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Ausgabe:

März/2018

Spalte:

199–201

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

Miller, Marvin Lloyd, Ben Zvi, Ehud, and Gary N. Knoppers [Eds.]

Titel/Untertitel:

The Economy of Ancient Judah in Its Historical Context.

Verlag:

Winona Lake: Eisenbrauns 2015. XII, 276 S. Lw. US$ 49,50. ISBN 978-1-57506-413-0.

Rezensent:

Rainer Kessler

Das »Ancient Judah« des Titels dieses Sammelbandes meint allein die perserzeitliche Provinz Jehud. Sie rückt, da die Exegese zunehmend die Perserzeit als formative Epoche eines Großteils der biblischen Literatur wahrnimmt, zu Recht immer mehr ins Interesse der Forschung. Der Frage, wie die Ökonomie eines im persischen Großreich so randständigen Gebildes wie der Provinz Jehud funktioniert, nähert sich der Band auf drei Wegen: über biblische Texte, über außerbiblische Texte und über die Archäologie.
Vorangestellt ist als Teil 1 ein methodologischer Beitrag von Marvin L. Miller. Er irritiert zunächst dadurch, dass er ohne nähere Begründung das Funktionieren des Marktes als ökonomisches Grundparadigma voraussetzt. In der Ausführung wird dies dann freilich vielfach differenziert. Unter Berücksichtigung einer großen Zahl von Faktoren, die von der häuslichen Subsistenzwirtschaft über das staatliche Abgabensystem bis zu marktförmigen Austauschprozessen reichen, entwickelt Miller ein Modell, das den alten Widerspruch zwischen »Modernisten«, denen zufolge die antike Wirtschaft wie eine moderne Markwirtschaft funktionierte, und »Primitivisten«, für die die Antike keine Märkte kannte, überwindet.
Der 2. Teil über Economic Indications from the Hebrew Bible um­fasst vier Beiträge. Ehud Ben Zvi untersucht Spr 31,10–31. An den Tätigkeiten der erfolgreichen Frau zeigt er, wie ein wohlhabender Haushalt der spätpersischen oder frühhellenistischen Zeit funktionierte. Besonders hebt er hervor, dass profitorientierter Handel an­ders als in vielen anderen Texten durchaus positiv gewertet wird, vielleicht, wie er vermutet, weil eine Frau ihn betreibt. – Gary N. Knoppers stellt die Darstellung der Beziehungen zwischen Salomo und Hiram von Tyros im Vergleich zwischen den Könige-Büchern und der Chronik in den Mittelpunkt. Insbesondere interessiert ihn, wie der Chronist aus einer partnerschaftlich angelegten internationalen Zusammenarbeit, wie sie 1. Könige schildert, die Beziehung zwischen einem Patron (Salomo) und seinem Klienten (Hiram) macht. Indem Salomo wie ein Satrap geschildert wird, der in Transeuphratene seine Macht ausübt, wird ein utopisches Ideal aufgerichtet, das der Realität einer entvölkerten, ökonomisch bedrängten und von Fremden regierten Provinz entgegengestellt wird. – Ebenfalls mit der Chronik befasst sich Louis Jonker. Sein Zugang sind die Ge­nealogien. Roland Boers Paradigma einer »sacred economy« aufgreifend, findet er in den Genealogien die Tendenz, den Landbesitz den städtischen Eliten im Namen Jhwhs zuzuschreiben und so eine Spannung zu den dörflichen Gemeinschaften der Stämme aufzubauen. Jerusalem als das Zentrum ist dabei nicht nur der Ort, auf den die ländliche Ökonomie ausgerichtet ist, sondern zugleich der Agent der persischen imperialen Interessen. – Peter Altmann erörtert anhand der Sabbat-Perikope in Neh 13 methodische Fragen. Einerseits zeigt der Text, dass es profitablen marktförmigen Handel gibt, andrerseits wird durch das Eingreifen Nehemias deutlich, dass außerökonomische Faktoren wie eine bestimmte religiöse Haltung das Wirtschaftsleben tief beeinflussen können. Das Modell der Neuen Institutionenökonomik (NIÖ oder NIE = New Institutional Economics) erscheint Altmann als geeignetes Modell, um dies theoretisch zu erfassen.
