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Ausgabe:

Januar/2000

Spalte:

24–26

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Golob, André

Titel/Untertitel:

Buddha und die Frauen. Nonnen und Laienfrauen in den Darstellungen der Pali-Literatur.

Verlag:

Altenberge: Oros 1998. 555 S. 8 = Münsteraner Theologische Abhandlungen, 56. Kart. DM 88,-. ISBN 3-89375-168-8.

Rezensent:

Martin Kraatz

Religionen sind fassbar und beschreibbar nur in Menschen und in dem, was Menschen geschaffen haben. In Texten formulieren sie die Grundlagen ihres Glaubens und deren Deutung. Mit Bildern ergänzen sie die Texte oder bringen sie zum Ausdruck, wie sie ihren Glauben verinnerlicht haben. Durch Kulte, Rituale und bestimmte Verhaltensweisen setzen sie ihren Glauben in Praxis um. In Gemeinschaften und Institutionen schließen sie sich zusammen und werden so ein Element der Gesellschaft.

Nun sind die in und von ihren Religionen lebenden Menschen in vielem verschieden voneinander, von alters her bis heute. Religionen haben sich in weit voneinander entfernt liegende Regionen und deren eigenständige Kulturen ausgebreitet und damit in viele unterschiedliche Ausprägungen aufgefächert. Über die oft langen Zeiten ihrer Geschichte hin haben Religionen sich, um auf die Erfordernisse der jeweiligen Gegenwart reagieren zu können, immer wieder verändert. Die üblichen singularischen Bezeichnungen von Religionen wie "der Buddhismus", "das Judentum", "das Christentum", "der Islam" sind darum Abstrakta, welche den falschen Eindruck einer Einheitlichkeit suggerieren.

Der Autor der hier zu besprechenden Publikation wird dem weitgehend gerecht, indem er sein Thema auf begrenzte Bereiche, den "Buddha und die Frauen" und die "Pali-Literatur" beschränkt. Dabei ist ihm bewusst, dass die Pali-Literatur zwar Authentisches über den Buddha und von dem Buddha enthält, die Authentizität im Einzelnen aber immer nur annähernd gesichert werden kann. Als christlichem Theologen wird ihm dieses Problem schon durch die historisch-kritische Arbeit am Neuen Testament grundsätzlich vertraut gewesen sein.

Nach einleitenden Bemerkungen zum Thema, den Voraussetzungen und Einschränkungen und den Zielen der Arbeit werden in einem ersten Kapitel (25-58) das "Bild der Frau" in Indien bis zum Auftreten des Buddha geschildert, auf knapp drei Seiten die "buddhistische Bewegung" skizziert, gefolgt von knapp zehn Seiten "Die Frau und die samsarische Triebkraft der Sexualität". Kapitel zwei (59-242) stellt die "buddhistische Nonne" vor, den Nonnenorden und seinen Aufbau, das Ordensleben und seine Regeln, Eintrittsmotive und sozialen Hintergrund von Nonnen, schließlich das "religiöse Leben" und die "religiöse Vollendung der Nonne". "Die buddhistische Laienfrau" ist das Thema des dritten Kapitels (243-269), in den verschiedenen Positionen des familiären Bereichs, im Erwerbsleben, als Sklavin und Kurtisane, abschließend wieder mit dem, was solchen Frauen, die nicht den Weg der "Nonne" gingen, religiös möglich war, im Alltag und in der "Vollendung". Eine achtseitige Schlussbetrachtung fasst zusammen, was die Arbeit zum Problem "Buddha und die Frauen" ergeben hat.

In einem Anhang findet man, aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt, Beichtregeln für Nonnen, die deutsche Übersetzung niederländischer Zitate aus dem für den Autor sehr wichtigen Werk von M. E. L. van Goor, De Buddhistische Non (1915), Verzeichnisse von Abkürzungen, Literatur und "weiterführender Literatur", sowie ein Glossar von Pali-Begriffen.

Das Ziel der Arbeit, einer Dissertation im Fachgebiet Religionswissenschaft der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster, benennt das Vorwort. Sie "hat sich zur Aufgabe gemacht, ein Bild von der buddhistischen Frau und ihren Lebensumständen, so wie sie in den Pali-Quellen dargestellt werden, zu erarbeiten. Mit Blick auf diese Quellen möchte sie die über Jahrzehnte international erschienenen Informationen und Quellen zum Verhältnis Buddhas zu den Frauen zusammenstellen, um eine nicht nur vollständige, sondern auch praktikable Grundlage für weitere wissenschaftliche Beschäftigungen (sic!) zu bieten ... sie will nicht nur ein praktikables Nachschlagewerk sein, sondern darüber hinaus auf divergierende Betrachtungen in der Forschungsliteratur aufmerksam machen und anhand der Betrachtungen von Primärquellen Klärungsvorschläge unterbreiten" (15).

