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Ausgabe:

Januar/2000

Spalte:

29–31

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Monsma, Stephen V., and J. Christopher Soper [Eds.]

Titel/Untertitel:

Equal Treatment of Religion in a Pluralistic Society.

Verlag:

Grand Rapids-Cambridge: Eerdmans 1998. VI, 211 S. gr.8. Kart. $ 18.-. ISBN 0-8028-4296-8.

Rezensent:

Reinhold Bernhard

Wie soll das Gebot der US-amerikanischen Verfassung umgesetzt werden, das staatliche Institutionen zu strikter Neutralität gegenüber religiösen Betätigungen verpflichtet? Muss sich daraus eine separationistische Religionspolitik ergeben, die den Religionsgemeinschaften keinerlei Unterstützung gewährt? Oder ist zu fordern, dass beispielsweise humanitäre Programme dieser Organisationen ebenso zu fördern sind wie die Wohlfahrtsdienste nicht-religiöser Träger - wobei dann allerdings eine rechtliche Gleichbehandlung aller religiösen Verbände bei ihren sozialen Anstrengungen zu gewährleisten wäre? Das ist die zentrale Frage, die in diesem Sammelband behandelt wird. Die Herausgeber und fünf der acht Autoren - Verfassungsrechtler und Politikwissenschaftler (besonders für Religionspolitik) - wenden sich gegen die noch immer in der Gesetzgebung, in der politischen Exekutive und in der Rechtsprechung der Vereinigten Staaten vorherrschende konsequente Trennung von Staat und Religion und plädieren demgegenüber für den Equal-Treatment-Grundsatz. In ihren Beiträgen tragen sie nicht religionstheologische Reflexionen vor; vielmehr versuchen sie, eine religionspolitische Diskussion anzustoßen - mit dem Ziel, die Auslegung des Neutralitätsgebots zu ändern, um es gerade so unter veränderten Bedingungen neu zur Geltung zu bringen. Neutralität - so ihr zentrales Argument - müsse sich in der juristischen Gleichbehandlung religiöser und nicht-religiöser Körperschaften realisieren. Der systematische Ausschluss der Religionsgemeinschaften von politischer Mitwirkung und staatlicher Förderung verstoße gegen diesen konstitutionellen Grundsatz.

In den ersten drei Kapiteln des Buches wird die rechtstheoretische Begründung des Equal-Treatment-Prinzips als religionspolitischem Paradigma im Gegenüber zur separatistisch interpretierten Neutralitätsforderung herausgearbeitet. C. Esbeck zeigt, wie sich diese beiden Rechtsauffassungen in der Jurisdiktion des Supreme Court manifestiert haben; besonders im Bezug auf die Freiheit der religiösen und nicht-religiös weltanschaulichen Selbstdarstellung werde der Grundsatz "gleiches Recht für alle" schon seit nahezu zwei Jahrzehnten praktiziert. M. W. McConnell beklagt die Benachteiligung religiöser Institutionen, die durch die bisherige Praxis des Staatskirchenrechts entstanden sei. Und J. Skillen stellt dem für die Rechtsgeschichte der USA konstitutiven liberalistischen Ansatz (der Religion als Privatsache behandelt und für die politische Gestaltung öffentlicher Bereiche religiöse Neutralität fordert) den von ihm bevorzugten "strukturellen und konfessionellen Pluralismus" gegenüber. Dieser allein führe zur vollen Verwirklichung religiöser Gleichheit und Freiheit. Denn während sich der (selbst zutiefst religiös geprägte) liberale Säkularismus den unterschiedlichen Religionsformen vorgeordnet - und einen Monopolanspruch auf die Regulation des öffentlichen Lebens erhoben habe, handele es sich beim Pluralismus um ein rein formales Freiheitsprinzip, das die unverkürzte Entfaltung aller Religionen und säkularen Weltanschauungen im Privaten wie in der Öffentlichkeit zulasse. - Die nächsten beiden Kapitel von Ch. Glenn und R. Destro wenden das Konzept des Equal Treatment auf zwei soziale Bereiche an: auf das Bildungswesen und auf die Nonprofit Service Organisations.

In den letzten drei Kapiteln kommen Kritiker dieses Ansatzes zu Wort: D. H. Davis hält ihm entgegen, dass eine engere Verbindung von Religion und Gesellschaftsgestaltung zu einer Tyrannei der religiösen Mehrheit führen - und damit die Religionsfreiheit unterminieren könne. Allein die liberale Privatisierung der Religion garantiere die politische Gleichbehandlung aller Religionen. G. Ivers unterstreicht die Befürchtung, dass sich hinter dem Equal-Treatment-Prinzip der Versuch der christlichen Mehrheit verbirgt, ihren politischen Einfluss zu vergrößern und dass dies zu Lasten der religiösen Minderheiten (wie der Juden, für die er spricht) gehen müsse. M. Smith schließlich fürchtet eine Zurückdrängung nicht-religiöser Einflüsse in der politischen Willensbildung und -ausübung.

In ihrer abschließenden Auswertung der vorgetragenen Argumente sprechen sich die Herausgeber für eine Revision der strikten Trennung von Staat und Kirche aus, fordern aber, dabei den berechtigten Einwänden der Kritiker Gehör zu schenken. Wie schon in der Einleitung verweisen sie (unter Bezugnahme auf den Soziologen J. D. Hunter) darauf, dass sich der Säkularismus als die am schnellsten wachsende "community of moral conviction" in den USA neben den Religionsgemeinschaften etabliert habe; ca. 30 % der US-Amerikaner seien mittlerweile dazuzurechnen. Die vom Staat geforderte religiöse und weltanschauliche Neutralität sei nun aber auch dahingehend auszulegen, dass dieser Säkularismus (der den ideellen Grundlagen des säkularen Staates nahestehe) nicht gegenüber den religiösen Körperschaften bevorzugt werden dürfe. Es sei nicht einzusehen, dass er die Gestaltung öffentlicher Institutionen (wie etwa der Schulen) bestimme und für seine Aktivitäten staatliche Fördermittel bekomme, während die Religionsgemeinschaften davon ausgeschlossen seien. Im Interesse der Religionsfreiheit müssten die Religionen untereinander und mit den säkularen Weltanschauungen juristisch gleichgestellt sein. "Government should be neutral in the contest between religionists and secularists" (206).

Der Band gibt einen instruktiven Einblick in die Komplikationen, die sich aus dem historisch verständlichen Versuch ergeben haben, den Staat zu vollkommener Neutralität gegenüber allen Religionsgemeinschaften zu verpflichten. So sehr er auch aus der spezifischen religionspolitischen Situation in den USA entstanden ist und auf diese Situation Einfluss nehmen will, so sehr kann er doch auch all jenen zu denken geben, die für Deutschland und Europa eine striktere Trennung von Staat und Kirchen fordern. Er wird aber auch vor die Frage führen, ob nicht-christlichen Religionsgemeinschaften auf Dauer die Gleichbehandlung mit christlichen verwehrt werden kann.