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Ausgabe:

März/2018

Spalte:

224–225

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Allen, Pauline, and Bronwen Neil [Eds.]

Titel/Untertitel:

The Oxford Handbook of Maximus the Confessor.

Verlag:

Oxford u. a.: Oxford University Press 2015. 624 S. Geb. US$ 150,00. ISBN 978-0-19-967383-4.

Rezensent:

Guido Bausenhart

Ist von Maximus Confessor (Maximos Homologetes) die Rede, dann immer mit Epitheta ornantia der Superlative – bei theologischen Insidern. Im durchschnittlichen öffentlichen Theologenbewusstsein bleibt er noch immer ein Geheimtipp. Hier liegt ein Oxford Handbuch vor, dessen 29 Beiträge in vier Teilen zusammentragen, was die Forschung derzeit über ihn zu sagen weiß – in der Perspektive der jeweiligen Artikel. Was auffällt, ist das globale Interesse an diesem Mönch und Theologen des 7. Jh.s von Chicago und Milwaukee bis Brisbane, Melbourne und Sidney – und dass keine deutschsprachige Stimme vertreten ist. Auch die französischen Maximus-Forscher im Umfeld von M.-J. Le Guillou haben keine Nachfolger gefunden.
Keine künftige wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Bekenner wird ohne Rückgriff auf die beiden einleitenden Beiträge arbeiten können: die Rekonstruktion seines Lebens und seiner Zeit (Pauline Allen [3–18]); die Entscheidung für die syrische Maximus-Vita hat sich gegenüber der in PG 90 abgedruckten Kompilation durchgesetzt. Der zweite Beitrag ist noch hilfreicher: eine kommentierte Liste der Werke und ihre Datierung (Marek Jankowiak und Phil Booth [19–83]). Diese verdienstvolle Arbeit löst den Artikel von Paul Sherwood, An annotated Date-List of the Works of Maximus the Confessor (Rom 1952), ab; beide Autoren erinnern im Titel ihres eigenen Beitrags an ebendieses bis dahin unverzichtbare Hilfsmittel: »A new Date-List …«. Hier wird man über die Anlässe zu den Schriften informiert, werden Echtheitsfragen diskutiert und aktuelle bibliographische Hinweise gegeben. – Walter E. Kaegi zeichnet den historischen Kontext des Wirkens von Maximus: »Byzantium in the seventh century« (84–105). Die Akzente liegen auf der staatlichen Verwaltung, der folgenreichen ersten Begegnung mit dem Islam, Handel, Militär und den außenpolitischen Beziehungen des Reichs. Die prominente Stellung von Kaiser Heraklius kann nicht genügend unterstrichen werden. – In die kontroverse Geschichte der Christologie ordnet Cyrill Hovorun den Bekenner ein mit der Frage, ob man ihn als »Neu-Chalkedonier« be­zeichnen kann und inwiefern (106–124). Man lernt viel über den »Neu-Chalkedonismus«, eine sich im späten 5. Jh. herausbildende Sichtweise in Annäherung an alexandrinische Traditionen. Maximus selbst bewegt sich in dieser Denkfigur, ohne allerdings Chalkedon selbst (451) aus dem Auge zu verlieren; das wird ihm im Monotheletenstreit zur Klärung helfen.
Der Teil II gilt der Frage nach theologischen und philosophischen Einflüssen auf Maximus (125–249). Solche Fragen sind beliebt, aber selten ertragreich und aussagekräftig bei eigenständigen Denkern, deren Denken natürlich nicht voraussetzungslos ist, aber eben nicht auf diese Voraussetzungen zurückgeführt oder gar davon abgeleitet werden kann. Neue Herausforderungen führen eben über die Denkmöglichkeiten der Tradition hinaus. Und erkennbare Parallelen sind noch keine Abhängigkeiten. Kandidaten sind Aristotelismus wie Platonismus, Origenismus und die aszetische Tradition, Ps-Dionysios wie Johannes Chrysostomus, schließlich Augustinus. Diese Liste ließe sich gewiss noch erweitern.
