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Ausgabe:

Dezember/1999

Spalte:

1300

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Solivan, Samuel

Titel/Untertitel:

The Spirit, Pathos and Liberation. Toward an Hispanic Pentecostal Theology.

Verlag:

Sheffield: Sheffield Academic Press 1998. 160 S. gr.8 = Journal of Pentecostal Theology, Suppl. Series 14. Kart. £ 10.95. ISBN 1-85075-942-1.

Rezensent:

Walter J. Hollenweger

Samuel Solivan ist ein junger hispanischer Pfingstler aus den USA. Hispanier nennt man die Nachkommen von spanisch-sprachigen Bürgern der Vereinigten Staaten. Sie seien keine Einwanderer, sagt S., denn sie seien vor den Europäern in Amerika gewesen. Es ist eine Mischrasse. In ihren Adern fließt das Blut ihrer indianischen, schwarzen und spanischen Vorfahren. S. ist Professor an der Newton Theological School, Mass., Assistenzprofessor an der medizinischen Fakultät von Harvard und Gefängnispfarrer.

Es ist eine Freude, einem jungen Pfingstler zu folgen, der sowohl die Theologie der Befreiung kennt (er war Schüler von Gutiérrez) als auch die Kirchenväter sowie die moderne amerikanische und deutsche kritische Theologie. Sein Thema ist eine Theologie der Befreiung für die zahlenmäßig bedeutsamen und schnell wachsenden hispanischen Pfingstkirchen. Die evangelikale Rechtgläubigkeit hält er für steril. Da sie das Thema der Armen allegorisiert, ist sie meist reaktionär. Aber auch die Theologie der Befreiung, wie sie an vielen amerikanischen Universitäten gelehrt wird, führt nicht weiter. Sie kritisiert vor allem die andern. Es fehlt ihr der Kontakt zu denen, über die sie reden.

Die Notwendigkeit einer logischen Kohärenz, wie sie sowohl von evangelikalen als auch von liberalen Theologen gefordert wird, hält er für inkohärent mit der Wirklichkeit der Hispanier, denen durch die Schaufester des Luxus und der Verschwendung eine Welt gezeigt wird, die für sie unerreichbar ist. Für S. hat der Gott der Bibel ein Herz. Er zeigt Gefühle. Der Heilige Geist ist nicht nur eine kognitive Kategorie sondern eine Kraft zum Überleben. Er ist das "testimonium internum", das uns die Hoffnung der Bibel vergegenwärtigt. Die Hispanier brauchen keine Lehre von der Irrtumslosigkeit der Schrift. Diese ist der ursprünglichen Pfingstbewegung fremd (übrigens auch in Deutschland, wo diese Lehre als "unchristlich" abgelehnt wurde). Sie wurde von den Assemblies of God erst eingeführt, als sie in der National Association of Evangelicals eine Rolle spielen wollten. Dadurch verrieten sie sowohl ihre eigenen Wurzeln wie auch ihre hispanischen Brüder und Schwestern. Es gibt theologische Lehrer in den Vereinigten Staaten, die die Hispanier zu "theologischen Bauchrednern" machen wollen. Sie sollen nicht mehr ihr eigenes Zeugnis, sondern die Einsichten der (evangelikalen oder liberalen) angelsächsischen Mehrheitskultur vertreten.

Anstatt mit den Armen zu sprechen, sprechen sie über sie. Sie haben keine direkte Erfahrung des Leides, der Unterdrückung, der Verachtung, des kulturellen Kolonialismus. Nur wer mit diesen Menschen mitleidet, mit ihnen lebt, hofft, singt und betet, wird eine Theologie hervorbringen, die ihrem Hoffnungspotential entspricht. Das Buch ist allen jenen zu empfehlen, die einen Blick über den eigenen Gartenzaun werfen wollen.