Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

März/2018

Spalte:

197–198

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

Atkinson, Kenneth

Titel/Untertitel:

A History of the Hasmonean State. Josephus and Beyond.

Verlag:

London u. a.: Bloomsbury T & T Clark 2016. 208 S. = Jewish and Christian Texts, 23. Geb. US$ 122,00. ISBN 978-0-567-66902-5.

Rezensent:

Benedikt Eckhardt

Die Geschichte der Hasmonäer und des von ihnen im Judäa des 2. und 1. Jh.s v. Chr. errichteten Staates ist zwar seit langer Zeit Gegenstand zahlreicher Einzeluntersuchungen. Monographien zum Thema sind allerdings erst in den letzten Jahren erschienen, und es fehlt bislang an einer alle Aspekte berücksichtigenden Gesamtdarstellung auf dem aktuellen Stand der historischen Forschung. Kenneth Atkinsons Buch weckt hier Erwartungen: Anders als die meisten Studien verfolgt er die Geschichte der Hasmonäer bis zu ihrer endgültigen Entmachtung unter Herodes, und dies unter Berücksichtigung aller zur Verfügung stehenden Quellengattungen, zu denen neben der literarischen auch die numismatische und die archäologische Überlieferung gehören. Tatsächlich bereichert A. die Forschung um manche originelle Perspektive. Die im Titel angekündigte umfassende Ge­schichte des hasmonäischen Staates bietet er jedoch keineswegs.
Bereits die Einleitung (1–22) macht deutlich, dass A.s Forschungsinteresse sich weniger auf die Hasmonäer als auf Flavius Josephus richtet, dessen Werke für weite Teile der Hasmonäergeschichte die wichtigsten Quellen darstellen. Anstelle der üblichen historischen Einordnungen findet der Leser eine umfangreiche Einführung in Leben und Werk des Josephus vor. Auch die »Conclusion« (166–179) rekapituliert keineswegs den Inhalt der vorangegangenen Kapitel, sondern führt wiederum zu Josephus und seiner Art, Geschichte zu schreiben, zurück. Die Geschichte der Hasmonäer kommt in diesen Abschnitten lediglich am Rande vor; sie erscheint in erster Linie als Testfall für Überlegungen zur historischen Verlässlichkeit eines an-t iken Autors. Dieser Fokus erklärt drei auffällige Eigenschaften der historischen Darstellung. Erstens werden die prägenden, äußerst ereignisreichen Jahre zwischen dem Makkabäeraufstand und dem Tod Simons (168–135 v. Chr.) in nur einem Kapitel knapp präsentiert (23–46), was in deutlichem Missverhältnis zur Behandlung der späteren Hasmonäer steht. Der Grund dafür ist offensichtlich, dass für diese Zeit nicht Josephus, sondern die Makkabäerbücher die Hauptquellen darstellen. Zweitens ist das Buch rein ereignisgeschichtlich orientiert. Für eine Behandlung der Strukturen und Institutionen des Hasmonäerstaates, die man angesichts des Titels erwarten könnte, bleibt kein Raum; stattdessen geht es letztlich in allen Kapiteln darum, ob die Ereignisse so, wie sie Josephus erzählt, stattgefunden haben oder nicht. Drittens mündet die Darstellung immer wieder in chronologische Detailanalysen, die teilweise die Hälfte der Kapitel ausmachen und regelmäßig zu dem Ergebnis kommen, dass Josephus – teils marginale, teils gewichtige – chronologische Fehler be­gangen hat. Eine ausgewogene Darstellung kann so nicht zustande kommen, da einzelne Ereignisse, bei denen eine Korrektur der josephischen Chronologie durch numismatische oder andere Quellen möglich erscheint, unabhängig von ihrer Relevanz alle Aufmerksamkeit für sich beanspruchen.
Die chronologischen Analysen sind die Kernstücke des Buches, da A. hier immer wieder die verbreiteten Annahmen zur Rekonstruktion der Ereignisse hinterfragt. Die Qualität seiner Lösungen ist unterschiedlich. Manches ist zweifellos richtig, aber bereits bekannt (so vor allem die Datierung der Eroberung Idumäas und der Zerstörung des Tempel auf dem Garizim nicht 129 v. Chr., sondern 112/1 v. Chr., 67–76). In anderen Fällen wird man sich A.s Vorschlägen anschließen können, manche davon sind aber auch so spekulativ, dass sie sich kaum durchsetzen werden (etwa die vermeintliche Errechnung des Geburtsjahres des Hyrkanos I., 48). Häufig münden die Überlegungen in Schlussfolgerungen zur Glaubwürdigkeit und zur narrativen Strategie des Josephus, die teils erhellend, teils aber auch ihrerseits Glaubenssache sind. Die Prämisse, dass die persönliche Situation des Josephus im flavischen Rom die Darstellung der Hasmonäergeschichte wesentlich mitbestimmt habe (11), ist in diesem Zusammenhang besonders interessant, spielt aber in den allermeisten Analysen keine Rolle und wäre daher noch zu beweisen.
Der methodische Zugang erlaubt wenig stilistische Variation: Abgesehen von reißerischen Überleitungen zum jeweils nächsten Kapitel (über das »amazing life« des Hyrkanos S. 46, den »amazing Hasmonean monarch« Jannaios S. 99, die »remarkable Shelamzion Alexandra« S. 133) reiht sich allzu oft parataktisch ein knapper Satz an den anderen. Zahlreiche Druckfehler (doppelte Wörter, aber auch Namensverwechslungen und Fehler in den Jahreszahlen der Literaturangaben) stören den Lesefluss nicht unerheblich.
Studien zur Chronologie etwa der Feldzüge des Alexander Jannaios und zur Darstellungsabsicht des Josephus haben selbstverständlich ihre Berechtigung. Wer allerdings, etwa aufgrund von Klappentext und Titel, eine umfassende historische Auseinandersetzung mit dem Hasmonäerstaat erwartet, wird sie hier nicht finden.