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Ausgabe:

April/2018

Spalte:

372–374

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Davis, David J.

Titel/Untertitel:

From Icons to Idols. Documents on the Image Debate in Reformation England.

Verlag:

Cambridge: James Clarke & Co. (Lutterworth) 2017. XII, 211 S. m. Abb. Kart. £ 22,50. ISBN 978-0-227-17629-0.

Rezensent:

Martin Ohst

Das handliche Büchlein bietet ein willkommenes Seitenstück zu der unlängst erschienenen monumentalen Quellenedition von Jörg Jochen Berns (Von Strittigkeit der Bilder. Texte des deutschen Bilderstreits im 16. Jahrhundert, 2 Bde., Berlin/Boston 2014). Sein wichtigstes Referenzwerk ist Joseph Leo Koerners jüngst in deutscher Übersetzung (München 2017) erschienene Monographie The Reformation of the Image (2004). 22 Zeugnisse dokumentieren die gegenüber den deutschen bzw. kontinentaleuropäischen Debatten zeitlich etwas versetzte und sachlich spätestens seit dem Eliza-bethan Settlement durch die papstkirchliche und puritanische Polemik ganz eigenartig strukturierte englische Variante jenes schwer entwirrbaren Knäuels von dogmatischen, ethischen, ästhetischen und kirchenpolitischen Auseinandersetzungen, in dem darum gerungen wurde, ob bestimmte religiöse Bildwerke in Kirchen als legitime Werke, Zeugnisse und Kommunikationsmedien gelebter Frömmigkeit ( icons) oder aber als verführerische, in die Irre leitende Götzenbilder zu beurteilen seien (idols). Abgedeckt ist das Jahrhundert zwischen den ersten autochthonen Zeugnissen der reformatorischen Bewegung in England (William Tyndale, 1532) und den puritanisch-arminianischen Kontroversen der Ära Jakobs I. (gest. 1625).
Dass auch drei Bilder (Bibelillustrationen) vorgestellt werden, ist erfreulich. Leider sind die Reproduktionen derart minderwertig, dass sie kaum den kritischen Nachvollzug der beigegebenen Interpretation ermöglichen.
Bei den Texten handelt es sich um Auszüge aus größeren Werken, die zudem noch gekürzt sind; man wird als Leser also durchgängig nicht eigentlich mit Originaldokumenten, sondern mit den Ergebnissen wertender Auswahlentscheidungen des Herausgebers konfrontiert. Die Quellentexte sind mit kurzen, flott formulierten historischen Einleitungen versehen, die Basisinformationen bieten. Über die englische Übersetzung und Publikation (1535) des Bucer-Textes aus dem Jahr 1530 (15–42) etwa hätte man gern mehr erfahren. Die Texte sind sprachlich so angepasst, dass auch ein Leser ohne vertiefte Kenntnisse des frühneuzeitlichen Englisch sie mühelos zu rezipieren vermag. Altertümliche Worte und Begriffe werden erläutert. Wörtliche Zitate werden verifiziert, Anspielungen jedoch nicht durchgängig. Das ist schade – etwa im Hinblick auf die überragend wirkungsreichen Sätze Papst Gregors d. Gr. über die Bilder als Lektüre-Ersatz für die Leseunkundigen (Ep 105), die noch sehr viel häufiger implizit angeführt werden, als es die Zahl der Belege im Register zu erkennen gibt. Bei dem von Petrus Martyr Vermigli angeführten Autor »Azotus« (124) dürfte es sich übrigens um den Dominikaner-Theologen Domingo a Soto handeln, der einen Röm-Kommentar verfasst hat.
