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Ausgabe:

April/2018

Spalte:

315–316

Kategorie:

Altertumswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Bickel, Susanne, and Lucía Díaz-Iglesias [Eds.]

Titel/Untertitel:

Studies in Ancient Egyptian Funerary Literature.

Verlag:

Leuven u. a.: Peeters Publishers 2017. XXI, 673 S. = Orientalia Lovaniensia Analecta, 257. Kart. EUR 105,00. ISBN 978-90-429-3462-7.

Rezensent:

Stefan Bojowald

Die Publikation geht auf die 2010 an der Universität Basel abgehaltene Konferenz »Ancient Egyptian Funerary Literature. Tackling the Complexity of Texts« zurück. Der Band hat folgenden Inhalt:
F. Albert macht P. Christie’s zugänglich, der in die Ptolemäerzeit datiert (1). Die ersten 19 Zeilen gehören zu TB 89, während der Rest unedierte Kompositionen enthält. Das Dokument wird zu P. London BM EA 73670, P. Vatican 38596, P. Berlin P. 3122 und P. Paris Louvre N 3108 gestellt, die gleiches Alter, Format und Textanordnung zeigen.
J. P. Allen gibt eine wohlwollende Bewertung der literarischen Qualität der Pyramidentexte ab. Das metrische Verständnis von Fecht und Foster mit nur zwei Kola ist wohl zu eng gefasst (35). B. Arquier schreibt über den Doppelsarg des Mesehti aus Assiut, dessen Innenteil als S1C (Cairo CG 28118) und Außenteil als S2C (Cairo CG 28119) läuft. Der Deckel von S1C ist mit Sternenuhr und zwei Registern Sargtexte dekoriert (44). Die Inschriften von S2C spiegeln den Einfluss der Pyramiden- und Sargtexte wider (44).
B. Backes tastet sich anhand von PT 313–321 zum Verhältnis zwischen Inhalt, Anbringungsort und Lesefolge funerärer Texte vor. Das sequentielle und wechselnde Anordnungsmuster auf Grab- oder Sarkophagwänden wird als möglich erachtet (84).
S. Bickel wendet sich nichtköniglichen funerären Konzepten aus dem Alten Reich zu. Die Existenz der Pyramidentexte vor der textlichen Fixierung kann als wahrscheinlich gelten (123). Die mündliche Überlieferung des Opferrituals wird zur Debatte gestellt (124). Die Bezugnahme des Opferrituals auf Bestattungsriten und Totenkult wird für denkbar gehalten (124). Das Schiff hat bei der Jenseitshoffnung des Verstorbenen auf Teilnahme am Sonnenlauf eine wichtige Rolle gespielt (129–130).
M. Bommas veröffentlicht Coffin board Birmingham S1Bir aus Assiut (149). Das Vorderteil A ist mit Opferformel, CT 30 und Opfergabenliste beschriftet (150). Die Opferformel lehnt sich eng an den Standard der 12. Dynastie an (152). Das »Sehen der jungen Falken« wird mit der Verjüngung des Verstorbenen in Zusammenhang gebracht (160–162). Der Ausdruck »r3-qrr.t« »Eingang der Höhle« für Grabschächte ist nur in Assiut belegt (168). Das Vorkommen von CT 30/31/32/609 stellt ein typisches Kennzeichen für Särge aus Assiut dar (172). Die engste Parallele besteht in S1NY aus dem Museum Brooklyn, der aus dem gleichen Atelier stammen könnte (175).
J.-M. Dahms beschäftigt sich mit Pyramiden-/Sargtexten auf dem Sarg des Karenen (Sq6C) und im Grab von Chesu dem Älteren (KH1KH). In den Texten des Sarges tritt der Verstorbene als Profiteur von Götterhandlungen und Akteur für den verstorbenen Vatergott auf, wobei er im ersten Fall als Osiris/Vater und im zweiten Fall als Horus/Sohn agiert (182). In der Textauswahl wird zwischen »sacerdotal texts« und »personal texts« differenziert (183). Das Grab KH1KH greift auf Abschnitte bekannter Pyramiden- und Sargtexte zurück (195).
L. Díaz-Iglesias liefert Gedanken zur lokalen Adaption von mythologischen Formen. Die wachsende Rolle des Gaues von Herakleopolis ab der Erster Zwischenzeit wird auf regionale Eigenständigkeitstendenzen und die dortige Heimat der 9.–10. Dynastie zurückgeführt (226). Die Seen von Herakleopolis werden als Abbild des Nun mit Verjüngung in Verbindung gebracht (229). Die Bedeutung von Herakleopolis als mythischer Krönungsort des Osiris wird betont (231). In Erster Zwischenzeit und Mittlerem Reich tauchen Berichte über ein Osirisgrab in Herakleopolis auf (236). Die Rolle der Residenz bei der Ausbildung lokaler Traditionen wird als hoch eingestuft (238–239).
