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Ausgabe:

Dezember/2017

Spalte:

1339–1340

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Tucker, Jr., W. Dennis, and W. H. Bellinger, Jr. [Eds.]

Titel/Untertitel:

The Psalter as Witness. Theology, Poetry, and Genre. Proceedings from the Baylor University – University of Bonn Symposium on the Psalter.

Verlag:

Waco: Baylor University Press 2017. XII, 204 S. Lw. US$ 49,95. ISBN 978-1-48130556-3.

Rezensent:

Beat Weber

Der vorzustellende Sammelband enthält die (überarbeiteten) Vorträge, die an einem dreitägigen Symposium im Mai 2013 in Waco, TX, gehalten wurden. Die Tagung war die erste dieser Art zwischen der gastgebenden Baylor Universität und der Universität Bonn mit dem Ziel der Interaktion zwischen US-amerikanischer und deutscher Psalmen- und Psalterforschung. Methodisch arbeitet Baylor stärker synchron, Bonn diachron. Über die Alttestamentler der beiden Universitäten hinaus waren weitere Personen eingeladen worden. Gewidmet ist der Band dem inzwischen verstorbenen Doyen der Bonner Psalmenforschung, Frank-Lothar Hossfeld. Er enthält zwölf Beiträge, die thematisch unter drei Abschnitte gegliedert sind. Ein Vorwort und ein Bibelstellenindex runden den Band ab.
Im Einzelnen sind dies: Theological Approaches to the Psalms: 1. W. H. Bellinger Jr., Poetry and Theology in the Psalms: Psalm 133, 3–14; 2. Nancy L. deClaissé-Walford, Feminine Imagery and Theology in the Psalter: Psalms 90, 91, and 92, 15–25; 3. Harry P. Nasuti, »Who Is Like the Lord Our God«: Theology and Ethics in the Psalms, 27–45; 4. Stephan Breck Reid, David and the Political Theology of the Psalter, 47–62; 5. Till Magnus Steiner, Spatial Theory and Theology in Psalm 46–48, 63–74. Theological Themes in the Psalms: 6. Johannes Schnocks, Human Transcience, Justice, and Mercy: Psalm 103, 77–86; 7. W. Dennis Tucker Jr., The God of Heaven in Book 5 of the Psalter, 87–99; 8. Johannes Bremer, The Theol­-ogy of the Poor in the Psalter, 101–116; 9. Frank-Lothar Hossfeld, The Elohistic Psalter: Formation and Purpose, 117–131; 10. Joel S. Burnett, The Elohistic Psalter: History and Theology, 133–151. Genre and Theology: 11. Egbert Ballhorn, The Psalter as a Book: Genre as Key to Its Theology, 155-169; 12. Rolf Jacobson, Genre, Theology, and the God of the Psalms, 171–189.
Für die näheren Inhalte muss auf die Essays selbst verwiesen werden. Wenige Bemerkungen müssen hier genügen. Wo ein einzel-ner Psalm (Bellinger: Ps 133; Schnocks: Ps 103) oder eine Serie bzw. kleine Gruppe (deClaissé-Walford: Ps 90–92; Steiner: Ps 46–48) in den Blick genommen wird, sind der Textumfang und die durch den Titel (und die Sektionen-Überschriften) angezeigten Akzente der Untersuchungen einigermaßen deutlich. Nasuti wendet sich Ps 113 in seinen Kontexten (Halleluja-Triade Ps 111–113 und Hallel- Gruppe Ps 113–118) zu und folgert: »Praise leads to practice, and practice is a form of praise.« (45) Reid beschäftigt sich mit David-König-Psalmen, insbesondere Ps 132. Nach ihm bestimmt die Gottesherrschaft die Königs- und Psaltertheologie. Sie wird aber durch die Herausgeber des Psalters revidiert: »They take the malleable-monarch metaphor and transform it in the postexilic period in the countermetaphor that undergirds an ideological criticism of imperial theologies.« (62) Tucker vertritt die These, dass gewisse Psalmen im Teilbuch V die Vorstellung von JHWH als »Gott des Himmels« adaptieren und erweitern. Auf diese Weise wird die frühere Aussage der Unbesiegbarkeit des Zions auf JHWH selbst verschoben und zugleich Gottes Nähe zu seinem Volk betont. Bremer referiert den (in seiner Bonner Dissertation breiter entfalteten) Stellenwert der »Armen« und skizziert Akzente, die eine »Armentheologie« in den unterschiedlichen Teilgruppen und entlang der fünf Teilbücher einnimmt. Sozio-ökonomische Zeitkontexte dürften für die Unterschiede (mit)veranwortlich sein.
Die Beiträge von Hossfeld und Burnett erörtern den »Elohistischen Psalter« (EPs: Ps 42–73). Nach H. stellt der EPs ein episodisch gebliebenes Zwischenstadium in der Psalterentstehung dar. Er geht auf die Namenstheologie der Asaphiten zurück, die zusammen mit ihren Psalmen den zweiten David-Psalter edierten (und rahmten). Der erste David-Psalter wird gegenüber dem zweiten von H. als älter beurteilt. B. notiert drei im EPs eingeschriebene theologische Akzente: die 1. Gottesnamen und -bezeichnungen (u. a. Präferenz für Elohim, vgl. Ps 66,5 // Deir Alla I,5), 2. die Suprematie von Israels Gott unter den Gottheiten (vgl. Ps 82,1 // Deir Alla I,5–6) und 3. das Gottesgericht auf Erden wie im Himmel (vgl. Ps 58,2–3; 75,3–4; 83,17–19). Ähnlich wie H. geht auch B. davon aus, dass die Asaphiten am Anfang und die Qorachiten am Ende des EPs standen. Der Beitrag von Ballhorn geht innerhalb dieses Bandes am konsequentesten von der Buchgestalt und der Sequenzialität ihrer Wahrnehmung aus. Dabei konzentriert er sich auf die Bucheröff nung Ps 1–3, denn »the opening is crucial for what the reader expects to gather from the text, which is precisely the function of an ouverture« (161). Er bilanziert:
»The ouverture of the Psalter initializes three different strategies of reading: psalms as doctrine (Ps 1), psalms as prophecy (Ps 2), and psalms as prayer (Ps 3) […] The Book of Psalms does not open as a prayer book but as a book of instruction, a book of wisdom. This changes the character of the whole collection. In its own specific way, it reaches torah, even if it means that torah ends with a prayer.« (168–169)
Im Schlussbeitrag plädiert Jacobson für eine Theologie der Psalmen im engeren Sinn, eine Gotteslehre. Als Beitrag dazu stellt er zum einen Überlegungen zum Topos von Gottes Unveränderlichkeit bzw. Beweglichkeit anhand der Bittgebete an, zum anderen solche zur göttlichen Erwählung anhand der Königspsalmen.
»It was argued that the God of the psalms can be moved to act both emo-tion­ally, by the oppression of the weak and arrogance of the oppressors, and rationally, via logical argument. It was also argued that the God of the psalms is a relational, electing God – a God who freely elected Israel to love and who surrendered some divine freedom both for the sake of the rela-tionship with Israel and for the sake of the divine purpose for Israel.« (189)
Der Sammelband ist allen an Exegese und Theologie Interessierten zu empfehlen. Der Austausch zwischen den Psalmenforschern von Baylor und Bonn hat – verstärkt mit weiteren, eingeladenen Per-sonen – im April 2017 eine Fortsetzung erfahren, dieses Mal in Bonn. Die Publikation der Beiträge ist in der Reihe BBB für 2018 geplant.