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Ausgabe:

Juni/2018

Spalte:

619–620

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Comfort, Philip Wesley

Titel/Untertitel:

A Commentary on Textual Additions to the New Testament.

Verlag:

Grand Rapids: Kregel Publications 2017. 176 S. Geb. US$ 19,99. ISBN 978-0-8254-4509-5.

Rezensent:

Eberhard W. Güting

Thema dieser vorzüglichen Arbeit von Philip Wesley Comfort sind die zahlreichen Zusätze und Ergänzungen, die das Neue Testament im Laufe seiner Überlieferung in den Text aufgenommen hat. Textverluste werden nicht behandelt. Das Urteil darüber ist allerdings manchmal eine textkritische Frage. Soweit ich sehe, werden auch keine Konjekturen zum Text erörtert. Doch kommt die Erörterung des ursprünglichen Markusschlusses einem solchen Vorgehen nahe (58). Der amerikanische Autor hat bereits mehrere Bücher zu textkritischen Themen publiziert. Diese werden in der Bibliographie genannt. Zu den Vorzügen dieses Buches gehört die Tatsache, dass C. zu sämtlichen Schriften des Neuen Testaments Belege für seine These nennt und die textkritischen Probleme der Überlieferung überzeugend behandelt werden. Dem Leser fällt jedoch bald auf, sieht man von den Editionen des Neuen Testaments ab, dass ausschließlich englischsprachige Arbeiten zitiert werden. Das gilt auch für die in der Select Bibliography genannten Arbeiten. Das Buch wendet sich an englischsprachige Leser. Ihnen werden alle zitierten Texte zusammen mit ihrer Übersetzung angeboten. Auf
S. 7 listet C. eingedrungene Verse auf und nennt Stellen, die zusätzliche Versteile zeigen oder textliche Änderungen enthalten.
Die entscheidende These C.s orientiert sich an dem von Wolfgang Iser 1978 entwickelten Reader Response Criticism. »The sources for the additions came from their own minds, other gospels, other scriptures, and oral traditions.« (8) C. spricht in diesem Zusammenhang von »scribal gap-filling«. Der Erwartungshorizont frühchristlicher Abschreiber führte keineswegs selten zu unbewussten Textänderungen. Den Gründen solcher Vorgänge geht C. nach. Der von C. vertretene »reasoned eclecticism« wird auch von Michael Holmes vertreten, den C. ausdrücklich zitiert. »Reasoned eclecticism applies a combination of internal and external considerations, evaluating the character of the variants in light of the MSS evidence and vice versa in order to obtain a balanced view of the matter and as a check upon purely subjective tendencies.« (9)
Die Begründungen der vorgenommenen textkritischen Entscheidungen stützen sich gelegentlich auf wenige gute Zeugen oder auch auf Papyruseditionen. C. kann auf einen von ihm mitherausgegebenen Band zurückgreifen: The Text of the Earliest Greek New Testament Manuscripts. New and Complete Transcrip-tions with Photographs. Edited by Philip W. Comfort and David P. Barrett (Wheaton, Ill.: Tyndale House Publishers, 2001).
Einige wenige Beispiele sollen genannt werden.
– Mt 3:11 Mit dem sehr frühen P101 ist ὁ δἐ ἐρχόμενος zu lesen. Die Edition Nestle-Aland druckt das hinzugefügte ὀπίσω μου.
– Mt 3:16 Mit א* B sowie nach dem P. Oxy. 405 mit Irenaeus ist ἠνεῴχθησαν οἱ οὐρανοιί zu lesen. Die Edition Nestle-Aland hat hier mehrere Zusätze in eckigen Klammern.
– Mt 5:11 Mit א B ist zu lesen: εἴπωσιν πᾶν πονηρὸν καθʼ ὑμῶν ψευδόμενοι. Die Edition Nestle-Aland hat den Zusatz ψευδόμενοι in eckigen Klammern.
– Mt 5,44 a Mit א B ist der knappe Text zu lesen: ἀγαπᾶτε τοὺς ἐχθροὺς ὑμῶν. So die Edition Nestle-Aland.
– Mt 5:44 b Mit א B ist der knappe Text zu lesen: προσεύχεσθε ὑπὲρ τῶν διωκοόντων ὑμᾶς. So die Edition Nestle-Aland.
– Mt 6:15. Mit א D ist der kürzere Text zu lesen: ἐὰν μὴ ἀφῆτε τοῖς ἀνθρώποις. So die Edition Nestle-Aland.
– Mt 6:33 τὴν βασιλείαν ist die knappe Lesart von א B. In eckigen Klammern druckt die Edition Nestle-Aland zusätzlich του θεου.
– Mt 21:44 Der frühe P 104 bietet den Vers nicht. Damit verstärkt er die Bezeugung gegen den Vers entscheidend. Die Edition Nestle-Aland nennt den Zeugen nicht.
– Mk 1:1 Ιησου Χριστου ist ohne den Zusatz υιου θεου zu lesen. So die Zeugen א* 28 sa (ms) und Origenes, sowie ein Amulett aus dem späten 3. Jh., P. Oxy. 5073.
– Mk 1:2–3 Die inzwischen als sekundär nachgewiesenen Verse Mk 1:2–3 wurden in der Edition Nestle-Aland in den Text aufgenommen.
Es gibt auch Angaben, die man nicht akzeptieren kann. Ich zitiere: »In fact, a final αμην to an epistle is only certain in Galatians 6:18 and Jude 25.« (122) Ich habe in der Festschrift für Heinz Schreckenberg gezeigt, dass das ἀμήν in Gal 6,18 sekundär in den Text eingedrungen ist und dass der Abschluss des Judasbriefes missverstanden wird, wenn man hier von einem Briefschluss-Amen ausgeht. »Das ἀμήν beschließt eine feierliche Doxologie. Dieser ist das ἀμήν als Abschluß zuzuordnen, nicht zunächst dem Buchschluß.«
Die Select Bibliography enthält mehrere veraltete Angaben.