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Ausgabe:

Dezember/2017

Spalte:

1337–1339

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Snyman, S. D. (Fanie)

Titel/Untertitel:

Malachi.

Verlag:

Leuven: Peeters 2015. XIV, 192 S. = Historical Commentary on the Old Testament. Kart. EUR 60,00. ISBN 978-90-429-3170-1.

Rezensent:

Aaron Schart

Neben dem angegebenen Titel in dieser Rezension besprochen:

Noetzel, Jutta: Maleachi, ein Hermeneut. Berlin u. a.: De Gruyter 2015. X, 352 S. m. Abb. = Beihefte zur Zeitschrift für die alt-tes­tamentliche Wissenschaft, 467. Geb. EUR 99,95. ISBN 978-3-11-037269-4.


Maleachi, die letzte Schrift des Zwölfprophetenbuchs, hat in den letzten Jahren eine erhöhte Aufmerksamkeit in der Forschung erlangt. Fanie Snyman hat einen handlichen Kommentar in der Reihe »Historical Commentary on the Old Testament« geschrieben, der sich nicht an die Fachexegeten, sondern an biblisch gebildete Theologinnen und Theologen ohne Sprachkenntnisse richtet.
S. folgt dem traditionellen Aufbau eines Kommentars: Nach einer allgemeinen Einführung in die Schrift (1–17, Introduction), die die historische Situation, die Form, den Text, die Entstehung und die Theologie behandelt, folgt eine Auslegung der jeweiligen Textabschnitte. Diese Auslegungen wiederum beginnen jedes Mal mit einer eigenen Übersetzung, die leider nicht weiter kommentiert ist. Dann folgt eine allgemeine Übersicht über die kommentierte Passage unter dem Titel »Essentials and Perspectives«. Dieser Ab­schnitt spricht auch, knapp und vorsichtig, die aktuelle Relevanz an, wobei spezifisch schwarz-afrikanische Perspektiven, die man vielleicht bei einem südafrikanischen Kommentator erwarten würde, so gut wie keine Rolle spielen. Ungewöhnlich ausführlich wird die Frage behandelt, wie die Passage im Neuen Testament aufgenommen und meistens neu interpretiert wurde. Danach folgt eine »Scholarly Exposition« in zwei Schritten. Im ersten Schritt wird die Passage als Ganze thematisiert. Darunter fallen vor allem die Fragen nach Abgrenzung, Gliederung, Form (durchgehend sucht er nach sogenannten Antithesen, also formalen und semantischen Oppositionen, die den Text strukturieren, z. B. Jakob-Esau, Gott-Mensch, Gerechter-Frevler), Gattung (relativ häufig nimmt er Gattungsmischungen an) und nach dem historischen Ort. Im zweiten Schritt wird dann nach bewährtem Muster Vers für Vers und Wort für Wort der Text erklärt. Dies alles geschieht in einer sehr lesbaren Weise für eine Leserschaft, die der biblischen Ursprachen nicht mächtig ist.
Eine Aufgabe eines Kommentars ist es, die aktuelle wissenschaftliche Diskussion über die Texte lesergerecht aufzubereiten. Um die Lesbarkeit eines Kommentars zu erhalten, darf die Auseinandersetzung mit der wissenschaftlichen Literatur aber weder zu ausführlich noch zu differenziert sein. Jedes einzelne Wort ist aber in der Diskussion mit vielen Theorien und Spekulationen verknüpft. S. schafft es, solche Diskussionen auf wenige Punkte zu beschränken. In knapper, aber sehr gelungener Weise stellt er dann die verschiedenen Forschungspositionen mit ihren entscheidenden Stärken und Schwächen dar, so dass man als Leser dann selbst beurteilen kann, ob die Position, die am Ende S. selbst einnimmt, die beste ist. Erfreulicherweise werden auch deutsche Forschungsbeiträge wahrgenommen, z. B. der Kommentar von Rainer Kessler (2011), wobei die in Deutschland viel diskutierte Literarkritik weitestgehend außen vor bleibt. Literarische Nachträge werden nur in Mal 1,1; 3,1a; 3,22 und 3,23–24 angenommen.
Eine durchgehende Sinnlinie liegt darin, dass S. sehr sensibel ist, wenn es um weisheitliche Einflüsse geht. Der vielfach eher »legalis­tisch« interpretierte Maleachi, der ohne Rücksicht auf die ökonomischen und psychischen Notlagen der Menschen darauf beharrt, dass kultische Vorschriften erfüllt werden müssen, weil sie nun einmal in der Tora stehen und ihre Missachtung eine Verletzung der Ehre Gottes darstellt, gewinnt so einen weisheitlichen »Charakterzug«: Der Prophet beharrt zwar primär auf der Einhaltung der Gesetze und der Vorschriften, aber er bemüht sich doch hier und da um Einsicht und Zustimmung auf der Basis nachvollziehbarer Erfahrungszusammenhänge.
