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Ausgabe:

April/2018

Spalte:

318–323

Kategorie:

Altertumswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Kletter, Raz, Ziffer, Irit, and Wolfgang Zwickel[Eds.]

Titel/Untertitel:

Yavneh II.The ›Temple Hill‹ Repository Pit. Fire Pans, Kernos, Naos, Paint­ed Stands, ›Plain‹ Pottery, Cypriot Pottery, Inscribed Bowl, Dog Bones, Stone Fragments, and Other Studies.

Verlag:

Fribourg: Academic Press Fribourg; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2015. XIII, 288 S. m. Abb. u. Tfn. = Orbis Biblicus et Orientalis. Series Ar-chaeo­logica, 36. Geb. EUR 150,00. ISBN 978-3-7278-1775-5 (Aca-demic Press); 978-3-525-54400-6 (V & R).

Rezensent:

Rüdiger Schmitt

Neben dem angegebenen Titel in dieser Rezension besprochen:

Kletter, Raz, Ziffer, Irit, and Wolfgang Zwickel [Eds.]: Yavneh I.The Excavation of theTemple Hill‹ Repository Pit and the Cult Stands. Fribourg: Academic Press Fribourg; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2010. XII, 297 S. m. zahlr. Abb. u. 175 Tfn. = Orbis Biblicus et Orientalis. Series Archaeologica, 30. Geb. EUR 140,00. ISBN 978-3-7278-1667-3 (Academic Press); 978-3-525-54361-0 (V & R).