Wer sich die Zeit nimmt, den Band im Zusammenhang durchzulesen, wird reichlich belohnt. Am Anfang steht ein eindrucksvolles Zeugnis eines von der reformatorischen Bewegung noch völlig unberührten Reformkatholizismus: Im Geiste Johannes Gersons kritisiert John Ryckle, ein Franziskaner-Observant, einen deisidaimonistisch entarteten Bilderkultus, der das wahre göttliche Ebenbild, den Mitmenschen zumal in seiner Hilfsbedürftigkeit, vernachlässigt: Ohne den Bilderkultus prinzipiell zu verdammen, wird für dessen Reduktion auf ein moralisch verständiges Maß plädiert. Man kann in dieser Haltung des maßvoll-kritischen Unbehagens die gemeinsame Ursprungsatmosphäre aller Positionen in den bald beginnenden Auseinandersetzungen finden. Sie bietet Anknüpfungspunkte für eine durchgreifend gemäßigte Beibehaltung der herkömmlichen Kultbilder und des volkstümlichen Bilderkultus, aber auch für eine Kritik, die in Anknüpfung an das 2. Dekaloggebot die Gottesbilder verpönt und die Alleinanbetung des einen, rein geistigen, jeder Bildhaftigkeit sich entziehenden Gottes (einschließlich der göttlichen Natur Jesu Christi!) fordert. Diese kann sich ihrerseits, wie viele Quellen, besonders der Auszug aus den Loci des Petrus Martyr Vermigli (118–134), zeigen, durchaus mit der Wertschätzung der Bildenden Kunst verbinden – solange diese eben die ihr gesetzten Grenzen wahrt und sich bei der Unabbildbarkeit des Unabbildbaren bescheidet. Allenthalben wird deutlich, dass es sich bei dem weit verbreiteten Klischee von der »Bilderfeindlichkeit« des reformatorischen Christentumsverständnisses um ein bloßes Ressentiment aus dem Arsenal unverständiger konfessioneller Polemik handelt, dessen Grundstock von den Apologeten der Papstkirche bzw. den Vorkämpfern der Gegenreformation gebildet wurde: Die reformatorischen Restriktionen vernachlässigten die kognitiven und emotionalen Bedürfnisse gerade der einfachen Menschen. Aber das eigentlich entscheidende Argument war ein anderes: Die unfehlbare Kirche hat von Anfang an Kultbilder gestattet und befördert, und genau deshalb kann der Bilderkultus schlechterdings nicht falsch sein (John Martiall, 98–117). Wenn er auch zu allerlei Missbräuchen Anlass gab und gibt: Abusus non tollit usum (Nicholas Sander, 109–117)! Die destruktive Polemik der Protestanten beruht auf ihrem häretisch verfälschenden Bibelverständnis (Gregory Martin, 135–144).
Auf der anderen Seite der sich stabilisierenden Grenze der Konfessionen wird die Polemik gegen den Bilderkultus in die Ge­schichtsbetrachtung hinein projiziert und verfestigt sich so zum polemisch-assertorischen Motiv in einem konfessionell konstruierten Gesamtbild der Kirchengeschichte: Eindrucksvoll ablesbar ist das an Auszügen aus Musterpredigten aus dem »Book of Homilies« (89–97), also dem dritten fundamentalen normativen Dokument des Elizabethan Settlement neben dem Book of Common Prayer und den 39 Lehrartikeln: Päpste haben, so der vom Herausgeber als Autor vermutete John Jewel, unrechtmäßig in den Machtbereich weltlicher Obrigkeit eingegriffen und die bilderfeindliche Gesetzgebung oströmischer Kaiser konterkariert. Mit diesem historiographisch-polemischen Schachzug wurde die Bilderfrage in einem auf weitestmögliche Verbreitung hin konzipierten normativen Text der entscheidenden kirchlich-politischen Frage jener Jahre ein- und untergeordnet, nämlich der nach der Suprematie der Monarchin und des Parlaments in der englischen Kirche: »Now on the contrary, note you that the bishops of Rome were no ordi-nary magistrates appointed by God out of their diocese, but usurpers of princes’ authority, contrary to God’s word, and stirrers up of sedition and rebellion and workers of continual treason against their sovereign lords. Contrary to God’s law and the ordinances of all human laws, being not only enemies to God, but also rebels and traitors against their princes« (94).