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Ausgabe:

Juni/2018

Spalte:

631–632

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Geiß-Wunderlich, Jürgen, u. Volker Gummelt [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Johannes Block. Der pommersche Reformator und seine Bibliothek.

Verlag:

Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2018. 288 S. = Herbergen der Christenheit, Sonderbd. 22. Kart. EUR 28,00. ISBN 978-3-374-05154-0.

Rezensent:

Gert Haendler

Über Johannes Block war wenig bekannt: Als junger Kleriker erhielt er 1515 in seinem heimatlichen Bistum Kammin eine Erhöhung seiner Pfründe. Vom August 1532 stammt der Brief eines Grafen in Wiborg, der ihn als Prediger nennt, der sich für die Reformation in Finnland eingesetzt habe. In pommerschen Protokollen 1536 und 1544 taucht Block auf als »overste Predicante« der Marienkirche in Barth. Andere Urkunden des Jahrzehnts zeigen, dass man Block in Pommern schon früh als Vorkämpfer der Reformation im Baltikum bzw. in Finnland kannte. Aber es gibt keine Schrift von Block und so wurde er vergessen. Jetzt fand man einen neuen Zugang: Seine Privatbibliothek blieb in der Marienkirche Barth weithin erhalten. »Diese Bücher gestatten einen faszinierenden Einblick in die Biographie eines zu Unrecht vergessenen Frühreformators …«. Die Untersuchung seiner Bibliothek machte Block »zu einem Exempel der evangelischen Verkündigung, bei dem es sich lohnt, es dem Vergessen zu entreißen« (7). Dazu kam im Herbst 2015 eine Internationale Fachtagung zusammen: »Wanderprediger und Leuchtturm des neuen Glaubens: Bücher, Leben und Wirken des Barther Reformators Johannes Block«. Man tagte im Niederdeutschen Bibelzentrum Barth/Vorpommern, dessen Leiter sich dafür eingesetzt hatte.
Jürgen Geiß-Wunderlich stellte seinen Forschungsweg unter die Formulierung »Eine Büchersammlung der Lutherzeit«. Er hatte nach Werken Petrarcas nördlich der Alpen gesucht. In der Barther Bibliothek fand er im März 2001 unter 4.000 Bänden 123 Bände aus Blocks Büchersammlung (14). Nun wollte er diese Bücher für die Rekonstruktion seines Lebens zum Sprechen bringen. Kauf- und Besitzvermerke enthielten oft auch Datierungen und Selbstbezeichnungen. Beim Anwachsen dieser Bibliothek sah Geiß-Wunderlich drei Phasen: Bis 1525 sammelte Block spätmittelalterliche Bücher. Für die Jahre bis 1532 geschieht eine »rapide frühreformatorische Überformung«. In den Jahren 1533–45 baute Block die Sammlung aus »als evangelische Predigerbibliothek« (20). Neben dem kulturhistorischen Wert bietet jene Bibliothek ein Denkmal für »neue Geisteshaltungen« – wenn man die Hinweise in seinen Büchern beachtet (21). Bruno Büggel beschreibt die Digitalisierung der Barther Bibliothek in der Greifswalder Universitätsbibliothek, für die erhebliche Summen eingesetzt wurden (23–29). Thomas Wilhelmi nennt »Baustellen der Forschung« über die Erschließung alter Kirchenbibliotheken in Vorpommern, Mecklenburg und Nordthüringen (31–39).
Drei Beiträge betreffen die Vorgänge aus nordeuropäischer Sicht: Tiina Kala, estnische Kennerin mittelalterlicher Quellen, berichtet über »Die frühe Reformationszeit in Dorpat – mit besonderer Be­rücksichtigung der Quellenlage und der Forschungstraditionen«. Erste evangelische Prediger kamen, um den Gottesdienst in deutscher Sprache zu halten (45). Die Reformation in Dorpat stand in erster Linie »für die Machtergreifung durch eine selbstbewusste Stadt und erst in zweiter Linie für eine Erneuerung des Glaubens« (61). Die finnische Philologin Outi Merisalo schildert »Die Humanismusrezeption im Königreich Schweden im 16. Jahrhundert«. Dazu gehörte das Großherzogtum Finnland, in dem auch »der spätere Barther Reformator Block als Prediger des Wiborger Schlosses eine gewisse Rolle einnahm« (63). Ausführlicher kommt Block vor in dem Beitrag von Simon Heininen »Michael Agricola, der Reformator Finnlands«. 