In der Tat hat der Autor mit großem Fleiß viel einschlägige Literatur zusammengetragen, wenn auch nicht "vollständig", was kaum möglich sein dürfte. Und er hat aus dieser Literatur breit und, seinem Schema unterworfen, in vielen Wiederholungen referiert. So bietet er zu den verschiedenen Aspekten des Frauen-Themas eine ausführliche Anthologie dessen, was ihm an Material und an Diskussionen in der Sekundär-Literatur begegnet ist. Die eingestreuten und die Kapitel jeweils abschließenden eigenen Reflexionen fassen zusammen und gewichten, bringen aber keine neuen Ergebnisse oder Erkenntnisse. Das zeigt auch die "Schlußbetrachtung". Sowohl die Betonung der Frauenfreundlichkeit des Buddha und der Heilsfähigkeit der Frau, wie auch das Bild einer im ganzen ambivalenten Wertung der Frau durch den Buddha und seine direkten männlichen Schüler gehören seit langem zum Repertoire der Buddhismusliteratur.

Das Verdienst der Arbeit ist in dem nicht zu unterschätzenden Nutzen zu sehen, dass man hier zwischen zwei Buchdeckeln zusammengetragen und unter verschiedenen systematischen Gesichtspunkten geordnet findet, was man sonst in vielen, teils nicht leicht zugänglichen Publikationen selber suchen müsste. Wer an diesem Nutzen partizipieren will, sollte allerdings die Belege und Zitate an den Originalen kontrollieren. Hier stimmt, wie schon die glatte Lektüre und dann Stichproben ergeben haben, manches nicht. Besonders in englischen Zitaten sind die, zum Teil ganz unsinnigen, falschen Wörter zahlreich. Überhaupt hätte das Manuskript sorgfältig lektoriert oder wenigstens einer gründlichen Fahnenkorrektur unterzogen werden müssen.

Die leider nicht wenigen Fehler und Ungenauigkeiten im einzelnen aufzuführen und zu diskutieren, ist nicht Aufgabe einer Rezension. Doch auf ein Gravamen, das die Arbeit als ganze betrifft, sei ausdrücklich hingewiesen. Der Vf. ist kein Indologe und beherrscht "das Pali nicht" (23). Dieses Manko könnte durch einen spezifisch religionshistorischen Zugriff aufgefangen werden. Eine solche Kompetenz kommt in der Arbeit aber nicht zum Tragen. Denn sie verpflichtet sich der historisch-kritischen Methode, indem sie den Anspruch erhebt, eine "präzise Betrachtung der buddhistischen Quellen" (Umschlag-Text) zu bieten. Dazu wird ein reichhaltiges Arsenal an Pali-Begriffen mit diakritischem Apparat aufgeboten, und sogar die vedisch-brahmanische Epoche wird wie eine Pali-Sprachkultur dargestellt. Die Anführung von Pali-Begriffen hat aber keinen Erkenntniswert. In keinem Fall wird anhand des originalen Pa-liwortes die aus der Sekundärliteratur (wozu auch Übersetzungen von Texten zu zählen sind) übernommene Übersetzung geprüft und gegebenenfalls korrigiert. Dadurch stehen die Textbelege der Arbeit in Übersetzungen recht unterschiedlicher Qualität nebeneinander. Und die Pa-li-Begriffe dienen nur zur Illustration, werden dann auch entsprechend locker behandelt, einige durchgehend falsch (adhinna, sogar im Glossar, statt richtig: adhinna, bhikkhun.í statt: bhikkhuní, vinaya statt: vinaya), viele in willkürlich wechselnder Schreibweise, sogar auf einer Seite zwei- und dreifach verschieden. Die Genera purzeln bunt durcheinander, Titel von Sanskrit- und Pa-liwerken sind entstellt, ihre Genera werden ausprobiert (direkt untereinander: "die Mahavamsa", "Das Mahavamsa", 356, richtig: der Mahavamsa), Singular und Plural werden verwechselt.

Diese Bemerkungen sind keine philologische Beckmesserei. Sie sollen darauf hinweisen, dass auch für religionshistorische Publikationen eine angemessene Kompetenz zur Bearbeitung der allgemein kulturellen und der sprachlichen Aspekte des behandelten Themas vorausgesetzt werden muss. Eine grundsätzliche breite Vertrautheit mit dem Umfeld des Themas und seiner Erforschung hätte wahrscheinlich auch einiges Peinliche verhindert, wofür zwei Beispiele genannt seien: die hilflos erscheinende Aufzählung von den vielen "Bezeichnungen und Namen" der "Person des Buddha ... in der Literatur" (23 f.) - sie sind nicht einfach austauschbar, sondern jede hat ihre besondere Funktion; die in Text (98) und Glossar (555) gegebene Fehlinformation, das Uposatha-Zeremoniell finde "zweimal im Jahr" statt - es richtet sich, wie sein vedischer Vorläufer upavasatha, nach dem Mondkalender und wird immer an Neumond und Vollmond, also zweimal im Monat begangen.

Summa: Die Publikation bietet ein eindrucksvolles Panorama der verschiedensten Aspekte und Probleme, die mit dem Thema "Buddha und die Frauen" verbunden sind. Wer sich generell kundig machen will, sollte sich nicht scheuen, die durchaus etwas mühevolle Lektüre der 555 Seiten auf sich zu nehmen. Wer sich wissenschaftlich mit dem Thema zu beschäftigen plant, wird hier viele Anregungen finden, müsste sich aber, wenn er diesen weiter nachgehen wollte, den Paliquellen direkt zuwenden.