Mit dem Erscheinen des zweiten Bandes 2015 liegt nun die ausführliche und vollständige Publikation der sensationellen Funde von 119 sogenannten Kultständern und hunderten anderen Ritualobjekten wie Kelchen, Kernoi und Feuerschaufeln aus einer kultischen Abfallgrube (Favissa) in Yavneh, etwa 25 km südlich von Tel Aviv und 8 km von der Küste entfernt, vor. – Ein Teil der Funde konnte bereits 2007 in einer Ausstellung des Eretz-Israel-Museums präsentiert werden, zu der Raz Kletter und Irit Ziffer einen zweisprachigen [hebräisch/englischen] Ausstellungsband vorgelegt haben [In the Field of the Philistines: Cultic Furnishings from the Favissa of a Yavneh Temple, Tel Aviv 2007]. – Die Autoren haben damit ein monumentales Werk und ohne Zweifel eine der wich-tigs­ten Publikationen zur Archäologie Palästinas im letzten Jahrzehnt vorgelegt, zu der man die Herausgeber und Autoren nur be­glückwünschen kann.
Die Bände enthalten eine Fülle von Beiträgen, die die Funde aus archäologischen, ikonographischen, religionsgeschichtlichen und naturwissenschaftlichen Perspektiven analysieren. Yavneh I wird eingeleitet mit einem von den Herausgebern gemeinsam verantworteten Überblick über die Geschichte und Archäologie Yavnehs (1–13), gefolgt von einer Darstellung der Fundsituation und der Grabung selbst durch Raz Kletter (14–24). Diese Darstellung wird in Band II noch ergänzt durch den Abdruck des Grabungstagebuchs (II: 261–273). Bei Parkarbeiten auf einem Hügel (dem dann so genannten ›Temple Hill‹) in Yavneh im Jahr 2000 wurde durch Baumaschinen ein großes Keramikdepositum angegraben, das bei einer ersten Inspektion 2001 durch den Autor als Favissa, ein kul-tisches Depositum, identifiziert wurde. Die israelische Antikenbehörde beschloss daraufhin, eine Rettungsgrabung durchzuführen, die unter der Leitung des Autors im Oktober und November 2002 durchgeführt wurde. Die Favissa selbst hatte einen Durchmesser von ca. 2,1 m und eine Tiefe von ca. 1,5 m. Insgesamt konnten die Ausgräber vier Schichten unterscheiden: Schicht I, die unterste Schicht, enthielt zahlreiche Kultständer sowie Fragmente von Kelchen ( chalices) und Schalen (bowls). Schicht II, über einer dichten Lage aus Asche, enthielt Tausende von Schalen bzw. Fragmenten, Kultständerfragmente und einige Kelche. Über einer weiteren Ascheschicht enthielt Schicht III zahlreiche nahezu komplette Kultständer und eine große Anzahl von Kelchen. Schicht IV bildet die vom Bulldozer angegrabene und weiter von Raubgräbern ge­störte Deckschicht mit vermischtem Material, die allerdings nicht mehr zum Depositum selbst gehört. Eine Analyse der Bruch- und Verteilungsmuster der Objekte durch Raz Kletter (46–60), ergab, dass die Kultständer in Schicht I wohl als komplette Objekte in die Grube geworfen wurden und dabei am Boden oder am Rand der Grube aufgeschlagen und zerbrochen sind. In Schicht II wurden zusätzlich tausende von Schalen in die Grube geworfen, deren Inhalt aufgrund der Brandspuren auf den Schalen selbst wohl die dort akkumulierte Asche war. Die Schalen scheinen aufgrund ihrer leichten Machart zerbrochen zu sein. In Schicht III wurden keine Schalen mehr deponiert, sondern – neben den Kultständern, die sich hier aufgrund der geringen Fallhöhe und weil sie an den äußeren Rand abrollten, am besten erhielten – Kelche, die aber sehr wahrscheinlich absichtlich zerbrochen worden sind, um sie dem weiteren Gebrauch zu entziehen. Die Frage nach der Produktionsstätte der Votivobjekte und der übrigen Keramik ist Gegenstand der petrographischen Analyse durch David Ben-Shlomo und Amir Gorzalczany (148–159). Der größte Teil des Materials, insbesondere die Votivobjekte sind zu 90 % aus lokaler Hamra-Erde gefertigt, einige weitere wurden nur wenig südlich von Yavneh hergestellt und nur wenige Objekte (ein bis zwei der Ständer und der Naos Cat 47) sind Importe. Auch die Feuerschaufeln, Kelche und Schalen entstammen zumeist der lokalen Produktion, während die Kännchen aus einem nicht lokalen Rohstoff gefertigt wurden.
