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Ausgabe:

April/2018

Spalte:

366–368

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Jarecki, Thies Siebet

Titel/Untertitel:

Die Vorstellungen vom Bischofsamt bei Adam von Bremen.

Verlag:

Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2014. 297 S. = Arbeiten zur Kirchen- und Theologiegeschichte, 42. Geb. EUR 68,00. ISBN 978-3-374-03905-0.

Rezensent:

Lutz E. von Padberg

»Adam und sein Buch sind unzweifelhaft weit komplizierter als oft angenommen wurde«, so stellte Aage Trommer schon 1957 fest. Zu Recht, wie Thies Siebet Jarecki in seiner 2012 von der evangelisch-theologischen Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen angenommenen Dissertation beweist, die nun leicht überarbeitet im Druck erschienen ist. Er versteht die Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum, an denen der Bremer Magister Adam bis ca. 1080 gearbeitet hat, als »Zeugnis der Christenheit seiner Zeit« (13). »Unmittelbar als Kirchengeschichtsschreibung informiert es über eine bestimmte Kirche zu bestimmter Zeit. D. h., es ist als solches Ausdruck bestimmter Vorstellungen von der Kirche seiner Zeit. Demnach sind in seinem Fall kirchliche, christliche und theologische Vorstellungen nicht nur als Mentalitätsspuren des Verfassers präsent, sondern ihr Gegenstand und Thema« (14). Das klingt etwas verschachtelt formuliert nach Selbstverständlichkeiten, weshalb J. seinen Untersuchungsgegenstand auf Adams Vorstellungen vom Bischofsamt konzentriert und – wenig überraschend – davon ausgeht, »dass Adams enger Beziehung zu seiner Kirche dabei besondere Bedeutung zukommt« (14).
Der Hauptteil der Arbeit ist dementsprechend Adam und seinem Werk gewidmet (11–240). Einleitend skizziert J. Autor und Werk, erörtert eingehend den Forschungsstand und bestimmt Fragestellung und Vorgehen (13–46). Wie im Fortgang der Arbeit auch, so lassen die nicht immer leserfreundlichen Formulierungen und Gedankengänge bisweilen die Frage aufkommen, ob der »frühhochmittelalterliche Christ« (13) Adam sein Werk tatsächlich mit so komplexen Vorüberlegungen begonnen hat. Die Suche der His­toriker nach Aussagebereitschaft und Deutungsabsicht mittelalterlicher Autoren scheint diesen ein erstaunlich hohes Maß an Selbstreflexion beizumessen, was gelegentlich auch selbstkritisch bedacht werden sollte. J. ist jedenfalls überzeugt, dass »das ausgefeilte exegetische Methodeninstrumentarium und die bewusste Auslegbarkeit mittelalterlicher Geschichtsschreibung« die Komplexität von Adams Werk zu entschlüsseln vermag (45). Seine Leitfragen sind klar: »Was berichtet Adam über die Bischöfe und wie stellt er sie dar?« (46)
Nach weiteren Einleitungsfragen (die gesta als Kirchengeschichtsschreibung, Widmung und Beziehung, 47–58) stehen Analyse und Auslegung von Adams Bischofsdarstellung im Mittelpunkt (59–226). Ziel ist es, »Adams Vorstellungen vom Bischofsamt […] durch die Auslegung der Tatenberichte der 16 Hamburg-Bremer Amtsinhaber deutlich werden« zu lassen (59). Das gelingt J. in detaillierter und quellengesättigter Weise gut. Überzeugend werden dabei berücksichtigt die Klärung historischer Sachlagen und Realia, die bisherige Adamforschung, vergleichende Hinweise auf den Eichstätter Anonymus und die bisherige Literatur zu Bischofsdarstellungen (60). Dabei folgt J. nicht der Chronologie der Bi­schofsfolge, sondern systematischen Aspekten: Struktur und Schemata (nicht ganz passend, denn es geht auch um den Weg ins Amt sowie Vorstellung und Charakterisierung der Bischöfe), Amtspflichten und Amtswahrnehmung, Sorge für Klerus und Geistlichkeit, Caritas, Bauten, Reliquienverteilung, Wunder, Bildung, Kirchenbeziehungen (darunter Kapitel A.III.6.4. »Das Wahrnehmen der Legation«, das mit 30 Seiten bei Weitem umfangreichste der über 60 Kapitel des Buches), Verhältnis zu Herrschern und Herrschaftsträgern, Sterben, Tod und Nachruf. J. arbeitet dabei ganz eng an Adams Text, den er auch ausführlich zitiert. Das erleichtert zwar die Nachprüfbarkeit seiner Analyse, erschwert aber mitunter