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Ausgabe:

Dezember/1999

Spalte:

1303–1305

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Titel/Untertitel:

Marian Studies. Vol. XLVIII: 1997. The Virgin Mary, Mother of God, Icon of the Church, Intercessor: Ecumenical Perspectives.

Verlag:

Dayton: The Marian Library 1998. 190 S. gr.8.

Rezensent:

Horst J. E. Beintker

Das neue Jahrbuch der amerikanischen Gesellschaft für Mariologie setzt präzis die angekündete Linie fort, auch in der Ausgestaltung und Absicht, wie früher (vgl. ThLZ 123, 1998, 805 f.) dargelegt, außer 20 S. Umfangszuwachs, grünem Cover und Illustration Maria mit Kind by Bro. Der Inhalt ist wie immer, einschließlich Finanzen, Mitglieder, Nekrolog.

Sachlich entfalten die mit Noten versehenen Referate das Tagungsthema, zwar nicht wie 1996 als "Dialog" angekündet, aber die mariologischen Hauptthemen als "ökumenische Perspektiven". Und hier sind die Probleme, die der Gesellschaftssekretär mit dem schönen dänischen Namen Thompson im "Editors Preface" auch nicht unterdrückt: "The Virgin Mary has not been the focus of international or national ecumenical dialogues" (6). Wenigstens die protestantische und katholische Bibelauslegung "have produced some initial agreement on the image and role of the Virgin Mary". Er verweist auf den empfohlenen Rückgriff auf "das Zeugnis (witness) der frühen Kirche" und die Wiederentdeckung alter liturgischer Gebete, wie es auch der reformierte Beiträger Mackenzie versucht! Doch nun die kurze Charakteristik der fünf Referate:

John Radano: "Toward the great Jubilee 2000: Mary and the Search for Christian Unity", expliziert päpstliche Rundschreiben zum Thema, speziell Tertio Millenio Adveniente (1994), Ut Unum Sint (1995), geht dann ein auf Positionen der orthodoxen Kirchen, sowohl im erneuerten Verhältnis zur östlichen Orthodoxie wie ebenso kenntnisreich mit guten Zitaten und Belegen zu christologischen "agreements" anderer orthodoxer Kirchen (koptische, syrische, armenische, assyrianische und ostkatholische Kirchen). Zusammenfassend meint Radano, daß in allen Vorbereitungen des großen Jubiläums, "Mary is present as the Catholic Church honors the Redeemer while praising the Trinity. In recent ecumenical developments, Faith and Order has shown again that Christians, despite serious differences about Mary, can speak of her together as the Mother of God, the disciple par excellence, to whom all pilgrims in faith can look as a model as they seek to enter more deeply into the life of Christ." (49) - Maria als Gottesmutter, Bild der Kirche, geistliche Mutter, "who intercedes for Christ’s disciples and for all humanity", entspricht der Vorgabe von Nr. 79 in That All May Be One (1995).

Das 2. Referat von Ross Mackenzie: Mary, Intercessor on our Behalf, one with us in the Communion of Saints, and Witness to what we may become in Christ, hebt ab auf das Zeugnis über Maria in der Frühzeit und Spätzeit der Kirche. Zwar war er im reformatorisch-schottischen Traditionsdenken anti-marianisch geprägt, aber dann kamen die Hinweise im sonntäglichen Gottesdienst: "with all the company of heaven" empfängt man das Abendmahl und hatte man jahrhundertelang zur Gottesmutter gebetet (52). Maria war mit in der Gemeinschaft der Heiligen und Fürsprecherin für uns beim Sohn (vgl. Hochzeit zu Kana Joh 2), so daß ihn Jacob Lipschitz, ein verfolgter orthodoxer Jude, und Blanca Martinez, die sich beide heute zu Maria als "descent of the Spirit" (55), bekennen, beispielhaft mit anderen überzeugen: "According to ancient tradition, Mary is ’the new Eve’. She is the new life, ’the true mother of the true life’ to use the words of St. Germanus." (59)

Im 3. Referat von George H. Tarvard: The Virgin Mary and the Baroque Image (60-86), wird dem aktuellen Bezeugen wieder eine historische Dokumentation angeschlossen, die der Autor auf ’Tournély’ Praelectiones, Collet’s Institutiones und Thiébaut’s Explication littérale stützt.