Teil 3 über Economic Indications from Other Literary Sources beginnt mit zwei Beiträgen, die sich hauptsächlich auf biblische Texte stützen und genauso gut unter Teil 2 gepasst hätten. Philippe Guillaume betrachtet die Formel »Seid fruchtbar und mehrt euch!«. Seiner anderweitig begründeten These folgend, dass nicht Mangel an Land, sondern an Arbeitskräften das Problem der Epoche ist, versteht er den Aufruf zur Vermehrung im direkten ökonomischen Sinn: »More hands meant more work done« (144). – Äußerst herausfordernd ist Lisbeth S. Frieds Studie über den Konflikt in Neh 5. Sie kann es sehr wahrscheinlich machen, dass die herkömmliche Übersetzung von V. 4 (»Wir haben auf unsere Äcker und Weinberge Geld aufnehmen müssen für die Steuern des Königs«, so Luther 2017) in die Irre führt. Es geht nicht um Äcker, die den Leuten gehören, sondern um Königsland, für das sie Pachtgeld aufbringen müssen. Ob das allerdings auch für V. 3 gilt (»Unsere Äcker, Weinberge und Häuser müssen wir verpfänden …«), bleibt unklar. Mir scheint es wahrscheinlicher, dass es nebeneinander beides gibt, Privatland und gepachtetes Königsland. Letzteres herausgearbeitet zu haben, bleibt das Verdienst dieser Studie. – Mit Josef Wiesehöfers Beitrag verlassen wir dann vorübergehend die biblischen Texte. Er untersucht die Rolle von Frauen in der achämenidischen Ökonomie, denen er orientalistischen Klischees zum Trotz eine selbstbewusste und wirtschaftlich unabhängige Po­sition attestiert. – Der ausführliche Aufsatz von Diana Edelman über die Ökonomie und Verwaltung Idumäas in der persischen Zeit besticht zwar durch eine Fülle an Detailinformationen, nicht nur aus Idumäa, sondern auch aus anderen Teilen des Perserreichs; Edelman breitet einen wahren Schatz aus. Demgegenüber ist allerdings das Ergebnis sehr ernüchternd: »On the basis of the limited evidence available, we cannot determine how standardized administrative practices were across the Persian Empire« (192).
Den Abschluss des Bandes bilden Economic Indications from Arc­h-aeology im 4. Teil. Yifat Thareani untersucht die Wirtschaft des Negev in der Eisen-II-Zeit. Der Beitrag zeigt zunächst, wie lange Zeit die Kooperation lokaler Gruppen mit der assyrischen Obermacht zu einem Aufblühen der Region führt. Diese Blüte kommt mit dem Zusammenbruch Assurs, dem der Judas schnell folgt, zu einem raschen Ende. Der Weg ist so frei für lokale edomitische Gruppen, die Vormacht zu übernehmen. – Am Ende steht Oded Lipschits. Er untersucht die ländliche Ökonomie Judas in der Perserzeit mit besonderem Hinblick auf das Distriktsystem. Dabei gelingt es ihm, die spannungsreiche und wechselvolle Geschichte der drei Zentren Jerusalem, Mizpah und Ramat Raḥel von der assyrischen über die babylonische bis zur persischen Epoche nachzuzeichnen. Da Ramat Raḥel bekanntlich anders als Mizpah und Jerusalem biblisch nicht bezeugt ist, zeigt sich hier, wie unverzichtbar wichtig die Archäologie ist, um ein bloß von den biblischen Texten geprägtes Bild, bei dem Jerusalem als absolute Metropole hervorstechen würde, zu korrigieren.
Der mit den üblichen Registern schließende Band ist ein hervorragendes Beispiel für internationale und interdisziplinäre Zusammenarbeit. Seine präzisen Einzeluntersuchungen erweitern unsere Kenntnis über die Ökonomie der persischen Randprovinz Juda und fordern zu weiteren Untersuchungen heraus.