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Ausgabe:

März/2018

Spalte:

226–228

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Heil, Uta, u. Annette von Stockhausen [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Die Synoden im trinitarischen Streit. Über die Etablierung eines synodalen Verfahrens und die Probleme seiner Anwendung im 4. und 5. Jahrhundert.

Verlag:

Berlin u. a.: De Gruyter 2017. IX, 231 S. = Texte und Untersuchungen zur Geschichte der altchristlichen Literatur, 177. Geb. EUR 89,95. ISBN 978-3-11-041959-7.

Rezensent:

Markus Vinzent

Es ist erfreulich zu sehen, dass die 16. International Conference on Patristic Studies Oxford von 2011 noch späte Früchte trägt, zu denen der vorliegende Band gehört. Nachdem die Konferenzakten bereits 2013 bei Peeters Publishers, Belgien, erschienen sind, erscheint hier ein weiterer Band, der aus Vorträgen auf dieser Konferenz hervorgegangen ist – er ist auch nicht das letzte Produkt, da für 2017 noch ein weiterer Band mit den Beiträgen zu Laktanz, herausgegeben von Oliver Nicholson, erscheinen wird (Studia Patristica, Peeters). Dass eine Konferenz so viele Publikationen anregt, spricht nicht nur für das Forum, sondern auch dafür, dass Patristik derzeit ein Feld lebendiger internationaler Forschung darstellt.
Im hier zu besprechenden Band haben die Herausgeberinnen sieben Beiträge zusammengebracht, die nicht so sehr auf die dogmatischen Inhalte eingehen, die auf den Synoden des 4. und 5. Jh.s verhandelt wurden, und die in den vergangenen Jahrzehnten meist im Vordergrund gestanden haben, sondern es geht ihnen mehr, wie bereits der Untertitel verdeutlicht, um die synodale Institution selbst mit ihren Verfahren und die Umstände und Probleme ihrer Umsetzungen. Gerade für den Institutionen- und Sozialhistoriker verspricht der Band also eine reiche Anregung darzustellen.
Eröffnet wird der Band mit dem britischen Senior der Chalcedonforschung, der in Heythrop College (das zum Bedauern aller Wissenschaftler leider von kirchlicher Seite gezwungenermaßen in Kürze seine Toren schließen wird) lehrende Richard Price, bekannt für seine fein dokumentierte Übersetzung der Akten des Konzils von Chalcedon (2005). In seinem Beitrag »Conciliar Theology: Resources and Limitations« (1–18) zeigt Price, dass Synoden nicht auf Fortschritt der theologischen Debatte geeicht waren, sondern das Interesse der Synodalen im Gegenteil dem Prinzip des presbyteron kreitton folgten.
Von daher spielten Florilegia und Listen von älteren Autoritäten eine zunehmende Rolle, mit denen als Neuerer bezeichnete Häresien von einer sich institutionalisierenden Orthodoxie abgewendet werden sollten. Dass paradoxerweise gerade durch das Abwenden des Neuen die Kirche sich selbst beständig erneuerte, scheint den wenigsten der Synodalen bewusst und gewiss von ihnen nicht beabsichtigt gewesen zu sein. Andererseits unterscheiden sich gerade in der konservativen Haltung Synodalakten etwa von vielen kontroverstheologischen Schriften der in der Diskussion beteiligten Theologen (11). Umgekehrt hebt Price hervor, dass die holzschnittartigen Raster der Synodaleinlassungen und Häresieurteile sich oft wie Ergebnisse von »Schattenboxkämpfen« ausnehmen (13), was er vor allem anhand des monotheletischen Streits im 7. Jh. verfolgt, wo ihm scheint, dass beide Seiten eigentlich dasselbe Ziel verfolgten, ohne sich jedoch über dieses oder auch nur über ihre Verschiedenheiten wirklich zu verständigen.
Hanns Christof Brennecke, der emeritierte Erlanger Patristiker und Athanasiusherausgeber, reflektiert über die »Synode als Institution zwischen Kaiser und Kirche in der Spätantike. Überlegungen zur Synodalgeschichte des 4. Jahrhunderts« (19–50). Während in der Vergangenheit oft über die Synoden einerseits und andererseits über die zeitgenössischen römischen Kaiser geschrieben wurde, ist noch selten über Synoden als Brücke zwischen diesen beiden Institutionen nachgedacht worden.