Von Jutta Noetzel stammt die Monographie »Maleachi, ein Hermeneut« (2015). Die Dissertation an der Theologischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg stellt faktisch einen Kommentar dar: Nach einer Einleitung (1–24) widmet sich der 2. Teil der »Prophetie im Zwölfprophetenbuch« (25–42). Im 3. Teil (43–80) wird die »Maleachischrift als Ganze« behandelt, wobei es vor allem um Gattungsfragen und die Struktur der Schrift geht. Teil 4 (81–239) kommentiert die »Diskussionsworte im Einzelnen«. Teil 5 (240–253) behandelt den »Epilog« Mal 3,22–24. Teil 6 (254–293) stellt die Redaktionsgeschichte der Maleachischrift zusammenfassend dar. Am Ende dieses Teils wird die Schichtung der Maleachischrift auf der Basis einer eigenen Übersetzung übersichtlich dargestellt (287–293). Der Schlussteil »Prophetie als Schriftauslegung« (294–304) widmet sich zwei Fragen, zum einen der Frage, in welcher Weise die Maleachischrift mit der als Autorität vorausgesetzten Tora um­geht, zum anderen mit der Frage, ob man mit Maleachi innerhalb der israelitischen Religionsgeschichte den Übergang von »primärer« zu »sekundärer Religion« verbinden kann. Diese Unterscheidung hatte Jan Assmann (»Mosaische Unterscheidung«) von Theo Sundermeier aufgenommen und in die alttestamentliche Forschung eingebracht (298).
Hermeneutische Fragen, wie es der Titel suggeriert, kommen nur am Rande vor. N. arbeitet dagegen mit großer Energie heraus, dass Maleachi ein sogenannter »Schriftprophet« in dem Sinne ist, dass er die Tora als verbindliche Autorität, sozusagen als scriptura sacra, »heilige Schrift«, voraussetzt, deren normierende Applikation auf die gegenwärtigen Zustände er vorantreibt; und zwar werden sowohl die Gesetze der Tora, insbesondere das Deuteronomium (z. B. der Zehnte in Mal 3,6–12), als auch die Erzählungen, insbesondere die Jakoberzählung (Antagonismus von Jakob und Esau in Mal 1,2–5), aufgegriffen.
N. legt in Teil 6 auch ein neues redaktionsgeschichtliches Mo­dell vor. Leider ist dieses Modell in der Einzelkommentierung nicht vorbereitet, so dass die argumentative Basis relativ schwach ist. N. nimmt vier Schichten an. Die Grundschicht umfasse nur die je­weils älteste Schicht des zweiten und fünften Disputationswortes, weil nur diese beiden eine gemeinsame Thematik teilten, nämlich die Abgabenpraxis am Tempel (272). Die Schicht habe einmal unabhängig vom Zwölfprophetenbuch existiert und die Verse Mal 1,6 (ohne םינהכ) 7b.8a.10bα; 2,2 (ohne 2bα); 3,7.10–12 umfasst. Die Schicht habe die Intention, das gesamte Volk zur Rückkehr zu einer den deuteronomischen Bestimmungen gemäßen Abgabepraxis (insbesondere des Zehnten) aufzurufen, worauf Gott mit dem Ausgießen des Segens antworten würde.
Die zweite Schicht, die N. lieber »aktive Lektüre I« nennt, habe die Grundschicht in das Zwölfprophetenbuch eingearbeitet und bei dieser Gelegenheit auch neue Disputationsworte eingefügt. Die neuen Passagen sind die Überschrift Mal 1,1 (ohne אשמ), im 2. Disputationswort die Zusätze Mal 1,7a.9aα.10–14 (ohne 10bα); 2,1.3–6.8–9; im dritten nur 2,13aβγb; im vierten 3,1a.3–5; im fünften 3,6.8–9, das sechste Disputationswort habe noch gefehlt. »Auf diese literarische Ebene gehören auch die תואבצ הוהי רמא-Formeln, die durch ihren Unterschied zur sogenannten Botenformel mit הכ das neue Verständnis der Prophetie zum Ausdruck bringen. Das Wort ergeht nicht mehr, Jhwh hat bereits gesprochen.« (280) Die Schicht gehöre noch in die Perserzeit.
Die 3. Schicht, bzw. »zweite aktive Lektüre«, habe mit dem ersten Disputationswort gegen Edom (Mal 1,2–5) und dem Wort über das Schicksal der Frevler und der YHWH-Fürchtigen (Mal 3,13–21) einen neuen Rahmen geschaffen und die Passagen Mal 1,9aßb; 2,2bα.(7); 2,10–12.13aα.14–16; 2,17; 3,1b.2; 3,13–21 (ohne 3,19bγ) eingefügt. Nur knapp angemerkt wird, dass diese Schicht mit Hilfe von Rückbezügen auf Hosea (z. B. durch die Vater-Sohn-Metaphorik in Mal 1,6), durch »die Wegmetaphorik, das Backofen-Motiv; die theologische Auseinandersetzung mit der Liebe Gottes, Heilungsmetaphorik« (281, Anm. 1150) das Zwölfprophetenbuch rahmend abschließen will. Zuletzt sei noch der Abschnitt Mal 3,22–24 hinzugekommen, der, was inzwischen Konsens ist, den Kanonteil der Propheten (Nebiim) abgeschlossen und mit dem ersten Kanonteil der Tora verbunden habe.
Noch zwei kleine Details zum Schluss. Die Herkunft der Autorin aus dem Osten Deutschlands erklärt wohl, dass N. es ablehnt, für das hebräische Wort עשר rāšāc den Begriff »Gottloser« zu ge­brauchen, weil das »wegen der verbreiteten Konfessionslosigkeit nicht möglich« sei (224). Freunde des Künstlers Paul Klee werden sich über die Interpretation von dessen Bild »angelus novus« freuen, das auch in guter Qualität abgebildet ist (Abb. 1).