S. Einaudi thematisiert drei Totenbuchvignetten im Grab des Padiamenope (TT 33). Die ersten beiden Vignetten finden sich auf der Westseite des Südostpfeilers der ersten Pfeilerhalle und könnten mit Baumgöttin und Verstorbenem zu TB 62/63 gehören (248–251). Die dritte Vignette steht auf der Ostseite des Nordostpfeilers der zweiten Pfeilerhalle und zeigt den Verstorbenen mit einem über ihm schwebenden Ba-Vogel (256–257).
L. Gestermann weist auf Aspekte zur Textkritik hin. Die Herstellung von Mischtexten aus mehreren Lesarten wird zu Recht kritisch beurteilt (275). Die orthographischen Unterschiede bei Bezeugungen ein und derselben Pyramiden- und Sargtextsprüche werden angesprochen (278). Die »offene« Überlieferung geht mit dem Auftreten gleichzeitiger Textvarianten oder früherer Texte in späteren Kompositionen einher (285–286).
R. B. Hussein klärt über die Übertragung religiöser Texte im Licht der »New Philology« auf. Die Schreibungen von PT 267 des Mittleren Reiches stellen ein häufiges Übergangsstadium zwischen den Schreibungen des Alten Reiches und der Spätzeit dar (315). Die Spätzeitorthographien lehnen sich stärker an die Beispiele des Mittleren Reiches an (315).
G. Lapp betrachtet die Vignette zu TB 15 aus Papyrus London BM EA 10466-67, welche die Sonnenscheibe zwischen den Armen der Weststandarte zeigt. Der Begleittext spielt u. a. auf Jenseitsgericht und Seen in Herakleopolis als Stätten der Reinigung und Wiedergeburt an (336).
A. von Lieven forscht am Beispiel von CT 38 dem nichtfunerären Gebrauch der Sargtexte nach. Der Text soll ursprünglich im medizinisch-magischen Kontext zur Behandlung von komatösen Patienten gedient haben (348).
B. Lüscher gibt Pap. Paris Bibliothèque National 46 bekannt. Das Objekt mit Auszügen von TB 99B wird als Vorlage für die früheste zeichnerische Wiedergabe eines TB-Textes in der modernen Literatur aus dem Jahr 1653 interpretiert (357–358).
B. Mathieu bringt Details zum Raumkonzept der Pyramiden vor. Die Entwicklung der Innenräume der beschrifteten Pyramiden breitete sich entlang einer West-Ost- und Süd-Nord-Achse aus (376). Der Ostteil aller Grabkammern wird der Dat und der Westteil dem Horizont zugeordnet (383).
A. J. Morales untersucht Übertragung und Rezeption der Pyramidentexte in der Spätzeit. Die Zahl der Pyramidentexte hat sich von 910 im Alten Reich auf 232 in der Spätzeit reduziert (565). Die Pyramidentexte der Spätzeitgräber setzen sich u. a. aus Opfersprüchen (472), Versorgungssprüchen (473), Verwandlungssprüchen (477), Abwehrsprüchen (478) und Aufstiegssprüchen (480) zusammen.
I. Régen enträtselt die kryptographische Schreibung der Schlange in der 1. Stunde des Amduat (N° 62). Der »Stern« als Hauptkennzeichen ist vielleicht als dekoratives Element zu deuten (499). Die Schreibungen der Spätzeit sind eventuell »b3 imn« »verborgener Ba« zu lesen, wobei der Wert »imn« für das »Messer« neu ist (502).
Z. Végh sucht nach dem Ursprung der Glossen von TB 18. Der aus rituellem Milieu stammende Text soll später funerär verwendet worden sein (519). Im Zuge dieses Prozesses sollen die Glossen in den Text eingedrungen sein (519). Das Fehlen von Glossen in Teilen von TB 18 wird durch das gemeinsame Vorkommen des Stichwortes »schlafen« erklärt (551–552), was reichlich vage anmutet.
M. Wagner befasst sich mit CT 648 bis 654, die nur auf dem Sarg des Iqer (G1T) aus Gebelein zu finden sind. Die Textabsicht wird u. a. in der Schilderung des Eintritts des Verstorbenen in die Unterwelt als Analogie zu Geburt und Erscheinen des Sonnengottes erkannt (589). Die Nennung nicht eigens dargestellter Wege wird gegen eine kartographische Wiedergabe angeführt (590). Die Parallelen zum »Zweiwegebuch« werden diskutiert, die u. a. im Prolog über die feurige Umgebung des Sonnengottes bestehen (592).
H. Willems stellt am Beispiel von CT 283 und 296 die Methode des »sequencing« von funerären Texten vor. Die Fragen nach Personen, Ort und Zeitpunkt der Handlung werden als Leitlinien bestimmt (603).
Das Buch erlaubt eine durchaus positive Bewertung. Die Schlussfolgerungen stellen sich meist als realistisch dar.