den Lesefluss. Denn die Originalzitate werden in kleinerer Type kursiv, eingerückt und mit Leerzeilen zum Fließtext abgesetzt, so dass ein sehr unruhiges Druckbild entsteht (z. B. 105 f.138 f.190 u. ö.). Hinzu kommen überlange Lateinzitate in den insgesamt fast 1200 Anmerkungen (z. B. 138.143 f.159.176 f.189 u. ö.). Leider muss man heute die Frage stellen, wer noch genügend Lateinkenntnisse besitzt, um einen solchen »Mischtext« lesen zu können. Für einen Großteil der Studenten wird das kaum zutreffen, deshalb sollte man erwägen, im Fließtext Übersetzungen und nur in den Anmerkungen das Original zu bringen.
In Kapitel IV. wird ein Zwischenresümee zu Adams Vorstellungen vom Bischofsamt gezogen (227–240). Sehr gut fasst J. seine Be­obachtungen zusammen in dem »Aufgabenprofil eines Idealbischofs« nach Adams Vorstellungen (227) und macht als entscheidende Perspektive deutlich »die Darstellung aus Sicht und am Maßstab des Domklerus«, dessen »kirchenleitende Mitverantwortung und Kontrolle« der Bremer Magister mit seinem Werk hervorheben will. Daraus ergibt sich logisch: »Kirchenbild und Bi­schofsdarstellung spiegeln die Mentalität der Dombrüder« (230). Die Überschrift des letzten Abschnitts dieses Kapitels, »Historische Orientierung: Vorstellungen vom Bischofsamt zu Adams Zeit« (231–240), ist missverständlich, handelt es sich doch nicht um Quellendiskussion, sondern um das Referat der Ergebnisse einiger Forscher.
In Teil B. soll unter den Aspekten Tradition und Milieu eine Kontextualisierung versucht werden. Zunächst soll gezeigt werden, dass Adam von der Tradition der Institutiones Aquisgranensis von 816 geprägt ist (243–264), dann folgt ein »milieuinterner Vergleich« mit Meinhard von Bamberg (265–280). Bei dem Ertrag ist freilich zu berücksichtigen, dass die Aachener Regel und die Briefe Meinhards nur bedingt mit Adams Kirchengeschichte vergleichbar und insofern nicht von zentraler Bedeutung für die Arbeit sind.
Im Schlusskapitel (281–284) fasst J. seine Ergebnisse präzise zu­sammen: »In seiner selbstbewussten Haltung gegenüber seinem Bischof spiegelt der Bremer Domscholaster den Macht-, Mitverantwortungs- und Versorgungsanspruch der entstehenden und ih-rer eigenen Institutionalität gewahr werdenden Domkapitel und ihrer geltungsbewussten adeligen Insassen wider« (281). Adams »Bischofsideal ist die demütige Sorge um die ihm, dem Bischof, Anvertrauten« (281). Mit Blick auf das Ideal der apostolischen Le­bensweise betont er dabei die »Missionsaufgabe für Bischöfe und Klerus« (282).
Der Anspruch der hamburgisch-bremischen Obödienz auf den gesamten Norden verbindet sich bei Adam mit der Forderung nach konkreter Missionstätigkeit (vgl. 63.189). Seine interessengeleitete Darstellung vermag deshalb auch einfach die Missionsaktivitäten der Angelsachsen in Skandinavien zu übersehen. Dennoch verdient Buch IV der Gesta mit seinem Interesse an den fremden Welten des Nordens besondere Aufmerksamkeit. Auch wenn das nicht im Mittelpunkt von J.s Fragestellung liegt, wäre hier ein Blick auf die skandinavische Literatur hilfreich gewesen, etwa: Uppsalakulten och Adam av Bremen, hrsg. v. Anders Hultgård, Uppsala 1997: Henrik Janson, Templum Nobilissimum. Adam von Bremen, Uppsalatemplet och konfliktlinjerna i europa kring år 1075, Göteborg 1998, und Olav Tveito, Ad fines orbis terrae – like til jordens ender. En studie i primær trosformidling i nordisk kristningskontekst, Oslo 2005.
Der Verlag hat J.s Dissertation sorgfältig ediert, es finden sich kaum Druckfehler (41, Anm. 175: »paragmatische Paradigma«). Im Literarturverzeichnis (285–296) sind nur wenige Versehen zu re-gistrieren: 285: Institutiones Aquisgranense, Seitenzahl 312–421; 291: nach dem falsch eingeordneten Miccoli fehlt Georg Misch, Geschichte der Autobiographie; 293: zu Schneider fehlt die Jahreszahl 1999; 295: zu Tischler, Meinhart, der Reihentitel lautet Mittelalter-Studien. Ein Register der behandelten Bischöfe von Hamburg-Bremen schließt den Band ab (296 f.), der zum weiteren Verständnis der Kirchengeschichte von Adam von Bremen beiträgt.