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Ausgabe:

März/2018

Spalte:

198–199

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

Fabry, Heinz-Josef, und Ulrich Dahmen[Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Theologisches Wörterbuch zu den Qumrantexten. Hrsg. in Verbindung mit G. J. Brooke, J. J. Collins, D. Dimant, T. Elgvin, H. Gzella, H. K. Harrington, C. Hempel, A. Lange, F. García Martínez, S. Metso, C. Newsom, L. H. Schiffman, E. M. Schuller, E. J. C. Tigchelaar, J. C. VanderKam. Bd. III: דבע – תחובשת.

Verlag:

Stuttgart: Verlag W. Kohlhammer 2016. XVII, 1168 Sp. [602 S.]. Geb. EUR 349,00. ISBN 978-3-17-020431-7.

Rezensent:

Karl-Wilhelm Niebuhr

Erfreulich zügig ist das dreibändige Theologische Wörterbuch zu den Qumrantexten zum Abschluss gekommen (vgl. zu Bd. I ThLZ 137 [2012], 793 f., zu Bd. II ThLZ 138 [2013], 1318). Binnen acht Jahren (2007–2015) war es in Kooperation der Universitäten Bonn und Freiburg i. Br. mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft an der Qumran-Forschungsstelle der Katholisch-Theologischen Fakultät Bonn erarbeitet worden. Zu den noch einmal fast 300 Artikeln haben diesmal neben den beiden Projektleitern weitere 82 Autoren aus der internationalen Qumran Community beigetragen. Auf das Register der deutschen Stichwörter zu Bd. III folgt jetzt noch ein Auswahlregister von Qumran-Stellen zu allen drei Bänden. Am Ende steht ein Verzeichnis der Übersetzerinnen und Übersetzer der fremdsprachig erstellten Artikel.
War bei der Besprechung von Bd. I der erste Eintrag (באָ), verfasst von einem der beiden Hauptherausgeber (Fabry), etwas ausführlicher vorgestellt worden, so legt es sich nahe, zum Abschluss den letzten Artikel des Werkes auszuwählen תחובשת), tšbwḥt, »Lobpreis«, »Verherrlichung«, 1164–1168). Er stammt von Christian Stadel vom Department of Hebrew Language der Ben-Gurion University of the Negev, einem aus der jüngeren Garde der Qumran-Forscher. Das Nomen תחובשת kommt in den hebräischen Handschriften aus Qumran 28 mal vor, in der hebräischen Bibel dagegen gar nicht, sondern lediglich in Sir 51,12 (hebr.) sowie im rabbinischen Hebräisch. Es ist offenbar aus dem Aramäischen übernommen und mit einer hebräischen femininen Endung versehen worden. In den Sabbatopferliedern aus Qumran gehört das Wort zu einem der wichtigsten Ausdrücke für den Lobpreis Gottes (ca. 20 Belege), findet sich aber auch in anderen hymnischen Texten aus Qumran. Charakteristisch sind Wortverbindungen wie »Worte des Lobpreises«, »Gott des Lobpreises«, »Pracht des Lobpreises« usw. Auch in aramäischen Manuskripten aus Qumran wird das Wort gelegentlich in diesem Sinn verwendet, wenn auch selten, offenbar, weil es kaum hymnische Texte auf Aramäisch gibt. In den Sabbatopferliedern steht der Begriff bisweilen schon im Titel (»Lobpreispsalm«), kann also auch als Gattungsbezeichnung dienen. Den hymnischen Stil der Sabbatlieder prägen constructus-Verbindungen mit תחובשת, die das Gotteslob bezeichnen: »Lobpreisungen der Erhabenheit seines Königtums«, »Lobpreisungen der Erhöhung«, »Pracht der Lobpreisungen«, »Glanz der Lobpreisungen«, »Stimme der Lobpreisungen« usw. Aber nicht nur in den Sabbatopferliedern und anderen Texten, die der Qumran-Gemeinschaft entstammen, kommt das Wort vor, sondern etwa auch in der durch die Qumran-Funde erstmals bekannt gewordenen he­bräischen Überlieferung des Tobit-Buches. Der Lobgesang des Tobit (Tob 13,2–18) wird dort eingeleitet mit der Wendung: »Dann sprach Tobit und schrieb einen Psalm zum Lobpreis ( תחובשתב הלהת)«. Die LXX liest hier in einem Teil der Überlieferung (BA) »Und Tobit schrieb ein Jubelgebet (προσευχὴν εἰς ἀγαλλίασιν) und sagte …«; in dem anderen Teil (א) heißt es nur: καὶ εἶπεν. Auch in Psalmen aus den Qumran-Funden, die nicht in den kanonischen Psalter eingegangen sind, begegnet die Wortgruppe. So endet die »Apostrophe für Zion« mit der Aufforderung: »Sei hoch gebaut und weit, o Zion, preise (יחבש) den Höchsten, deinen Erlöser!« (11QPsa 22,14 f.). Und im Gebet um Errettung (»Plea for deliverance«) steht am Ende eines Gebetsabschnitts die Wendung: »Denn du, JHWH, bist mein Preis (יחבש), und auf dich habe ich alle Tage gehofft« (11QPsa 19,16 f.).
Exemplarisch zeigt sich schon an diesem einzigen hier ausgewählten Artikel, dass der Wortschatz und die sprachlichen Möglichkeiten der im weiteren Sinne ›biblischen‹ Sprache des Alten Testaments durch die Textfunde aus den Höhlen von Qumran ganz wesentlich erweitert und bereichert worden sind. Das Wissen darum und die Vertrautheit mit den Texten aus Qumran, und zwar nicht nur mit den schon seit vielen Jahren bekannten »großen« Schriften aus Höhle 1, sondern gerade auch mit den überaus vielfältigen, wenn auch leider oft nur fragmentarisch erhaltenen Texten aus den Höhlen 4 und 11, ist noch viel zu wenig verbreitet. Wer die ganze Bibel Alten und Neuen Testaments verstehen will und zur Grundlage gegenwärtiger Theologie erklärt, kann an diesen Texten nicht vorbeigehen, denn sie belegen in einzigartiger Weise, wie im frühen Judentum zur Zeit Jesu und des Neuen Testaments der Glaube Israels aktuell und lebendig zur Sprache gebracht werden konnte. Diesen Schatz für Bibelwissenschaftler, aber ebenso für alle an der Bibel Interessierten, die in der Lage sind, sich mit den biblischen Texten in den Ursprachen zu beschäftigen, erschlossen zu haben, ist das große Verdienst dieses dabei immer noch handlich gebliebenen Lexikons. Allen die dazu beigetragen haben, insbesondere den beiden Initiatoren und Projektleitern, gebühren einschränkungslos der Dank und die »Lobpreisung« der Nutzer.