Den Kern des Bandes bildet die ausführliche Katalogisierung und Beschreibung der Kultständer und Kultständerfragmente mit hervorragenden Farb- und Schwarzweiß-Aufnahmen der Objekte im Ganzen und im Detail (R. Kletter und I. Ziffer: Catalogue 1 und 2, 211–268 und Pl. 50–160), ein Katalog der Ton- und Steinaltäre (Wolfgang Zwickel: Clay and Stone Altars and a Piece of a Mortar, 105–109, mit Pl. 162–164), einer zusammenfassenden Untersuchung zur Keramik (Schalen, Kelche, Kännchen) durch Nava Panitz-Cohen (110–145) und einem archäozoologischen Beitrag zu einem wohl ebenfalls als Votiv genutzten Schneckenhaus einer Helmschnecke (Henk K. Minies, A Vassid Lip, 146–147). Das von Panitz-Cohen untersuchte Keramikensemble legt eine Datierung in die Zeit des Übergangs von der Eisenzeit II A zur Eisenzeit II B (zweite Hälfte des 9. Jh.s bis frühes 8. Jh. v. Chr.) nahe. An der hervorragenden und beispielhaften Dokumentation ist nur zu bemängeln, dass auf Umzeichnungen der keramischen Votivobjekte verzichtet worden ist. An die Funddokumentation schließen sich weitere Beiträge zu den Kultständern und verwandten Objekten an: Raz Kletter analysiert ausführlich die Typologie der Kultständer (The Typology of the Cult Stands, 25–45), wobei insgesamt drei Grundtypen nach ihrer Form unterschieden werden können: 1. Rechteckige (rectangular) Ständer (mit 77 Exemplaren = 67,5 % die größte Gruppe), 2. Ständer mit ovaler (elliptical) Grundfläche mit 25 Exemplaren = 22 %) und 3. Ständer mit rechteckig-ovaler Grundfläche (ellipto-rectangular stands), wobei zumeist die Frontseite plan ausgeführt ist mit 12 Exemplaren =10,5 %.
Weitere Unterscheidungsmöglichkeiten sind die Form des Daches, die Form der Durchbrechungen im Dach (entweder als Ausschnitt oder mit Streben ausgeführt) und die Anzahl der Ausschnitte an den Frontseiten). Dekorative Elemente bestehen (neben dem figurativen Schmuck, s. u. den Beitrag von Ziffer zur Ikonographie) aus aus dem Ton herausgearbeiteten oder applizierten Knöpfen und eingeschnittenem Seilmuster. Die Ständer zeigten teilweise Reste von Bemalung Rot und Schwarz (zumeist an der Frontseite), was darauf hindeutet, dass wohl alle Exemplare bemalt waren. Die Kultständer weisen zwar Konstruktionsmerkmale von Häusern und Architekturelemente wie Säulen auf, sind aber keine Repräsentationen von solchen und können daher nicht als Architekturmodelle bezeichnet werden. Die Funktion der Ständer wird von Kletter in einem gesonderten Beitrag diskutiert (The Function of Cult Stands, 174–191). Kletter macht hierbei deutlich, dass es sich bei den Objekten nicht um Kultständer im eigentlichen Sinne handelt, da die Objekte aufgrund ihres Designs weder als Räuchergerät noch als Ständer für Opfer, Blumen etc. taugen, sondern um Votivobjekte ohne erkennbaren profanen »Gebrauchswert«. Das figurative Dekor mit weiblichen Figuren mit Tier- (Löwen- und Stier-)Protomen und Köpfen deutet auf eine Göttin hin. Kletter begreift diese Votivobjekte jedoch nicht als Votive an eine Göttin, sondern als Modelle einer göttlichen Weltordnung, mit der Darstellung der Gemahlinnen einer höheren männlichen Gottheit (deren Repräsentation selbst vermieden wird), Symbolen der Stärke (Löwe, Stier, Sphingen) und des Festes (Musikerfigurinen), die geschlechtsunspezifisch von männlichen und weiblichen Dedikanten für die Gottheit und ihre Frauen gestiftet worden sein dürften. Den symbolischen Ausdruck der Objekte fasst Kletter mit dem Bonmot »God in His heavens – all’s right with the world« (188) zusammen. Unbeantwortet bleibt freilich die Frage nach der Bedeutung der Figurenappliken, die keine eindeutigen weiblichen Geschlechtsmerkmale aufweisen: Pl. 131.3, Cat 96 und Pl. 130, Cat 95 zeigen eindeutig eine männliche Figur mit erigiertem Glied; bei weiteren Appliken ist das Geschlecht fraglich und ein Glied könnte abgebrochen sein. Damit thematisieren die Votivobjekte weibliche und männliche Sexualität und gleichzeitig wirft dies die Frage auf, ob es sich tatsächlich um Götterdarstellungen handelt, da männliche Götter in Vorderasien (im Gegensatz zu Ägypten) nie in einer solchen Pose gezeigt werden.
