,23); die in 3,24 f. herausgearbeitete Vorstellung von der Welt als Haus Gottes (51); insgesamt das sozialkritische Potential von 3,16-23; oder auch in Teil D der Hintergrund von 5,8, der mit dem Hinweis auf Jes 41,19 und Hos 14,7 allein nicht zu erschließen ist. Auch die Ausführungen zu dem von S. als christliche Interpolation angesehenen Vers 3,38 werden mit 53 f. Anm. 43.44 kaum überzeugen, da die Wendungen epi tes ges ophthe und en tois anthropois synanestraphe nicht eindeutig als christlich zu identifizieren sind. Im Kontext von 3,38 wäre immerhin auch für die christliche Interpolation das Subjekt identisch mit dem in 3,37 und 4,1, nämlich die Weisheit in Gestalt des Gesetzes. Welcher Zusammenhang besteht ferner zwischen dem "spätisraelitischen Text" des Bar und seiner "hellenistisch-jüdischen Rezeption" (53 Anm. 43), wenn Bar in die Jahre 164-162 v. Chr. zu datieren ist (22 f.) und auf das Diasporajudentum ausgerichtet war (20 ff.)?

Fragen im Detail wird es immer geben; umso gewichtiger ist das Verdienst von S., gegen die verbreiteten literarkritischen Modelle eine konsequente theologische Interpretation von Bar als Weisung an Israel auf seinem Weg zwischen Gericht und Heil vorgelegt zu haben.

Die Auslegung der Epistula Jeremiae von R. G. Kratz im zweiten Teil des Bandes (69-108) bietet ebenfalls zunächst eine Einleitung (73-87), die die Textüberlieferung vorstellt, die Fragen nach Originalsprache, Komposition, Schriftbenutzung, religionsgeschichtlichem Hintergrund, Zeit, Ort und Zweck der Entstehung erörtert sowie die theologische Bedeutung herausstellt.

Der Charakter von EpJer wird beschrieben als "eine systematisierende Zusammenfassung sämtlicher Argumente" der Götzenpolemik, "die sich an den verschiedenen Stellen über Tora, Propheten und Psalmen verstreut finden" (77). Dem Autor ging es dabei vor allem um die Zusammenschau der Polemik Jer 10 und des Briefes Jer 29 (77 f.) in einer selbständigen externen Fortschreibung des Jer (81). Durch zusätzliche Ergänzungen aus anderen Texten ergibt sich so eine literarische Fiktion, die EpJer der Golakorrespondenz Jer 29 vorausgehen lässt, d. h. die eher positiven Ausführungen von Jer 29 nur unter den in EpJer gemachten Voraussetzungen gelten lässt (78). Als Datierung schlägt K. die Wende vom 3. zum 2. Jh. v. Chr. vor (82 f.). - Wie Steck für Bar, so nimmt K. auch für EpJer ein hebräisches Original an (74). Die Basis für diese Argumentation ist schmal, die beiden Vokabeln in V. 30 und 71 reichen dafür kaum, am wenigsten in V. 30. Die Tatsache, dass das älteste Textfragment (7Q2) griechisch erhalten ist (und zwar im palästinischen Mutterland!), wird m. E. allzu schnell abgetan. - Dass die S. 85 genannten neutestamentlichen Stellen (Röm 1-3; 1Thess 1,9; 1Joh 5,21; Apg 14,15) in die Wirkungsgeschichte von EpJer gehören, ist keineswegs sicher zu behaupten.

Wichtig scheint als Voraussetzung für ein angemessenes Verstehen der Götterpolemik von EpJer die Feststellung von K., dass "dieses Urteil dem Selbstverständnis der babylonischen und anderer altorientalischer Religionen keineswegs gerecht (wird). Im Gegenteil, es tut ihnen mit der Gleichung von Gott und Bild Unrecht" (86). Wer als Rezipient daher nur allzu schnell geneigt ist, in derartige Polemik einzustimmen, wird sich angesichts der Art der Religionskritik in EpJer vor Augen führen lassen müssen: "Dieselben Argumente, die EpJer und die anderen Texte gegen die Bilder (Götter) ins Feld führen, lassen sich gegen jede Art der gegenständlichen Versinnbildlichung von Transzendentem geltend machen und wurden auch geltend gemacht, gegen den jüdischen Tempel- und Synagogenkult ebenso wie gegen den christlichen Gottesdienst mit ihren symbolträchtigen Kultobjekten ..." (ebd.). Besonders an der Götterpolemik von EpJer und den zahlreichen religionsgeschichtlichen Motiven, die es ins rechte Verhältnis zu setzen gilt, zeigt sich, dass in einem Kommentar auch ikonographisches Material aufgenommen werden sollte, um die religiöse Welt und die Argumentationen der Vff. innerhalb dieser Welt den Leserinnen und Lesern anschaulicher werden zu lassen, als es durch das kommentierende Wort allein möglich ist (vgl. z. B. 91 ff.). Wenn man über Bilder spricht, sollte man auch Bilder zeigen. Diese Anregung richtet sich zuerst natürlich an die Verlage und ihre Bereitschaft, solche Dinge zu berücksichtigen. Dennoch gelingt es K. in trefflicher Weise, die Bildwelt wie auch die Kritik von EpJer auf dem Hintergrund ihrer jeweils spezifischen Traditionen lebendig darzustellen.

