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Ausgabe:

Mai/2018

Spalte:

554–555

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Szagun, Anna-Katharina, u. Stefanie Pfister

Titel/Untertitel:

Wie kommt Gott in Kinderköpfe? Praxis frühen religiösen Lernens.

Verlag:

Gera: Garamond – Der Wissenschaftsverlag 2017. 200 S. m. Abb. Kart. EUR 14,00. ISBN 978-3-946964-08-7.

Rezensent:

Friedrich Schweitzer

Neben einem kurzen empfehlenden Vorwort von Christian Grethlein (8) umfasst die Veröffentlichung mehrere kleinere theoretische Teile sowie einen praxisbezogenen Hauptteil (74-194). Wie bereits die Aufmachung bzw. Gestaltung des großformatigen Bandes mit zahlreichen Fotografien und Abbildungen erkennen lässt, wendet sich das Werk vor allem an Leserinnen und Leser, die selbst in der religionspädagogischen Praxis mit Kindern tätig sind.
In der Einleitung (9–18) wird die Studie, die der vorliegenden Veröffentlichung zugrunde liegt, in den weiteren Kontext der Ar­beit von A.-K. Szagun eingeordnet (sog. Rostocker Langzeitstudie, zu der später noch Erhebungen in Niedersachsen hinzukamen). Im vorliegenden Band steht die religiöse Entwicklung von 3- bis 8-jährigen Kindern im Vordergrund. Den Autorinnen liegt vor allem daran, ein breiteres Bild der religiösen Entwicklung zu gewinnen, als dies nach ihrer Auffassung auf Grundlage der an Piaget und Kohlberg angelehnten Stufentheorien (Oser, Fowler) möglich ist (9). Die Befunde sollen religiöses Lernen von Kindern unterstützen, ein altersgemäßes Gottesverständnis so anbahnen, dass es weiterwachsen kann, und dabei die biblisch-christliche Tradition mit heutigen Erfahrungswelten verknüpfen (12).
Eingesetzt wird bei der Studie eine Vielfalt von Methoden, die der Erkundung kindlicher Gotteskonzepte dienen sollen (19–28). Vor allem visualisierende Verfahren und freie Analogiebildungen, bei denen Kinder »Gegenstände auswählen«, die ihrer Meinung nach »ähnlich wie Gott sind oder irgendwie zu Gott passen, zu Gott gehören oder mit Gott zu tun haben« (20). Dies erklärt, warum den Kindern eine Vielzahl von Gegenständen zur Verfügung gestellt wird, die die Kinder selbst platzieren und damit ihre Vorstellungen zum Ausdruck bringen können (22). Diese Methoden werden auch im Blick auf Gebetsvorstellungen oder die Nähe bzw. Distanz zu Gott eingesetzt. Als weitere hier genutzte Möglichkeiten sind Fa­milienaufstellungen mit Puppen zu nennen.
In einem ausführlichen Teil werden Einzelfälle vorgestellt (29-61). Damit sind hier Beobachtungen bzw. Porträts zu einzelnen Kindern gemeint, die jeweils in Form von Vignetten beschrieben werden, begleitet von Abbildungen zu den von den Kindern vorgenommenen Gestaltungen. Besonders eindrücklich sind hier beispielsweise die »Fälle«, in denen es um die Erhörung von Gebeten geht sowie um die Gründe, warum Gott Gebete nicht (immer) er­füllt. Wünschenswert wäre in diesem Teil des Buches allerdings gewesen, dass auch die Kinder selbst noch etwas mehr zu Wort gekommen wären – vielfach dominiert die Beschreibung der Autorinnen. In den Fällen, in denen dies nicht der Fall ist und also die Kinder selbst das Wort ergreifen können, wird deutlich, dass hier doch eine große Nähe zur Kindertheologie besteht (worauf die Autorinnen, allerdings eher abgrenzend, auch hinweisen, vgl. 17).
Statt für einen herkömmlichen Theorieteil entscheiden sich die beiden Autorinnen, dem Stil des Bandes entsprechend, für einen »Dialog zur Auswertung der Ergebnisse« (62-73). Hier werden in gut lesbarer und anregender Form weitere Einordnungen des An­satzes geboten und weiterreichende Thesen formuliert.
Der letzte und umfangreichste Teil »Praktische Folgerungen« (74–194) enthält zahlreiche Beispiele und Anregungen dafür, wie mithilfe der in der Untersuchung eingesetzten Methoden auch pädagogisch gearbeitet werden kann. Auch hier wird also mit Ma­terialien gearbeitet, werden die Kinder zu Visualisierung ermutigt und wird die Fantasie angeregt. Dabei wird ein breites Spektrum von Fragen und Themen aufgenommen - angefangen bei der Rolle der religiösen Begleiter und religiösen »Basiskompetenzen« über Andachten bis hin zu biblischen Geschichten. Dabei werden im­mer wieder auch theologische Grundinformationen geboten, die ein reflektiertes religionspädagogisches Handeln ermöglichen sollen. Ein knapper Ausblick (195 f.) beschließt den Band.
Es entspricht der Intention und Ausgestaltung des vorliegenden Bandes, wenn hier nicht in erster Linie eine wissenschaftliche Leis­tung zu würdigen ist. Im Vordergrund steht vielmehr die ermutigende Anregung, sich auf die religiösen Vorstellungen und Ausdrucksformen von Kindern in ihrer ganzen Vielfalt einzulassen. Dass dabei – in Aufnahme von Entwicklungspsychologie, Montessori-Pädagogik (sie hätte eine stärkere Erwähnung verdient) und der Kindertheologie – produktive Weiterentwicklungen erreicht werden, darin scheint mir die eigentliche Leistung dieses Praxis-Buches zu liegen. Es ist zu wünschen, dass diese Anregungen vielfach Beachtung und Aufnahme in der Praxis von Kindertagesstätten und Grundschulen finden.