Eine ausführliche ikonographische Analyse der Ständer bietet Irit Ziffer (The Iconography of the Cult stands [61–104], mit einem Supplement, 194–199), wobei sie die Objekte (primär) aufgrund der plas­tischen Applikationen unterteilt in 1. Lion cult stands, 2. Bull cult stands, 3. Sphinx cult stands, 4. winged disk cult stands, 5. Cult stands with date palm in various configurations, 6. Columned cult stands, 7. Musicians cult stand, 8. Pairs/women in a window, 9. Star/rosette cult stand, 10. Cult Stand with ›narrative‹ motifs (Lö­we jagt Capriden, Säugende Kuh), 11. Riders cult stand. Ohne auf die Details der Untersuchung hier eingehen zu können, macht Ziffer für die unterschiedlichen ikonographischen Elemente die Dominanz weiblich konnotierter Fruchtbarkeitssymbolik geltend und geht (anders als Kletter) davon aus, dass die Ikonographie mit der im Tempel verehrten Gottheit in Beziehung steht. Ziffer argumentiert daher in Richtung einer Gottheit des Asherah- oder Kubaba-Typs (90).
Auch Ziffer geht hier leider nicht auf die Ikonographie der eindeutig männlichen Figuren ein – man hat etwas den Eindruck, als würde dies das Deutungssystem stören. Eine mögliche Identifizierung mit der in Ekron belegten Göttin Ptgyh versieht sie allerdings mit einem Fragezeichen. Technisch (open work) und ikonographisch verweisen die Objekte und ihre Figurenappliken auf ältere ägäische Traditionen, insbesondere auf einen Link zu Zypern, bilden aber (wie auch die übrigen figurativen Keramikobjekte aus Philistäa) einen eigentümlichen, lokalen Stil. Diese Stilmerkmale sind nach Ziffer sowohl Ausdruck einer Verbindung mit der ägäischen Vergangenheit als auch andauernder kultureller Beziehungen zu Zypern (93). Dies hat der Rezensent bereits in seiner Dissertation »Philistäische Terrakottafigurinen« (Groningen 1994) feststellen können. Die Frage nach der Funktion der Ritualobjekte wird weiter ergänzt durch eine chemische Analyse der Residuen in 17 Kelchen ( chalices) und zwei Schalen (bowls) von Dvory Namdar, Ronny Neumann und Steve Weiner (167–173), deren Ergebnisse hier nur kurz zusammengefasst werden können: Die Kelche enthielten Brand- und Residuenrückstände, die darauf hindeuten, dass my-risticinhaltige pflanzliche Komponenten, evtl. des Jasmins (jasminum grandiflorum) oder des Muskats (Myristica fragrans), mit leicht halluzinogener Wirkung und eine weitere Komponente in einem öligen Bett oder Talg verbrannt, zur Duftgewinnung bzw. Bewusstseinsveränderung benutzt worden sind. Damit ist der Nachweis gelungen, dass – wie vorher nur vermutet – chalices nicht nur als Trinkgefäße, sondern auch als Räuchergeräte anzusprechen sind. Eine Zusammenfassung der Ergebnisse, der offenen Fragen und einige allgemeine Bemerkungen zur Votivpraxis (Raz Kletter, Conclusions: Yavneh, Incense, Votive Objects and Philistine Ethnicity, 224–260) runden den Band ab. Kletter verortet den Votivbrauch im Kontext einer familiären und individuellen Praxis, bei der Votivobjekte in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen an den Tempel gegeben wurden. Der Inhalt der Favissa deutet hierbei auf eine Nutzung von ca. 10–12 Jahren. Ausführliche Indizes (274–288) machen das Werk leicht erschließbar.