Im dritten und vierten Teil des Bandes kommentiert I. Kottsieper die apokryphen Zusätze zu den Büchern Ester (109-207) und Daniel (209-328). Ein einführender Überblick informiert übersichtlich über die sechs Zusätze zum Esterbuch (A - Der Traum Mordechais; B - Das Pogrom-Schreiben; C - Gebete des Mordechai und der Ester; D - Ester vor dem König; E - Brief zur Rettung der Juden; F - Deutung des Traumes Mordechais, Purim-Midrasch, Kolophon), ihren inneren Zusammenhang, die Bedeutung im Kontext der Feier des Purimfestes und ihren historischen Ort. Hinzu kommen Ausführungen zu den Stücken außerhalb der Septuaginta und des Kodex Alexandrinus, namentlich in 3Makk, Josephus, Ant. XI 184-296 und in der Vetus Latina, sowie zwei Exkurse zum Königsnamen in der LXX und zu Judit 9-11 als Parallele zum Gebet der Ester. Nicht nur für ein mit diesen oft verwirrenden Traditionen nicht vertrautes Publikum wird dieser Überblick sehr hilfreich sein. Es wird deutlich, wie die Zusätze zum Esterbuch aus den Problemen heraus erwachsen sind, die die Feier des Purimfestes in einer nichtjüdischen bzw. antijüdisch gestimmten Umwelt aufwarf.

Während die Teile A 1-11, F 1-10 und C dies eher theologisch reflektieren, geht es in B und E um das Anliegen der Diaspora, "die eigene Loyalität zur nichtjüdischen Regierung trotz des Festhaltens an der Tora darzustellen, wobei offensichtlich die Situation vorausgesetzt ist, daß einflußreiche Kreise ... gegen die jüdische Bevölkerung vorgehen" (120). Dieser Tendenz verwandt sind schließlich die Teile A 12-17 und D 1-12, während D 13-15 die redaktionelle Funktion erfüllt, die Zusätze in die LXX einzufügen. Das Kolophon F 11 stammt aus der ägyptischen Diaspora (120 f.). Mit diesen Zuordnungen ist gleichzeitig vorausgesetzt, dass die Zusätze nicht einer einzigen Hand zuzuschreiben sind, sondern verschiedene Stufen der Überlieferung repräsentieren: eine hasmonäisch geprägte Jerusalemer Tradition um 150 v. Chr., die z. T. ältere Volkstradition aufnimmt (C 2-4*.8-10*.16-23*.25*), und die in der Zeit der Annäherung pharisäischer Kreise an das hasmonäische Königshaus unter Alexander Jannai und dessen Frau Salome Alexandra "grob gerechnet zwischen 81 und 67 v. Chr." bearbeitet wurde (123), genauer in den letzten Jahren der Herrschaft des Alexander Jannai (ebd.). Nicht ganz deutlich wird, ob die Jerusalemer Tradition insgesamt (so 123 unten) oder deren Bearbeitung (so 123 oben) in diese Zeit fällt. Als eines der Ziele dieser Tradition - neben dem der (späten) Etablierung des Festes in Palästina - vermutet K.: "Offenbar gehörte die Verbreitung solcher Texte zur Propaganda Alexandras, mit der sie ihre Position als Königsfrau so weit ausgestaltete, daß sie schließlich selber als Königin akzeptiert wurde" (ebd.). Neben der Jerusalemer Tradition steht die ägyptische, die K. in A 12-17, B, D und E wiederfindet, die erst nach 78/77 mit der LXX verbunden wurde, aber bereits im Kontext einer ägyptischen Estertradition unter Ptolemäus VIII. (126-116) entstand (124). "Somit ist der vorliegende LXX-Text Ergebnis einer Bearbeitung der nach Ägypten gebrachten Jerusalemer Tradition, die Elemente der dort schon existierenden ägyptischen Tradition in diese einfügte" (ebd.), und zwar etwa um 50 v. Chr. (125). Die ältere ägyptische Tradition identifiziert K. mit einer Vorform des sog. A-Textes = Proto-A (126 f.).

