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Ausgabe:

Dezember/1999

Spalte:

1298–1300

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Schreiter, Robert J.

Titel/Untertitel:

Die neue Katholizität. Globalisierung und die Theologie. Aus dem Amerik. übers. von N. Hintersteiner u. M. Ried.

Verlag:

Frankfurt/M.: IKO-Verlag 1997. 226 S. 8 = Theologie Interkulturell, 9. Kart. DM 36,80. ISBN 3-88939-372-1.

Rezensent:

Volker Weymann

Schreiter, der als Professor für Systematische Theologie an der Catholic Theological Union von Chicago tätig ist, geht es darum, das Konzept einer neuen Katholizität als "theologische Sicht von der Theologie zwischen dem Globalen und dem Lokalen in einer weltweiten Kirche zu entwickeln" (206). Damit führt er seine früheren Untersuchungen zu lokalen kontextuellen Theologien weiter (hier auch in den Kapiteln zu kontextueller Theologie in Europa, Südafrika, Lateinamerika und Nordamerika). Gelegenheit dazu bot sich ihm mit einer Gastprofessur 1995 an der Universität Frankfurt im Rahmen des Projekts "Theologie Interkulturell" seitens des dortigen Fachbereichs Katholische Theologie.

Angesichts der Kommunikations-Aufgaben von Kirche und Theologie in wie zwischen unterschiedlichen sozialen und kulturellen Kontexten sieht der Vf. nun vor allem in den Veränderungen, die mit der Globalisierung im Gang sind, Anlaß und Grund, zur Entwicklung einer neuen Katholizität von Kirche und Theologie beizutragen. Die Globalisierung zeige ihre Wirkung in viererlei Hinsicht: politisch als Übergang einer bipolaren zu einer multipolaren Welt; wirtschaftlich als weltweite Ausdehnung des Kapitalismus mit Anwachsen sowohl des Wohlstands wie des Abstands von reich und arm; technologisch mit Verdichtung von Zeit und Raum in weltweiter Kommunikation; kulturell mit Tendenzen zu einer homogenisierten Hyperkultur auf der Grundlage des Verbrauchs. Dabei erweisen sich die Auswirkungen der Globalisierung als ambivalent. Damit ist die Aufgabe gestellt: "Im Kontext dieser Ambivalenz, in einem Kraftfeld, das Menschen zugleich anzieht und abstößt, haben wir Theologie zu treiben" (26).

Im einzelnen ortet der Vf. folgende Aufgaben kontextueller Theologie im weltweiten Kontext der Globalisierung: Einmal zeige sich die neue Katholizität von Theologie und Kirche in ihrer Präsenz an den Grenzen zwischen jenen, die von der Globalisierung profitieren, und denen, die davon ausgeschlossen sind; wobei diese Grenzen nicht mehr nur zwischen Nord und Süd verlaufen, vielmehr mitten durch Städte und Gemeinden. Weiter könne eine globalisierte Welt, in der es primär darum gehe, neue Märkte zu schaffen, auch mit Ideen wie Fortschritt, Gleichheit, Partizipation kein Ziel angeben als Leitvision für die Gesellschaft und die Menschheit. Demgegenüber stelle "sich die Frage, welche kulturübergreifenden Elemente es in der christlichen Erfahrung gibt, die eine kohärente Vision von der Zukunft liefern können" (73). Nicht zuletzt entstehen mit dem Globalisierungsprozeß verstärkt Asymmetrien - etwa mit der einseitigen Verteilung von Macht und Profit oder mit der Erfahrung von Entwurzelung bzw. mehrfacher Zugehörigkeit. Hier hebt der Vf. darauf ab, "daß die Asymmetrie der grundlegenden christlichen Geschichte von Leiden, Tod und Auferstehung Christi eine spezifische Bedeutung für Identität in einer globalisierten Gesellschaft" gewinnen kann (139).

Über solche Andeutung hinaus wird die Beziehung zwischen jener grundlegenden Geschichte der christlichen Botschaft und Lebenserfahrungen in der globalisierten Welt nicht entfaltet, vielmehr offengehalten. Denn angesichts interkultureller Kommunikation hebt der Vf. hervor: Dem Zentrum der christlichen Botschaft als Erzählung eigne ein "Grad von Unbestimmtheit, die ein erneutes Erzählen der Geschichte erlaubt" (223). Kommunizierbar wird die christliche Botschaft nur, indem sie auf den jeweiligen Kontext ihrer Hörer eingeht und dadurch an Bedeutung gewinnt. Doch darf sie nicht auf ihren Kontext reduziert werden, wodurch sie ihre erhellende und kritische Kraft verlöre. Wer aber demgegenüber bei interkultureller Kommunikation der christlichen Botschaft sogleich vor der Gefahr des Synkretismus warne, verkenne die kulturelle Dynamik, wodurch sich christliche Identität in der Vielfalt von Kulturen bilde. Die Sorge um Übermittlung der christlichen Botschaft in ihrer Integrität und damit die Sorge vor möglichem Synkretismus sei Sache des Sprechers. Dagegen bemühe sich der Hörer um Synthese, nämlich darum, "der Botschaft einen Sinn abzugewinnen ... (und sie) in eine Identität einzupassen". Ob aber die Botschaft in ihrer Integrität übermittelt wurde, darüber könne nicht der Sprecher allein befinden; vielmehr entscheide sich dies "in sozialer Beurteilung ..., das heißt, in der intensiven und wiederholten Aktion zwischen Sprecher und Hörer" (106 f.).

Im Blick auf die vier Kennzeichen der (gemäß dem Nizänischen Glaubensbekenntnis) einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche gewinne heute "(a)ngesichts der Diversität von Kulturen ... Katholizität ... eine herausragende Bedeutung an der Schnittstelle des Globalen und Lokalen" (218). Zwar wird beiläufig vermerkt, daß wie die römisch-katholische auch andere christliche Kirchen sich als "katholisch" verstehen. Doch gewinnt "neue Katholizität" ihr pointiertes Verständnis am Beispiel der römisch-katholischen Kirche: nämlich neben dem Verständnis aufgrund weltweiter Ausdehnung und apostolischer Glaubensfülle nun im Sinn "von interkultureller Kommunikation" (219).