Der Band Yavneh II ergänzt und vertieft die im ersten Band publizierten Befunde durch eine Fülle von Einzelbeiträgen: Hervorzuheben sind hier insbesondere die Überblicksbeiträge zu Kultständern im Allgemeinen (Wolfgang Zwickel, The World of Cult Stands, 178–193) und zu den Favissae im Palästina der Spätbronze- bis Perserzeit (Nicole Strassburger, Favissae in Israel/Palestine, 200–213), die die Funde von Yavneh noch einmal im Kontext der Objektgruppen und nach der Art der Deponierung verorten. Der Beitrag von Raz Kletter und Irit Ziffer, The Yavneh Fire Pans and the Biblical maḥtāh (1–21), untersucht die in Palästina sonst nicht vertretene Objektgattung der Feuerschaufeln, die mit 60 Exemplaren in der Favissa von Yavneh vertreten sind (aufgrund der Funde aus Yavneh konnte jedoch für Fragmente aus Ashdod und Tel Hamid eine Identifikation als Feuerschaufeln wahrscheinlich gemacht werden). Die Grundform der Feuerschaufeln entspricht einer handelsüblichen Lampe mit einem schlaufenartigen Henkel an der Schnauze, und der Typ ist deutlich von Lampen abgeleitet. Im Unterschied zu den Lampen sind einige der Objekte am Boden perforiert. Einige Objekte zeigen auch Brandspuren. Nahe typologische Parallelen aus Pa-lästina sind aus ‛En Ḥaṣeva bekannt, jedoch handelt es sich hier um Schalen (bowls) mit Henkeln. Feuerschaufeln aus Metall sind für das 3. Jt. aus Anatolien und für das 2. Jt. aus Syrien belegt. Die nächs­ten Parallelen für den in Yavneh vertretenen Typ stammen jedoch aus der Ägäis (2. und 1. Jt. v. Chr.), zumeist aus dem Kontext von Heiligtümern. Kletter und Zwickel konnten wahrscheinlich ma­chen, dass es sich bei dem im Alten Testament erwähnten Gerät maḥtāh (in der späteren jüdischen Ikonographie zumeist eine langstielige Schaufel aus Metall) um Feuerschaufeln handelt. Die Feuerschaufeln dürften dazu benutzt worden sein, glühendes Material vom Altar zu schaufeln, um darauf Weihrauch und ähnliche Stoffe zu verbrennen. Experimente mit Kopien (Kletter, Experiment with Replicas of Fire Pans, 22–23) zeigen, dass diese tatsächlich als Räuchergerät verwendet werden können.
In der Yavneh-Favissa wurde ein Exemplar eines Ringkernos gefunden (Kletter, A Kernos, 24–27), eine Gattung von Libationsgefäßen bzw. »trick vessels« für Trankspenden, die ursprünglich in Zypern beheimatet war und wohl von den Philistern in Palästina eingeführt worden ist. Dass nur ein Exemplar in Yavneh gefunden worden ist, deutet Kletter dahingegen, dass Libationsopfer bei den Kulthandlungen in Yavneh nur eine geringe Rolle spielten. Eine ausführliche Diskussion des Terrakottaschreins CS 47 im Vergleich zu anderen Typen dieser Gattung, ihren Gestaltungselementen und ihrer Bedeutung bietet Kletter in seinem Beitrag »A Clay Shrine Model« (28–84). In Abgrenzung zu Garfinkels Deutung der Miniatur- bzw. Modellschreine aus Khirbet Qeiyafa als eine »Lade« analog zur Bundeslade im Jerusalemer Tempel stellt Kletter fest, dass die Schreinmodelle einen »idealen« Tempel repräsentieren, wobei monumentale Tempel als Vorbild dienten, aber eben keine Tempelmodelle im engeren Sinne sind. Schreinmodelle enthielten nach Kletter wahrscheinlich Götterbilder aus Metall und dienten der Realisierung der Präsenz der Gottheit auch außerhalb des Tempels selbst. Ausführlich geht Kletter ebenfalls auf das architektonische Element der Volutenkapitele ein und weist die These von Oded Lipschits zurück, dass die Assyrer dieses Motiv aus Palästina adaptiert hätten. In den beiden Beiträgen »Zoomorphic Vessels« (85–88) und »Round Painted Pottery Stands« (89–96) präsentiert Kletter die entsprechenden Funde aus Yavneh, die auch sonst in zeitgenössischen kultischen Kontexten gut belegt sind. Interessant ist Kletters Feststellung, dass die in Yavneh gefundenen bowls exakt auf die Ständer passen und es sich daher auch bei dieser Objektgruppe um Räuchergeräte handelt. Der Beitrag von Nava Panitz-Cohen, »The ›Plain‹ Pottery – Typological and Technological Aspects« (97–137), bestätigt noch einmal die bereits im ersten Band vertretene Datierung der Keramik in die Zeit des Übergangs von