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Ausgabe:

Juni/2018

Spalte:

595–597

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Autor/Hrsg.:

Avemarie, Friedrich, Bukovec, Predrag, Krauter, Stefan, u. Michael Tilly [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Die Makkabäer. Hrsg. unter Mitarbeit v. H. Stoppel.

Verlag:

Tübingen: Mohr Siebeck 2017. XI, 471 S. = Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament, 382. Lw. EUR 179,00. ISBN 978-3-16-153861-2.

Rezensent:

Benedikt Eckhardt

Der aus einer bereits 2012 zu Ehren von Hermann Lichtenberger veranstalteten Tagung hervorgegangene Band versammelt 20 teils knapp gehaltene, teils umfangreiche Beiträge, die zusammen eine »Gesamtschau« der Makkabäerzeit und ihrer jüdischen wie christlichen Rezeption anstreben. Aus der für Tagungsbände typischen Diversität der Themen und methodischen Zugänge lassen sich drei Kernbereiche destillieren: Die Beiträge erhellen entweder die historische Rekonstruktion des Makkabäeraufstands und der folgenden Jahrzehnte, bieten Detailanalysen zu einzelnen Aspekten des ers­ten, zweiten und vierten Makkabäerbuchs (das dritte handelt be­kanntlich von anderen Themen), oder beleuchten – naturgemäß nur ausschnittsweise – die Rezeptionsgeschichte der Makkabäertradition vom Neuen Testament bis in die Moderne.
Vor allem im ersten thematischen Bereich wirkt sich die lange Entstehungszeit des Bandes negativ aus, da gerade in jüngster Zeit eine ganze Reihe von – hier in der Regel noch nicht berücksichtigten – Arbeiten erschienen ist, die der Forschung neue Perspektiven eröffnet haben. Dennoch enthält auch dieser Band wichtige neue Einsichten. Herausgehoben seien hier drei besonders überzeugende Beiträge, die zugleich das Themenspektrum verdeutlichen.
Gleich der erste Beitrag von Achim Lichtenberger stellt unter Hinweis auf archäologische und numismatische Zeugnisse aus an­deren Städten der Region die inzwischen weit verbreitete (und auch vom Rezensenten vertretene) Sicht in Frage, zwischen der Umwandlung Jerusalems in eine griechische Stadt 175 v. Chr. und der Einführung des Zeus Olympios-Kultes (168?) bestehe kein di­rekter Zusammenhang. Lichtenberger postuliert für Gerasa, Hippos und Gadara jeweils dieselbe Gegenüberstellung eines unter Antiochos IV. neu eingeführten Zeus Olympios und einer einheimischen Gottheit; es handle sich um einen zum üblichen Prozess der politischen Aufwertung orientalischer Städte gehörenden Vorgang, der in Jerusalem lediglich auf ein größeres Konfliktpotential traf. Die Argumentation ist teilweise spekulativ, da sie nicht zu­letzt auf Münzen der römischen Kaiserzeit fußt; ihre potentielle Bedeutung für die Rekonstruktion der Ereignisse in Jerusalem ist jedoch immens.
Der Beitrag von Johannes Bernhardt behandelt die Zeit der Errichtung des hasmonäischen Staates unter Jonathan und Simon und zeichnet sich durch eine konsequente Neulektüre des 1Makk aus. Gegen das dort gezeichnete Bild eines einheitlichen Kampfes gegen die Fremdherrschaft rekonstruiert Bernhardt eine Konfliktlinie innerhalb der Hasmonäerfamilie und nimmt für Jonathan und Simon jeweils unterschiedliche Anhängerschaften und Operationsgebiete an. Diese Rekonstruktion hat nicht zuletzt deshalb einiges für sich, weil sie erklärt, warum Simon im entscheidenden Moment offensichtlich nur zu bereit war, Jonathan in Gefangenschaft sterben zu lassen; auch die im Band an ganz anderer Stelle positionierten Beobachtungen von Daniel Schwartz zur Marginalisierung Jonathans in der in 1Makk 14 überlieferten Inschrift lassen sich zur Unterstützung heranziehen.
Clemens Leonhard nähert sich schließlich über Umwege einem zentralen Bestandteil hasmonäischer Herrschaftsrepräsentation, der Einführung des Hanukkahfestes. Ausgehend von der Frage, ob das Feiern oder Nichtfeiern der Tempelfeste ursächlich für eine frühe Trennung von Juden und Christen gewesen sein könne, weist Leonhard anhand eines Durchgangs durch alle relevanten Quellen nach, dass Juden in der Diaspora diese Feste ebenso wenig feierten wie die frühen Christen. Von hier aus gerät auch die Frage nach den von den Hasmonäern eingerichteten Festen neu in den Blick: Als tempelbezogenes Fest musste Hanukkah ein Pilgerfest sein; einen echten Einfluss auf die religiösen Traditionen der Diaspora konnten sich die Hasmonäer kaum erhoffen.