Dabei zeigt sich z. B. gerade im arianischen Streit, »vielleicht einer der am besten dokumentierten Konflikt[e] der Antike« (27), dass im Synodalsystem »Regeln herrschten, die beide Seiten in die Pflicht nahmen, die jedenfalls der Kaiser nicht ohne weiteres missachten konnte« (28). Andererseits waren nicht alle Regeln bereits festgezurrt, so z. B., wer zur Durchsetzung der Synodalbeschlüsse die Verantwortung trug und sie letztlich durchsetzen oder auch revidieren konnte. So, beispielsweise, werden die Beschlüsse von Nizäa 325 vom Kaiser promulgiert und den Kirchen bekanntgemacht, doch als er mit einer weiteren Synode von ca. 327 den zuvor verurteilten Arius und seine Anhänger rehabilitierte, weigerten sich Alexander und sein Nachfolger Athanasius, diese Rehabilitierung zu akzeptieren (29). Im Ergebnis hieß dies, dass »das dem Kaiser traditionell zustehende Recht der Amnestie« hier begrenzt war und es einer neuen Synode bedurfte, auch diesen Beschluss der Rücknahme des Exils zu fassen (30). Gleiches galt im Falle der Exilierung von Bischöfen (32). Wie wenig diese Grundregeln allerdings eingehalten wurden, zeigen die Ereignisse um Athanasius und Markell von Ankyra, verkompliziert durch die Tatsache, dass nach Konstantins Tod zunächst drei, dann zwei Kaiser unterschiedlich agierten, so dass »die Institution Synode […] scheitern musste« (36). Gleichwohl blieb das Prinzip, dass dem kaiserlichen Entscheid eine synodale Entscheidung vorausgehen musste, zunächst bestehen, wie am Beispiel des eigenständig von Theodosius erlassenen Edikts Cunctos populos vom Jahr 380 zu ersehen ist, das durch die Beschlüsse von Konstantinopel 381 wesentlich korrigiert wurde (43–45). Und doch stieg seit dem 5. Jh. die Tendenz, »die Synoden auszuschalten«, während sie im Westen »eine erstaunliche Fortsetzung« fanden (44).
Mit Thomas Graumann, »Theologische Diskussion und Entscheidung auf Synoden. Verfahrensformen und -erwartungen« (51–81), wird der Blick auf die inneren Prozesse selbst gelenkt. Im Rückgriff auf systematische Gedanken N. Luhmanns zeigt Graumann an­hand von zwei Beispielen Nuancierungen der von Brennecke beobachteten Regeln.
So reichte nicht das Synodalurteil gegen Photin vom Jahr 351, sondern es wurde zusätzlich eine Disputation anberaumt, um »gegenüber den staatlichen Richtern« Photin »als unzweifelhaft häretisch zu überführen und damit den Kaiser zu veranlassen, ihn aus dem Amt zu entfernen und ins Exil zu schicken« (59), in der Tat eine Transformation des synodalen Verfahrens (60). Rückgeführt wird diese Veränderung auf die »Einsicht in die fehlende Durchsetzbarkeit« des Urteils der Synode wegen des Widerstands der Ortsgemeinde des Photin oder auf die »unerschütterliche Zuversicht« der Synodalen (60), wobei dem Rezensenten das Erste eher einleuchtet. Als zweites Beispiel dient das Doppel-Konzil von Rimini und Seleukia des Jahres 350 (65–77), das die »komplizierte Choreographie von synodaler Diskussion, diplomatischer Mission und Verhandlung am Hof, die wiederum zurückmünden sollte in eine synodale Inkraftsetzung« aufzeigt (67). Vielleicht dem Alter der Beiträge zu diesem Band geschuldet ist, dass bei der Behandlung der Gestikulation und Kommunikation auch auf späteren Synoden nicht die verschiedenen einschlägigen, inzwischen erschienenen Arbeiten von L. M. Frenkel, der Schülerin von Graumann, zitiert werden (70).
