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Ausgabe:

April/2018

Spalte:

363–364

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Abenstein, Christina

Titel/Untertitel:

Die Basilius-Übersetzung des Georg von Trapezunt in ihrem historischen Kontext.

Verlag:

Berlin u. a.: De Gruyter 2014. X, 338 S. = Beiträge zur Altertumskunde, 336. Geb. EUR 109,95. ISBN 978-3-11-037891-7.

Rezensent:

Klaus Herbers

Die vorzustellende Münchener Dissertation von Christina Abenstein führt ins Zentrum der Auseinandersetzungen der Unionsverhandlungen auf dem Konzil von Ferrara-Florenz, das 1449 endete.
Die angesichts des drohenden Untergangs Konstantinopels geführten Verhandlungen über eine Kirchenunion mit dem Osten mussten natürlich auch die Frage des umstrittenen Filioque erörtern. Schon Anfang 1440 hatte der Kardinal Bessarion den aus Kreta stammenden Georg von Trapezunt beauftragt, das dogmatische Werk des heiligen Basilius von Caesarea zu übersetzen, in dem besonders in einem Buch (Contra Eunomium) ein Passus zu dieser Frage enthalten war. Die Basilius-Übersetzung des Georg von Trapezunt wird in der vorliegenden Darstellung Thema einer philologisch-historischen und theologischen Untersuchung. Dabei will die Vfn. eine Herangehensweise »von innen und von außen« (3) versuchen. Ihre Überlegungen stehen im Zusammenhang mit der kritischen Edition, die in einem zweiten Band inzwischen erschienen ist.
Das Buch gliedert sich nach einer kurzen Einleitung in fünf Hauptkapitel und eine Zusammenfassung sowie ein Literaturverzeichnis samt Register. Die Kapitel eins und fünf behandeln im Wesentlichen Vorgeschichte und Nachwirkung der Übersetzung, während die Kapitel zwei, drei und vier zur Übersetzung selbst Stellung nehmen. Sie sind in manchen Teilen dann auch stärker philologisch orientiert. Zu den einzelnen Ergebnissen:
In Kapitel 1 werden Verfasser- und Datierungsfragen geklärt, denn diese sind keinesfalls für das Urwerk des Basilius bis ins Letzte geklärt. Die verschiedenen Entstehungsschichten stellt die Vfn. deutlich dar und hebt vor allen Dingen hervor, dass das umstrittene Filioque in Contra Eunomium 3,1 enthalten ist. Allerdings ist dieses Filioque relativ früh (vor den größeren Auseinandersetzungen) in einige Handschriften hineingeraten, die die Vfn. als »latinophrone Handschriften« bezeichnet. Auf dieser Manuskripttradition basiert auch die von Georg von Trapezunt gefertigte Übersetzung. Mit dieser philologisch sauberen Interpretation kann die Vfn. auch den bei Irena Backus noch dokumentierten Irrtum offenlegen, dass Georg von Trapezunt eine Übersetzung des Ambrogio Traversari verwendet habe.
Das 2. Kapitel skizziert die Voraussetzungen für den Auftrag des Kardinals Bessarion an Georg. Hier ging es zunächst einmal darum festzustellen, wann und in welcher Situation dieser Auftrag erteilt wurde. Allerdings sind in diesem Zusammenhang auch nach genauer Untersuchung weiterhin große Unsicherheiten gegeben. Weitere Überlegungen dieses zweiten Kapitels erzeugen Fragen, welche Vorlagen Georg für seine Übersetzung benutzt hat. Insgesamt führt dies zur Erstellung eines Stemmas der verschiedenen Handschriften, die Georg zu Gebote standen, insbesondere spielt die sogenannte »Erste Handschriftengruppe« für Georgs Übersetzung eine wichtige Rolle.
Das 3. Kapitel thematisiert die Übersetzung selbst und ist entsprechend auch stark philologisch ausgerichtet. Angesichts der verschiedenen Ansprüche an eine Übersetzung in der Mitte des 15. Jh.s kann die Vfn. zusammenfassend feststellen, dass trotz gewisser Versehen, Fehler und Unzulänglichkeiten der Sinn der Vorlage durch die Übersetzung im Wesentlichen getroffen wurde.
Das 4. Kapitel lenkt nun stärker auf eine zweite Schicht der Übersetzungstätigkeit Georgs. Dies führt zu einer Darstellung der unterschiedlichen Positionen Bessarions und Georgs in Bezug auf die philosophischen Größen Platon und Aristoteles. Hatte Bessarion sich stark zugunsten von Platon positioniert, so bevorzugte Georg deutlich Aristoteles. Und so lässt sich seit dem Anfang der 1450er Jahre eine Auseinanderentwicklung von Bessarion und Georg feststellen, die sich nun wieder auch in weiteren Exemplaren der Übersetzung nachweisen lässt, insbesondere verschiedenen Glossen. Die Widmungsexemplare dieser zweiten Übersetzungsfassungen sollten zwar neuen Widmungsempfängern gelten, dem Erzbischof von Gran (Esztergom) und dem Bischof von Fünfkirchen (Pécs). Diese vorgesehenen Empfänger der überarbeiteten Fassung agierten nicht von ungefähr im ungarischen Raum, den Georg offensichtlich als Bollwerk gegen die türkische Gefahr ansah.
Das 5. Kapitel stellt dann die Rezeption der Georgschen Übersetzung nach der ersten Druckfassung von 1520 in den Vordergrund.

Die historische Situierung des Übersetzungswerkes Georgs erscheint nach Lektüre der Arbeit in einem völlig neuen Licht. Besonders spannend sind die Ergebnisse des vierten Kapitels, die zeigen, wie lebendig Texte in einer kirchenpolitischen Auseinandersetzung sein und werden konnten. Die Vfn. kann deutlich ma­chen, wie Georg sogar in weiteren Schriften die philosophischen Positionen der Zeit thematisiert und die Entscheidung für oder gegen Platon gleichsam in ein apokalyptisches Szenario integriert (186–188).
Vor diesem Hintergrund lassen sich die Ergebnisse der Arbeit im Zusammenhang zur Kirchenunion auch in den Kontext der Türkenabwehr nach dem Konzil von Ferrara und insbesondere nach dem Fall von Konstantinopel 1453 einordnen. Es ist nicht das geringste Verdienst der Vfn., diese Zusammenhänge an einem höchst instruktiven Beispiel deutlich gemacht zu haben.