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Ausgabe:

April/2018

Spalte:

402–403

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Paddison, Angus [Ed.]

Titel/Untertitel:

Theologians on Scripture.

Verlag:

London u. a.: Bloomsbury T & T Clark 2016. 236 S. Geb. US$ 128,00. ISBN 978-0-567-18240-1.

Rezensent:

Frederike van Oorschot

Der Sammelband bietet im Wortsinn das in Titel und Genre formulierte Anliegen: Er sammelt Antworten von Theologen unterschiedlicher Disziplinen und Konfessionen auf die Frage nach ihrem Umgang mit der Schrift. Dem Versuch, die oft beklagte Entfernung zwischen Theologie, Kirche und Schrift zu überbrücken, dienen 13 Beiträge namhafter überwiegend britischer Autoren, die reflektierend die eigene Schriftpraxis beschreiben und kontextua-lisieren. Abgerundet wird der Band durch eine Einführung und einen vierzehnten summarischen Beitrag des Herausgebers.
Die den Autoren aufgegebenen Leitfragen unter Berücksichtigung ihres biographischen Kontextes lassen ein vielschichtiges Panorama gegenwärtiger schrifttheologischer Theorie und Praxis entstehen. Je nach Gewichtung lassen sich die nach Autoren alphabethisch geordneten Beiträge unterschiedlich charakterisieren.
Es finden sich erstens autobiographisch strukturierte Beiträge. So skizziert Timothy Gorringe (67–78) die Entwicklung seines Schriftverständnisses mit und in der Schrift als Tradition im Sinne einer »passionate, often angry, sometimes ironic and humorous, contest about what the NAME is up to« (73). Der Beitrag von Graham Ward wiederum verortet den eigenen Schriftgebrauch im Kontext von Glauben, meditatio und contemplatio (181–192). In stärkerer Gewichtung der theologischen Programmatik, aber in ähnlich enger autobiographischer Verflechtung entwickelt Christoph Schwöbel sein Schriftverständnis (161–180): Ausgehend von historisch-kritischen und religionsphilosophischen Zugängen beschreibt Schwöbel die Schriftlehre im Kontext von Liturgie und Kultur, um abschließend auf die Einheit der Texte als »referential unity« (177) mit Gott als Bezugspunkt hinzuweisen. Auf eine ganz andere Weise biographisch geprägt ist der Beitrag von Robin Gill (53–66): Er reflektiert auf sein Engagement in ethischen Debatten und betont als »theological realist« (54) die fruchtbare Verbindung zwischen theologischen, kirchlichen und säkularen Denkmustern und Lebenswelten.
Andere Autoren entwickeln ihre Beiträge stärker in Verbindung von programmatischen Überlegungen und ihrem eigenen kirchlichen, wissenschaftlichen oder theologischen Kontext. Konfessionelle Bezogenheit lässt sich im Beitrag des orthodoxen Theologen Andreas Andreopoulos (7–22) erkennen: Eindrücklich entwickelt er eine Verortung der Schrift in der Liturgie, welcher durch Beteiligung und Erleuchtung gekennzeichnet ist und einen Vorausgeschmack des kommenden Reiches Gottes ermögliche. Ähnlich entfaltet der Methodist Tom Greggs sein Schriftverständnis (79–92): Entscheidende Voraussetzung sei das Verständnis der Schrift als einem kirchlichen Text, der in der Gemeinschaft der Heiligen auf apostolische Weise in Bezug auf Bekenntnis und Tradition gelesen werden müsse (84 f.). Ziel einer solchen »formative interpretation« (87) sei die Prägung theologischer Rede, welche in Auseinandersetzung mit der Welt die Bibel als lebendiges Buch zu lesen übt. Die praktische Theologin Zoë Benett wiederum fragt nach der Bedeutung der Schrift für ihr Fach (23–36), welches in besonderer Weise durch die Spannung von lebensweltlicher Erfahrung und Texten der Schrift und Tradition geprägt ist. Aufgabe sei hier das Aufdecken von Formen aktueller Praxis und ihrer Geschichte und die Orientierung in gängigen Formen des Schriftgebrauchs (34 f.). Anthony G. Reddie wiederum entwickelt in seinem Beitrag einen explizit aus der Praxis verorteten »black liberationist reader-response approach to reading the Bible« (147–160). Um ein neues Lesen der Schrift zu ermöglichen, müssen »black experience« und Schrift als gleichwertige Interpretamente der Welt wahrgenommen werden, deren primärer Interpretationsrahmen in der Erfahrung des Leids besteht (152 f.156). Ähnlich entfaltet Lisa Isherwood ihren Ansatz eines feministischen Schriftgebrauchs (119–132).
Bei einer dritten Gruppe von Beiträgen tritt die programmatische Ausrichtung in den Vordergrund. So entfaltet Oliver Davies in seinem Beitrag »Evo-lution, language and the Biblical text« (37–52) eine Synthese von sprach­philosophischen Erwägungen in evolutionärer Perspektive und schrifttheologischen Überlegungen zur Materialität des Wortes. Stephen R. Holmes wiederum setzt bei der Fremdheit des Textes an (105–118): Dieser widerstrebe der Systematisierung und verweise auf den liturgischen Gebrauch der Texte als ihrem primären Ort (111). Hier zeige sich die Harmonie der Texte als Schrift, weswegen das im Hintergrund stehende Narrativ der Erlösung als Leseregel der Schrift gelten müsse (112). Ähnlich entfaltet Mike Higton eine Schriftlehre ausgehend von der Glaubensregel und ihrer Autorität für die Auslegung im Kontext der Kirche (93–104). Einen anderen Fokus wählt Murray Rae, der die betende Aufmerksamkeit für das Reden Gottes in den Vordergrund stellt (133–146).
Der Herausgeber Angus Paddison stellt sich abschließend der Aufgabe einer gliedernden Rückschau (193–211): Deutlich werde zum einen die Einbettung der Schrift in den christlichen Glauben und die kirchliche Praxis. Trotz unterschiedlicher theologischer Prägungen betonen die Autoren zum anderen gemeinsam die Bedeutung der lebensweltlichen Erfahrung für die Schriftinterpretation.
Diesem inhaltlichen Fazit des Herausgebers ist zuzustimmen. Insbesondere die nachdrückliche Zuordnung von kirchlich-liturgischem und wissenschaftlichem Schriftgebrauch ist anregend und sowohl für den wissenschaftlichen als auch für den kirchlich verorteten Leser weiterführend. Eine weitere Stärke liegt in der Anlage als ein Kaleidoskop wissenschaftlich-biographischer Selbstklärung im Blick auf (auch implizites!) Schriftverständnis und den eigenen Schriftgebrauch. Diese Einblicke in theologische Selbstklärungen ermöglichen zum Teil ungewöhnliche Perspektiven für Auseinandersetzung um das Schriftverständnis in Wissenschaft und Kirche gleichermaßen.