der EZ II A zur EZ II B und, dass diese als typisch für die südliche Küstenebene dieser Periode gelten kann und sich von zeitgenössischen judäischen Ensembles unterscheidet. Panitz-Cohen bestätigt im Hinblick auf den Gebrauch der Keramik deren Gebrauch als Räuchergerät, 13,5 % aller chalices und 35,8 % der bowls wiesen Brandspuren auf. Neben weiteren kleinen Beiträgen zu Einzelthemen von David Ben-Shlomo (Additional Petrographic Samples, 138), Joanna S. Smith (Cypriot Pottery, 139–143), Liora Kolska Horwitz (Dog Remains, 145–149), Liora Kolska Horwitz (Animal Representation in the Yavneh Cult Stands, 150–157), Reinhard G. Lehmann unter Mitarbeit von Kristiane Novotny, (A Dedicatory In-scription – eine Weihinschrift auf dem Rand einer Schale mit der Lesung l‛zz, 158–163), Wolfgang Zwickel (The Stone Objects, 164–177) und einigen ergänzenden Bemerkungen zu den Kultständern von Irit Ziffer (Supplementary Notes on the Cult Stands, 194–199) ist hier noch der Beitrag »Cult and Trade in Yavneh through the Study of Organic Residues« von Dvory Namdar, Alon Amrani und Raz Kletter (214–223) hervorzuheben: Sieben der (importierten) Kännchen (juglets) wurden auf Rückstände untersucht, wobei sich Spuren von Scopolin, eine Art von Cumarin mit halluzinogener und narkotischer Wirkung, fanden, wie sie in Bilsenkraut und Alraune (Mandragora) vorkommen. Die hier präsentierten Ergebnisse sind die ersten Nachweise für die Antike überhaupt. Darüber hinaus wurden die Residuen von elf weiteren Kelchen (chalices) un­tersucht, die die Ergebnisse der ersten Untersuchung bestätigen, wonach myris­ticinhaltige Pflanzen wie Muskat verbrannt worden sind. Da sowohl Scopolin wie Myristicin bewusstseinsverändernde Zustände hervorrufen, vermuten die Autoren, dass diese zu mantischen Zwecken benutzt worden sein könnten. Im abschließenden Kapitel von Raz Kletter, »Conclusions: Yavneh, Incense, Votive Objects and Philistine Ethnicity« (224–260), bietet der Verfasser eine Synthese und problematisiert noch einmal die Frage nach der Ethnizität und stellt (gegen Faust, Lev-Tov und Maeir) klar, dass der Gebrauch des Gentiziliums »Philister« bzw. »philistäisch« in dieser Studie nicht als ethnischer Terminus zu verstehen ist, sondern die spezifische materielle Kultur der Küstenebene und ihrer (wie auch immer zusammengesetzten) Bewohner bezeichnet. Der Band wird beschlossen durch den Abdruck des bereits erwähnten Grabungstagebuches und ausführliche Indizes (274–288).
Der Fund einer derartig reichhaltigen Favissa ist für sich genommen schon eine kleine archäologische Sensation und seine Aufarbeitung ist trotz der Umstände der Hebung durch eine Rettungsgrabung in jeder Hinsicht beispielhaft und hat Maßstäbe gesetzt. Die beiden Yavneh-Bände liefern eine dichte Analyse und wichtige Einzelbeiträge zur Archäologie, Kultur- und Religionsgeschichte der Philister, die weit über eine reine Präsentation der Funde hinausgehen, sowie naturwissenschaftliche Untersuchungen mit be­deutsamen und teils überraschenden Ergebnissen. Hervorzuheben sind insbesondere die Beiträge nahezu monographischen Umfangs zur Typologie und Ikonographie der Kultständer von Kletter und Ziffer, die viele Aspekte der Kultur der Philister beleuchten und zu einem vertieften Verständnis der materiellen Kultur der Küstenebene beitragen.
Den Autoren ist es mit ihren umfassenden Analysen der Funde aus der Yavneh-Favissa gelungen, Elemente der rituellen Praxis an einem Heiligtum zu rekonstruieren und neue Erkenntnisse über die tatsächliche Funktion von Objektgruppen wie Schalen, fenes­trierter Ständer, Kelchen und Feuerschaufeln und natürlich der großen Fundgruppe der eigentümlichen Votivobjekte zu gewinnen. Jede weitere Arbeit über die materielle Kultur und Religionsgeschichte der Küstenebene wird diese wichtige und sorgfältig gestaltete Publikation zu berücksichtigen haben.