Das 4. Referat von Donald Boccardi: An ecumenical Portrait of Mary at End-of-the Century America (87-109), bietet ein Marienbild nach statistischen Umfragen in bezug auf die Jahrtausendwende. Methodisch sind 35 Fragen gestellt, die das Spektrum marianischer Vorstellungen betreffen; die Fragen werden angeführt, auch die Adressaten, und kurze Einschätzungen mit differenzierten Beispielen gegeben. Man muß es lesen, jedenfalls wünschen 90 Prozent, daß die ökumenische Bewegung erfolgreich und daß Marias Glaube ein "model for all believers" (106) sein soll.

Als 5. Referat steht die Wiedergabe eines Runder-Tisch-Gesprächs (110-137) zum Tagungsthema von Larry Behune eingeleitet als Baptist, von Mark E. Chapman als lutherischer Dozent an der Catholic University of Amerika fortgesetzt und vom katholischen Frederick M. Jelly beschlossen. Alle drei versuchen konfessionsgeprägt auf die Enzyklika "Ut unum sint. Pt. 3" als ökumenische Perspektive zu antworten. Dieser Versuch ist gelungen, sofern z. B. Wichtiges klar steht: "Baptists trust the Bible as the sole authority for faith and practice ... (111); perhaps Baptists can agree that Mary is theotokos, but with a careful definition of what that term means" (116). Die 2. Antwort betont Luthers Marienbild nach seiner Magnificat-Auslegung (1521) und stellt es auch als Bild für die Kirche dar. Ebenso wie im baptistischen Zeugnis ist Maria Sünderin wie alle Menschen "and needed herself the salvation Jesus would provide" (115). "The strictly christological centering of Lutheran doctrine would not allow for an independent dogmatic place for Mariology, but, precisely because of its christocentrism, Lutheran theology is open to a high degree of Marian devotion, piety and spirituality in the three topics of our concern" (119 f.). Das wird gründlicher ausgeführt mit Nachweisen aus Luthers Schriften. Die römisch-katholische Antwort nennt als Kontext die Gemeinschaft der Heiligen nach Lumen Gentium, Maria habe darin die Rolle des Advokats (132). Der neuralgische Punkt sei aber "the Lutheran concern by Faith through the grace of Christ alone" (134). Eine Liste von 19 Konvergenzen (und wenigen Divergenzen) am Schluß macht die Sache zu oberflächlich ab. Richtig ist, daß "our continuing dialog on the Virgin Mary cannot be superficial, but must be a dialogue about the very Word of the gospel itself" (128). Doch wir müssen mit Paulus Gal 4,8 f., nachdem wir von Gott in Jesus Christus - und nicht durch Marias Liebe! - erkannt sind als seine Kinder im Glauben, festhalten am Wesentlichen: iustificatus sola fide, und das nicht aus Marias Fürbitte für uns.

Das am 79 in Ut unum sint anknüpfende Jahresthema betrifft kirchliche Identität, kann aber nicht für alle Kirchen so behandelt werden, daß laut Ökumene-Lexikon (Sp. 785) die Mariologie "is, now as before, the crossroads (Schnittpunkt) where the ecclesiological, Christological, and anthropological problem lines converge" (8), oder wie Thompson zuvor in der Einleitung mit einem Zitat of the Groupe des Dombes meint, Maria sei der Kristallisationspunkt "for all the underlying ecclesiastical positions related to soteriology, anthropology, ecclesiology, and interpretation of Scripture". Dann würden im Dialog die geöffneten Arme Gottes in Christus zum Umweg über mariologische Kirchenauffassungen, zum theologischen Diskurs über Lehrschnittpunkte verändert werden. Hier sind einseitige mariologische Lehrmotivationen zu beherrschend gegenüber einer wirklichen, im zentralen Christuszeugnis verbundenen Kirchen- und Glaubensgemeinschaft.