Mit diesem Modell kann K. das Verhältnis zwischen masoretischem Text, LXX und A zwar plausibel beschreiben, aber der A-Text kann dann freilich nicht mehr als zuverlässig gelten (128). Zu fragen wäre, welche Rolle der (hypothetische) Proto-A-Text bei der Rekonstruktion der Textgeschichte tatsächlich spielen kann, noch dazu, wenn man neben der ägyptischen Texttradition allein wegen der in A A 1 enthaltenen Monatsbezeichnungen eine damit verwandte syrische annimmt (126). Damit widerspricht K. ausdrücklich neueren Versuchen einer synchronen Analyse der Rezensionen (131 Anm. 53).

In der Einleitung zum Kommentar der Zusätze zum Danielbuch (die Gebete, Bel et Draco, Susanna) bietet I. Kottsieper zunächst einen Überblick über die Probleme der verschiedenen Rezensionen, in deren Mittelpunkt die Frage nach dem Verhältnis von Theodotion und Septuaginta gestellt wird.

K. rechnet mit zwei Strängen der LXX-Überlieferung, die beide ihren Ausgangspunkt bei einer Version von Dan nehmen, die nur Kap 3-6 enthielt, und die dann auf unterschiedliche Weise um die aramäisch bzw. hebräisch bereits vorliegenden Zusätze erweitert wurde. Als ein Ergebnis der hier nicht auszubreitenden Einzelheiten ergibt sich für K., dass der Redaktor der zweiten Rezension dem palästinischen Raum unter sadduzäischem Einfluss zuzuordnen sei, da er die sadduzäische Rezension von Sus benutzte. Darin drückt sich zugleich ein relativ geringes Interesse an der Diaspora und an apokalyptischen Elementen aus; K. spricht in diesem Zusammenhang von einem "Gegenentwurf zur apokalyptisch geprägten Danieltradition" (217). Von daher erklärt sich, warum die Zusätze nicht in den masoretischen Kanon aufgenommen wurden, der die "palästinische pharisäisch-rabbinische Texttradition" widerspiegele (219). Über das theologische Milieu des Bearbeiters der ersten Rezension äußert sich K. hingegen nicht entsprechend. Gern würde man auch erfahren, woran der spezifisch prosadduzäische Charakter festzumachen ist. Die Bemerkung, der Aufweis, "daß der Gerechte und Fromme in diesem Leben gerettet und bewahrt ..., der Frevler aber unmittelbar bestraft wird ...", entspräche sadduzäischer Theologie (217), ist in dieser Hinsicht zu allgemein.

Der erste Zusatz der Gebete stellt die drei Freunde in der genannten prosadduzäischen Weise als Vorbilder für Toratreue dar, die "keine Märtyrer, sondern durch die göttliche Rettung als Fromme und von Gott Erwählte angenommen" sind (222). Für die Datierung dieser Tradition gibt nach K. vor allem das Gebet Asarjas Hinweise auf die Religionsverfolgung unter Antiochus IV. Epiphanes, so dass das Gebet aus den Jahren 168/7-165/4 v. Chr. stammt und sekundär auf die drei Freunde bezogen wurde. Nach der neueren Studie von O. Keel (Die kultischen Maßnahmen Antiochus’ IV. in Jerusalem: Religionsverfolgung oder Reformversuch? Eine Skizze, in: J. Krasovec [Hg.], International Symposium on the Interpretation of the Bible, Ljubljana/Sheffield 1998, 217-242) ist hier vielleicht etwas vorsichtiger zu argumentieren, etwa im Blick auf die religiöse Tendenz der makkabäischen Literatur.

Nicht deutlich geworden ist dem Rez. ferner, in welchem Verhältnis die prosadduzäische Bearbeitung des ersten nachchristlichen Jahrhunderts (223 f.) zu den makkabäischen Traditionen steht, denen K. das Asarjagebet zuordnet (223; vgl. auch die Formulierung 231: "... Religionsverfolgung unter Antiochus IV. Epiphanes, der unter Mitwirkung jüdischer Kreise [sc. des Hohenpriesters Menelaos, vgl. Anm. 82] in Jerusalem den traditionellen jüdischen Kult vernichtete und nichtjüdische Kulte einführte"). In diesen "jüdischen Kreisen" spielte doch wohl auch sadduzäischer Einfluss eine Rolle. Was heißt ferner in diesen Kontexten "deuteronomistische Predigt" (234)? Die Thematisierung des Kultverlustes im Asarjagebet könnte immerhin nicht als Klage (ebd.), sondern als eine Feststellung von Tatsachen aufgefasst werden, die für jene Kreise keine Krise, sondern Bestätigung ihrer grundsätzlich auch unabhängig vom Kult möglichen Frömmigkeit reflektiert.