Zum Werk des Maximus und seinem Denken führt der Teil III zurück. Hier ist man beim Theologen und Meister des geistlichen Lebens selbst, seinem Denken, wie es sich in seinen Texten artikuliert. Eindrucksvoll ist das breite Spektrum der Themen, die hier traktiert werden und – werden können, weil Maximus sich hier als origineller Denker präsentiert bzw. präsentieren lässt. Sein Um­gang mit der Bibel (Paul M. Blowers [253–273]) bewegt sich in der Spur mönchischer Bibellektüre; sein späterer dogmen- bzw. chris-tologiegeschichtlicher Beitrag greift in seinen Begründungen nicht mehr auf die Bibel zurück, sondern ist ganz von der Sachlogik bestimmt. Auch davon ist zu lesen in »Christocentric Cosmology« (Torstein T. Tollefsen [307–321]) und besonders in »The Mode of Deification«: Dieses für westliche Theologie immer missverständliche, für die Orthodoxie aber zentrale Stich- bzw. Reizwort wird von Jean-Claude Larchet (341–359) erläutert anhand des Begriffspaars logos und tropos – nach Jean Miguel Garrigues »l’axe meme de sa pensée théologique«. Der Clou: »the reality of any natural order can attain to a new, supernatural mode of existence, while remaining the same in its essence« (343). Die differenzierte Präsentation dieser Schlüsselunterscheidung bei Maximus durch Larchet erweist deren Fruchtbarkeit in der Christologie wie in der Soteriologie.
Eine eingehende Studie von Adam G. Cooper widmet sich ›Ambiguum 7‹ aus der Sammlung der Ambigua, d. h. der Erklärung schwieriger und darum umstrittener Texte bzw. Textpassagen der Väter. Hier geht es um die oratio 14 des Gregor von Nazianz, deren Diskussion Maximus zum Anlass nimmt, grundlegende Eckpunkte seiner eigenen dynamischen spirituellen Anthropologie zu erläutern.
Den Mönch und Meister des geistlichen Le­bens präsentiert George C. Berthold unter dem Titel »Christian life and praxis« (397–413); er erschließt die capita de caritate, entstanden vor 633/634, eine Sammlung von hundert Aphorismen – Centurien – zum geistlichen Leben. Bemerkenswert ist die Bedeutung des Willens im aszetischen Leben, die Maximus hervorhebt; hier zeigt sich eine Sensibilität, die ihn für den (christologischen) Monotheletenstreit prädestiniert.
Der Teil IV gehört der Wirkungsgeschichte des Bekenners bis in die Gegenwart. Die hier markierten Orte können nicht vollständig sein, sind in ihrer Breite aber doch eindrucksvoll: Georgien, Griechenland, Russland und die Ukraine stehen dafür (439–515 mit den Beiträgen von Lela Khoberia, Grigory Benevich, Catherine Kavanagh und Andrew Louth). – Eine mutige Rezeption der in der Spirituali-tät des Bekenners angelegten und dann im Monotheletenstreit weiter geklärten Willenslehre nimmt Ian A. McFarland vor (516–532). Menschliche Freiheit sei »not radical self-determination« (517), eher »self-destruction«, weil der Schöpfung eine innere Teleologie innewohne – dieser stoische Gedanke versagt vor Maximus’ Interpretation des Gebets Jesu im Garten Getsemani, in der er gerade die stoische Selbstverwirklichung aufbricht zugunsten einer radikalen Selbstbestimmung, nämlich seiner Entscheidung, den Weg zum Kreuz zu gehen.
Dass Maximus sich einmal für das Gespräch mit der Tiefenpsychologie (Michael Backer [533–547]) und den ökumenischen Dialog in Anspruch genommen sehen würde (A. Edward Siecienski [548–563]), hätte er gewiss nicht gedacht – im Blick ist allein das west-östliche Schisma. – Joshua Lollar erinnert in seinem Beitrag (»Reception of Maximian thought in the modern era« [564–580]) schließlich an die Wegbereiter der Wiederentdeckung des Bekenners: Sergei Leontevich Epifanovich, Hans Urs von Balthasar, Polycarp Sherwood, Walther Völker und Lars Thunberg – wer sich Maximus theologisch zu nähern versucht, der stelle sich auf die Schultern dieser Riesen.
Die Zahl der Abhandlungen über Maximus Confessor ist so gering nicht, wenn man sich erst mal auf die Suche macht; aber wer sich über den aktuellen Stand der Maximus-Forschung informieren will, der nehme dieses Handbuch zur Hand.