1528 hatte Agricola Wiborg verlassen und Block kam dorthin. Er war in den Fünfzigern, »ein erfahrener Prediger und Seelsorger – und verheiratet«. Auf dem Titelblatt eines gekauften Buches nannte er sich »predicator Wiburgensis«. Heininen kommentiert: »Dieser Besitzvermerk ist das älteste Zeugnis von der Ankunft der Werke Luthers in Finnland.« (75)
Vom Süden her beleuchtet Volker Gummelt »Die Einflussnahme Wittenbergs auf die Reformation im Ostseeraum«. Luther schrieb 1523 einen »Brief an die Christen zu Righe, Revell und Tarbte in Lieflande« (82). Bugenhagen wirkte 1537–39 in Dänemark für die Reformation. Melanchthons Einfluss auf Mecklenburg wurde 1550 mit der Berufung von Aurifaber und Chytraeus nach Rostock deutlich. Abschließend nennt Gummelt jedoch die Zusammenarbeit in Wittenberg als Grundlage für die erfolgreiche Einflussnahme auf die Geschicke der Reformation im Ostseeraum (91). Rudolf Gamper informiert über Probleme in der Schweiz: »Die Bibliothek Joachim Vadians (1483/84–1551) und die Anfänge der Reformation in St. Gallen«. Vadian war Bürgermeister, in seiner Bibliothek standen Bücher von Luther, Erasmus und Zwingli. Vadian war »Mittelpunkt einer aktiven Studiengruppe«, die dort die Reformation vorbereitete (108). Peter Blickle stellt »Christoph Schappeler in Memmingen« vor Augen: »Eine Theologie für eine ethische Erneuerung der Politik« (109). In Schwaben hatte der Pfarrer Schappeler sehr viel Verständnis für Forderungen der Bauern und musste 1525 nach St. Gallen fliehen. Zu den Grundbeständen der Kantonsbibliothek St. Gallen gehört die Bibliothek von Schappeler – freilich wohl ohne Dokumente aus seiner dramatischen Frühzeit in Memmingen (121).
Den Referaten folgt eine Darstellung von Jürgen Geiß-Wunderlich »Pommern, Livland, Finnland – und zurück«, die bisherige Ergebnisse aufnimmt und eine Biographie anstrebt. Am Anfang steht der Hinweis in einem Buch von Block »Johannes Stolpensis«, der Stolp als Geburtsort vermuten lässt. Schulbücher zeigen Einflüsse der Lateinschule von Deventer (125). Block ging 1513/14 nach Dorpat (heute Tartu/Estland), wo er Anfänge der Reformation miterlebte. Die Lage in Wiborg war kompliziert: Blocks Schutzherr war ein Schwager des Schwedenkönigs Gustav Wasa. Block kam 1528, als gerade der finnische Reformator Michael Agricola Wiborg verlassen hatte. Möglicherweise war Block »eine Schlüsselrolle« bei der Reformation Finnlands zugedacht, Block scheint ganz auf »die Predigt in deutscher Sprache« gesetzt zu haben (164). Jedenfalls hing seine Rückkehr nach Pommern mit Unruhen in Wiborg zusammen. Voraussetzung für sein Wirken in Barth war die 1534 von Bugenhagen erreichte »Fürstenreformation« in Pommern. Jetzt erweiterte Block seine Bibliothek auch durch Bücher aus Zürich, Oberdeutschland und Hessen. Freilich konnte er sie ab 1538 wegen einer Augenkrankheit kaum noch nutzen (178). Möglicherweise hat er seine Bibliothek der Barther Kirchenbibliothek geschenkt, in deren Rahmen sie bis heute Bedeutung behielt. Umfangreiche Kataloge und Verzeichnisse runden das Buch ab.
Man legt den Kongressband dankbar aus der Hand: Ein pommerscher Christ war im 16. Jh. im Ostseeraum aktiv gewesen und sein Wirken wurde 2001 methodisch neu erschlossen. 2015 wurde B. an seiner wichtigsten Wirkungsstätte Barth gewürdigt und 2018 liegen die Ergebnisse gedruckt in einer renommierten Reihe vor.