Auch in den stärker textbezogenen Studien finden sich einige Überlegungen, die auch jenseits exegetischer Debatten wichtig sind. Der von Beate Ego geführte Nachweis, dass 2Makk den Je-rusalemer Tempel – trotz der vermeintlich eindeutigen Relativierung seiner Bedeutung in 5,19 – als Macht- und Statussymbol ins Zentrum der Darstellung rückt, ist für die Frage nach Identitätskonstruktionen unter hasmonäischer Herrschaft nicht ohne Belang. Luke Neubert fragt in Aufnahme von Überlegungen des Jubilars nach der historischen Existenz Jasons von Kyrene, als dessen Epitome sich 2Makk darstellt; die hier angeführten Argumente dafür, dass 2Makk tatsächlich Kennzeichen einer Epitome aufweist, sind überzeugend und sollten die Debatte ad acta legen können. Andere Studien können als Einführung in komplexe Ka­tegorienfragen dienen (Markus Öhler zu Ethnos und Religion), wieder andere werfen Probleme auf, deren Relevanz nicht unmittelbar ersichtlich ist (Anders Petersen zur Frage einer »achsenzeitlichen« Historiographie, Armin Lange zur Jeremiarezeption in den Makkabäerbüchern, Jan Willem van Henten zur Zeitkonstruktion in 2Makk).
Einen Fokus legt der Band auf das lange am Rande des Interesses stehende 4Makk, dem drei Beiträge gewidmet sind. Während Anna Maria Schwemer auf Bickermans Frühdatierung zurückgeht und 4Makk als wichtige Quelle für die jüdische Gemeinde von An­tiochia in den 30er Jahren n. Chr. etablieren will, setzt Predrag Bukovec die inzwischen deutlich weiter verbreitete Spätdatierung um 100 voraus. Seine von 4Makk 17,2–6 ausgehenden geistesgeschichtlichen Überlegungen zur Verwandlung in einen Stern weisen methodisch wie inhaltlich auf überwunden geglaubte Modelle zurück (selbst die »Mithrasliturgie« feiert hier eine Auferstehung); manche Hinweise zur Rezeption griechischer Philosophie in 4Makk sind dennoch weiterführend. Der Beitrag von Jan Dochhorn zur Verbindung von Jungfräulichkeit, Mutterschaft und Paradiesgeschichte in 4Makk und 2Kor zeigt wiederum, dass das Interesse an 4Makk nach wie vor durch seine mögliche Bedeutung für das Verständnis des Neuen Testaments geprägt ist.
Die im weitesten Sinne rezeptionsgeschichtlichen Arbeiten be­ginnen in der Antike. Während Gebern Oegema auf Grundlage eines allerdings sehr engen Verständnisses einiger Begriffe im Ga­laterbrief Paulus als Sympathisanten des makkabäischen Zelotismus erweisen will, geht Stefan Krauter der Frage nach, wie Tacitus die Makkabäerüberlieferung für seine Darstellung des Judentums nutzt. Gegen jüngere Versuche, die Judenfeindschaft des römischen Senators zu relativieren, stellt Krauter dabei die durchaus bedenkenswerte These, dass Tacitus eine Vernichtung des Judentums überhaupt in den Blick genommen und dafür mit seiner wohl unhistorischen Darstellung der Intention des Antiochos ein historisches Modell konstruiert hat.
Am Ende franst der Band thematisch aus: Die Legende der makkabäischen Märtyrer wird in eher anekdotischer Form von der christlichen Rezeption bis in den bürgerlichen Realismus und die Volkskalender des 19. Jh.s (Dieter Richter) sowie von der rabbinischen Literatur bis zum neoorthodoxen Judentum und zum Pogrom von Chișinău (Matthias Morgenstern) verfolgt. Hans Lichtenberger untersucht die Verbindung von griechischer Ethik und philosophischem Monotheismus bei Hermann Cohen; Thomas Knöppler gibt einen umfangreichen Forschungsüberblick über das dritte Makkabäerbuch – jeweils geht der Bezug zu Judas Makkabäus, dem Aufstand gegen Antiochos und den makkabäischen Märtyrern verloren, was freilich (gleichsam in praxi) ein eigenständiges rezeptionsgeschichtliches Phänomen aufzeigt.
Gewiss enthält der Band – wie bei einem Projekt dieser Größe zu erwarten – Beiträge von gemischter Qualität, und auch die angestrebte »Gesamtschau« wird wegen thematischer Fragmentierung und fehlender Interaktion zwischen inhaltlich verwandten Beiträgen nur in Ansätzen erreicht. Dass eine solche Gesamtschau möglich ist und welche Bereiche dabei zu berücksichtigen sind, kann der Band aber immerhin zeigen. Das ist keine geringe Leistung. Da er gleichzeitig eine ganze Reihe von teils zur Einführung gut geeigneten, teils inhaltlich weiterführenden Beiträgen enthält, wird er der in den letzten Jahren erheblich intensivierten Forschung zur Makkabäergeschichte zweifellos gute Dienste leisten.