Auch im folgenden Beitrag von Nina Lubomierski, »Der Prozess gegen Dioscorus auf dem Konzil von Chalcedon. Legitimiert durch Verfahren?« (83–94), wird Luhmann herangezogen und im direkten Vergleich gefragt, ob die von ihm aufgestellten Bedingungen eines (modernen) ordentlichen Verfahrens im spätantiken Prozess gegen Dioscorus gewährleistet waren. Interessant ist hierbei, wie zum Teil unklar die Rollenzuordnung innerhalb des antiken Verfahrens war und welche Auswirkungen die Nichtoffenheit des Verfahrens mit der Abwesenheit des Dioscorus von der dritten Sitzung und der Nichtakzeptanz der Entscheidungen des Konzils von Chalcedon »in weiten Teilen des Christentums« verbunden wird (92–93).
Christian Müller geht in einem langen Beitrag auf »Die Synode von Mailand 355, Eusebius von Vercelli und die Folgen« ein (95–189). Der Artikel fällt insofern aus dem Rahmen des Werkes, als es in ihm nicht um synodale Verfahren oder deren Anwendung geht. Von Länge, Inhalt und Zuschnitt hätte dieser Beitrag einerseits einen anderen Publikationsort gebraucht, gerade weil er als weiterführende Studie des Autors zu Eusebius von Vercelli in seinem Detailreichtum unverzichtbar für die künftige Forschung sein wird; andererseits behandelt er die Synode von Mailand von 355 und die einsetzende Rolle des Nizänums von 325. Es wäre dienlich gewesen, wenn der Autor dem Band entsprechend auf die Funktion dieses Bekenntnisses im Rahmen des synodalen Verfahrens eingegangen wäre. Stattdessen wird eine wertvolle, umsichtige historische Rekonstruktion gewagt, die allenfalls bei der Behandlung von Eusebius’ Selbstdarstellung im Exilsbrief an seine Heimatgemeinde einmal Propaganda mit Historizität vertauscht (163).
Annette von Stockhausen, »Der Brief der Synode von Ankyra 358 (Dok. 55)« (191–205), schließt eher an den voranstehenden Beitrag an, indem es auch hier weniger um Verfahrens-, sondern Überlieferungsfragen geht, und erhellt, »wie überhaupt die Dokumente einer Synode auf uns gekommen sind« (204). In der Übersetzung von Dok. 55,4 geht leider durch die unterschiedliche Wiedergabe von τὸ εἶδος in der ersten und zweitletzten Zeile (200) (zunächst: »das Wesentliche«, dann: »diese Art«) der Zusammenhang der Argumentation verloren.
Im letzten Beitrag behandelt Uta Heil »Was wir glauben und was wir wissen. Zur Bilanz des trinitarischen Streits durch die Homöer« (207–221). Hier geht es um die der Synode von Ankyra vorausgehende Sirmische Erklärung von 357 und die der nachfolgenden von Rimini 359 und Konstantinopel von 360 mit dem wichtigen Ergebnis, dass mit der Berufung auf »Rimini« (so wenig wie kurz zuvor »Nizäa« möchte man hinzufügen) »weniger gemeint [ist] als ein verbindlich zu wiederholendes Bekenntnis, sondern […] ein Vorbild und eine Richtschnur«. Vom Wortlaut konnte man bei nicht strittigen Themen durchaus abweichen.
Insgesamt ist dieser Band ein wichtiger Schritt bei der Beschäftigung mit Synoden – von den reinen dogmatischen Inhalten, so wichtig diese sind, hin zu soziokulturellen Bedingungen und Überlieferungsproblemen. Bei allen Beiträgen fallen überdies positiv die vielen, zum Teil aus der Editions- bzw. Übersetzungsarbeit heraus gewonnenen Erkenntnisse auf. Negativ fällt die wenig sorgsame Editierung gerade in den von den Herausgeberinnen verantworteten Beiträgen auf.
Bereits im Vorwort finden sich auf gerade neun Seiten nicht weniger als neun Druckfehler, wobei sich an einer Stelle (VII: »Verfahrensbrücke« für »Verfahrensbrüche«) geradezu der gegenteilige Sinn ergibt. Ähnlich steht es mit den Indizes, bei denen »Eusebius von Vercellae« vor »Eusebius von Vercelli« steht, sich »Cyrill von Alexandrien« bei »C« und »Kyrill von Alexandrien« bei »K« findet, die »Anhomöer« bei »Antike Personen«, die »Homöer« hingegen unter »Sachen« untergebracht sind. Der Index ist nicht vollständig, wenn etwa der Jenensis Bos. nur mit S. 191 angegeben wird, er aber auch auf S. 193 besprochen wird. Gleichwohl, dies sind Marginalien gemessen an den inhaltlich sorgsamen Behandlungen der Themen.