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Ausgabe:

Dezember/2017

Spalte:

1344–1346

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Dvořáček, Jiří

Titel/Untertitel:

The Son of David in Matthew’s Gospel in the Light of the Solomon as Exorcist Tradition.

Verlag:

Tübingen: Mohr Siebeck 2016. XII, 258 S. = Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament. 2. Reihe, 415. Kart. EUR 79,00. ISBN 978-3-16-154094-3.

Rezensent:

Petr Mareček

Nachdem der Davidssohntitel im Matthäusevangelium schon einige Jahrzehnte lang Thema zahlreicher Monographien (C. Burger, 1970; L. Novakovic, 2003) und mannigfaltiger Aufsätze (J. M. Gibbs, 1963/1964; A. Suhl, 1968; J. D. Kingsbury, 1976; W. R. G. Loader, 1982; D. J. Verseput, 1995) zu verschiedenen Einzelaspekten ge­worden ist, widmet sich die von Jiří Dvořáček abgefasste Monographie, die die aktualisierte Version der im September 2008 erfolgreich verteidigten Dissertation an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Karls-Universität in Prag ist und die unter Ulrich Luz (Universität Bern), Jiří Mrázek (Karls-Universität in Prag) und Matthias Konradt (Universität Heidelberg) erarbeitet wurde, dem Gebrauch des messianischen Davidssohntitels im Matthäusevangelium. Das geschieht vor dem Hintergrund der zeitgenössisch jüdischen Vorstellungen mit Fo­kus darauf, wie die im Judentum verbreitete »Salomo-als-Exorzist-Tradition« – die Salomo, den Sohn Davids, als den großen Weisen, Kenner und Beherrscher der Geisterwelt ansieht – das Endporträt von Jesus als dem heilenden Messias gestaltet hat. Ob­wohl die im Judentum verbreitete »Salomo-als-Exorzist-Tradition« schon von mehreren Autoren in einen Zusammenhang mit dem Davidssohntitel in den Evangelien ge­bracht wurde (z. B. L. Fisher, 1968; E. Löverstam, 1974; K. Berger, 1973/1974; D. C. Duling, 1975; R. Hanig, 1993; J. M. Jones, 1994; S. H. Smith, 1996; W. Carter, 2000; L. Novakovic, 2003), liegt der Beitrag dieser Arbeit vornehmlich in der systematischen Bearbeitung der genannten Problematik im Matthäusevangelium, in dem am häufigsten der Davidssohntitel als Bezeichnung für Jesus vorkommt.
Schon der Aufbau der Arbeit lässt den durchdachten und folgerichtigen Ansatz gut erkennen. Die Monographie, die insgesamt 214 Seiten (außer der Bibliographie, des Stellenregisters, der antiken Quellen, des Autorenverzeichnisses und des Sachre-gisters) umfasst, gliedert sich in vier Kapitel. Das erste Kapitel der Arbeit, das die Einleitung (1–32) bildet, enthält die Problemstellung, Forschungsgeschichte mit Forschungsstand, Zielsetzung, Vorgehens­weise und Aufbau der Arbeit. Das zweite Kapitel (33–106) um­fasst zwei Hauptteile. Im ersten Teil werden wichtige jüdische, gnostische sowie heidnische Traditionen aus dem Zeitraum vom 1. Jh. v. Chr. bis zum 6. Jh. n. Chr. über Salomo erforscht. Salomo, der Sohn Davids, wird dabei als Exorzist und Krankenheiler dargestellt. Es werden folgende Texte untersucht: 1Kön 5,9–14; Sap Sal 7,15–21; 11QApPsa; Pseudo-Philo 60,3; Josephus Flavius Ant. 8,42–49; die wichtigen Texte aus Nag Hammadi; die bedeutsamen Stellen aus dem Testament Salomos; aramäische und griechische magische Texte. Als Ergebnis der Analyse wird präsentiert, dass sich im 1. Jh. n. Chr. die Bezeichnung »Sohn Davids« nicht nur auf den triumphal davidisch-königlichen Messias beziehen konnte, sondern auch, in­nerhalb des Kontextes des Exorzismus und der Heilung, auf Salomo, den Sohn Davids, der als Exorzist und Krankenheiler bekannt war. Der zweite Teil behandelt die messianischen Davidssohntexte, die aus dem Frühjudentum stammen. Es werden folgende Texte erforscht: Ps Sal 17 und 18; Qumran-Texte 4Q252, 4Q174, 4Q161, 4Q28; 4 Esra, das Schemoneh Esreh und der rabbinische Text b. Sah. 97a–99a. Am Ende jedes Teiles werden die Ergebnisse der sorgfäl-tigen Untersuchung zusammengefasst. Das zweite Kapitel wird dann mit einer kurzen Zusammenfassung beendet.