Gemäß der literarkritischen Rekonstruktion erscheint das weitere Vorgehen K.s sinnvoll, die Prosastücke (224-229) separat von den Gebeten (229-236; 237-247) zu interpretieren. K. legt den LXX-Text aus und notiert dazu die Abweichungen bei Theodotion, die sich weithin als Glättung des LXX-Textes zu erkennen geben.

Die Einleitung zu Bel et Draco verfolgt anschaulich die Entstehungsgeschichte dieser Erzählung innerhalb des Danielbuches. Die Drachengeschichte ist von "akkadisch-babylonischen Traditionen" abhängig und weist auf eine Entstehung in der "mesopotamischen Diaspora" hin, und zwar in der Zeit zwischen 539 und 482 v. Chr. (252 f.). "Seine geistige Heimat hat der Autor in den Kreisen, in denen auch das Deuterojesaja-Buch entstanden war" (253). In der Bel-Erzählung hingegen fehlen Hinweise auf eine eigene Anschauung ihres Autors, der daher im Palästina der frühen persischen Zeit zu suchen ist (254f.276). Diese Datierung gilt auch für die Habakuk-Erzählung, die freilich wieder ein anderes Thema hat, nämlich "den Konflikt zwischen den aus dem Exil Zurückgekehrten und den im Lande (sc. Babylon) Gebliebenen" (274). Die zusammenfassende Redaktion vermutet K. in der 1. Hälfte des 4. Jh. v. Chr. (256). Das Verfolgen der einzelnen Stufen wird durch unterschiedliche Schrifttypen in der Übersetzung erleichtert. Die Auslegung erstreckt sich auch hier wieder auf die einzelnen Schichten der Überlieferung.

Nach dem bekannten Muster wird auch in der Kommentierung der Susanna-Erzählung zunächst die Textgeschichte erläutert. Für den LXX-Text gilt: Ein in die frühe makkabäische Zeit (168/7 v. Chr.) zu datierender poetischer Text (5b-6.62Bb) wurde durch ein nur wenig jüngeres Prosastück (62A-62B) fortgeschrieben (287), und der entstandene Text als Rahmen mit der Susanna-Erzählung verbunden, die ihrerseits drei Schichten aufweist, denen drei unterschiedliche Danielbilder entsprechen: der Weise (als ursprüngliches Motiv), der Lehrer und der Prophet (288 ff.). Während die Grundschicht E nicht näher zu datieren ist, stammt EMakk aus dem Umfeld der frühen Chassidim, und EHasm vor allem wegen der internen Auseinandersetzungen der jüdischen Gruppen aus der Zeit unter Johannes Hyrkan oder Alexander Jannai. Der (wiederum prosadduzäische) Theodotion-Text entstand unabhängig von LXX und benutzte eine unabhängige, in sadduzäischen Kreisen nach 70 v. Chr., genauer "kaum lange nach der Zeitenwende", entstandene Rezension (ESadd) (292 ff.) und wird dementsprechend auch separat kommentiert. Wie bereits oben im Zusammenhang mit den Gebeten erwähnt, wird man auch bei diesen trotz der nur selten deutlichen Hinweise als sehr sicher vorgetragenen Zuordnungen und Datierungen wiederum skeptisch bleiben, auch wenn man die Schlüssigkeit der entworfenen Szenarien zugestehen muss.

Nach der Lektüre ergibt sich ein differenziertes Bild. Während die Kommentare von Steck und Kratz im Blick auf die Adressaten der ATD-Reihe eine anschauliche Auslegung bieten, handelt es sich bei den Analysen von Kottsieper eher um einen - bemerkenswerten - Forschungsbeitrag zu diesem apokryphen Material. Das erweist auch ein Blick in den für die Reihe in dieser Weise eher untypischen Anmerkungsapparat und auf das quantitative Verhältnis von Text und Interpretation. Die komplizierten Rekonstruktionen sind zwar in der Kompliziertheit der Textüberlieferung begründet, ob sie aber auch von den impliziten Leserinnen und Lesern mit Gewinn nachvollziehbar sind, bleibt zu fragen.

Insgesamt geben die in diesem Band zusammengestellten Kommentare ein eindrucksvolles und anschauliches Bild von dem vielfältigen Spektrum der literarischen Produktivität des Frühjudentums, das auf ganz unterschiedliche Weise traditionsbewahrend und traditionsbildend war.