Im dritten Kapitel (107–207), das sich mit allen Texten des Matthäusevangeliums befasst, in denen der Davidssohntitel vorkommt (Mt 1,1; 1,2–17; 1,18–25; 2,1–12; 2,13–23; 9,27–31; 9,32–34; 12,22–24; 12,42; 15,21–28; 20,29–34; 21,1–17; 22,41–46), wird versucht darzustellen, wie der Evangelist Matthäus seine Quellen (vor allem Mk 10,46–52) und die königlich-messianische Tradition und die Tradition über Salomo als Exorzist und Krankenheiler bearbeitet hat und wie er die jüdisch-messianischen Erwartungen mit der politischen Ausrichtung auf der menschlichen Ebene umgestaltet hat. Nach Ansicht des Vf.s hat der Evangelist Matthäus mit Hilfe dieser Traditionen das Bild des barmherzig heilenden, messiani schen Königs, des Sohnes Davids, gezeichnet, der nicht nur an Sanftmut und Barmherzigkeit den triumphalen davidisch-königlichen Messias übertrifft, sondern auch an Weisheit sowie bei Heilungen und Exorzismen.
Bei der Auslegung der einzelnen Texte des Matthäusevangeliums mit Blick auf den Davidssohntitel werden die bedeutsamsten Probleme kurz und bündig behandelt. Obwohl der Vf. sich ohne Zweifel immer bemüht, eine klare Exegese und bedachtsame Interpretationen zu präsentieren, ist es dennoch möglich, ein paar Stellen zu entdecken, wo die Auslegung nicht ganz überzeugend ist. Beispielweise ist es zwar unbestreitbar, dass die Erzählung über die Huldigung der Weisen in Mt 2,1–12 mit der Salomotradition be­stimmte gemeinsame Motive hat, aber es ist nicht sicher, ob der Evangelist an dieser Stelle wirklich an Salomo denkt (138–140).
Im abschließenden vierten Kapitel (208–214) werden die Ergebnisse der Studie klar und deutlich zusammengefasst. Bei dieser Kurzzusammenfassung verdient der deutliche Hinweis des Vf.s ganz besondere Beachtung und Würdigung, dass die Auswirkung der »Salomo-als-Exorzist-Tradition« auf das Davidssohnbild des Matthäusevangeliums nicht den Einfluss der anderen Traditionen– die Gottesknecht-Tradition in Jesaja (Jes 53,4; 61,1; 29,18–19; 35,5–6) und die Tradition von David als Hirte in Ezechiel (Ez 34) – ausschließt (s. 214).
Bei der Abfassung der Monographie wurden die wichtigsten Kommentare zum Matthäusevangelium, die zahlreichen speziellen Fachmonographien und viele Aufsätze aus wissenschaftlichen Fachzeitschriften benutzt. Man kann beobachten, dass einige grundlegende Werke in englischer Übersetzung zitiert werden, z. B. R. Bultmann, Die Geschichte der synoptischen Tradition, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 71967; G. Dalman, Die Worte Jesu. Mit Berücksichtigung des nachkanonischen jüdischen Schrifttums und der aramäischen Sprache, Leipzig: J. C. Hinrichs’sche Buchhandlung, 21930; G. Kittel/G. Friedrich, ed., Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament, I–X/2, Stuttgart/Berlin/Köln: W. Kohlhammer, 1933–1979.
Die Textanalysen des Vf.s sind durchgängig methodisch re-flektiert, exegetisch wohlgeraten fundiert und gut theologisch durchdacht. Der Vf. zeigt sich sehr vertraut mit der frühjüdischen Literatur und ihrer Erforschung sowie mit dem Stand der neutes-tamentlichen Exegese außerhalb der Forschung des Matthäusevangeliums bis hin zu den Apostolischen Vätern.
Nach Meinung des Rezensenten handelt es sich bei der Untersuchung des Vf.s um eine gute und übersichtliche Bearbeitung der gewählten Thematik – der Gebrauch des messianischen Davidssohntitels im Matthäusevangelium im Kontext der zeitgenössischen jüdischen Vorstellungen mit besonderer Konzentration auf der im Judentum verbreiteten »Salomo-als-Exorzist-Tradition«. Der Beitrag dieser Monographie liegt vor allem darin, dass ihr Vf. diese Problematik systematisch, logisch und folgerichtig bearbeitet hat.