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Ausgabe:

Dezember/2017

Spalte:

1334–1336

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Rückl, Jan

Titel/Untertitel:

A Sure House. Studies on the Dynastic Promise to David in the Books of Samuel and Kings.

Verlag:

Fribourg: Academic Press Fribourg; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2016. VII, 356 S. = Orbis Biblicus et Orientalis, 281. Geb. EUR 110,00. ISBN 978-3-7278-1800-4 (Academic Press Fribourg); 978-3-525-54407-5 (Vandenhoeck & Ruprecht).

Rezensent:

Michael Pietsch

Die vorliegende Untersuchung stellt die überarbeitete Fassung der Dissertation Jan Rückls dar, die von Martin Prudky´ (Prag) und Thomas Römer (Lausanne) betreut und im Herbst 2012 an der Universität Prag verteidigt worden ist. Sie fragt nach den soziopolitischen Diskursen, in denen die Ankündigung einer »ewigen Dynastie« für die Davididen eingebettet ist, und zieht daraus Konsequenzen für die literarische Formation der Vorderen Propheten resp. des »Deuteronomistischen Geschichtswerks«. Dazu unternimmt der Vf. eine eingehende Analyse der literarischen Struktur und narrativen Pragmatik des Dynastieorakels in 2Sam 7,1–17 (einschließlich des Gebets Davids in V. 18–29) und verwandter Texte in den Samuel- und Königebüchern (mit einem Anhang zum deuteronomischen Königsgesetz in Dtn 17,14–20).
Das erste – einleitende – Kapitel (1–16) skizziert knapp die leitende Fragestellung und erläutert die Anlage der Arbeit. Besondere Beachtung verdient hierbei die epistemologische Kritik der Etikettierung biblischer Texte als »deuteronomistisch«, die der Vf. in literatursoziologischer Hinsicht für problematisch erachtet, da weder tragfähige Kriterien für die Zugehörigkeit einzelner (Teil-)Texte zu dieser Textgruppe noch ein spezifisches soziologisches Milieu ihrer Tradentenkreise bestimmt werden könnten. Daher verwendet der Vf. die Designation »deuteronomistisch« in seiner Darstellung nur sehr restriktiv und im Sinne O. H. Stecks als Bezeichnung einer theologischen Strömung, deren Idiomatik sich die judäischen literati über Jahrhunderte hinweg bedienten. Eine präzisere literaturgeschichtliche Einordnung erlaube die Nomenklatur dagegen nicht. Dies hat nicht unerhebliche Konsequenzen für die vom Vf. vorgeschlagene Datierung der untersuchten Einzeltexte und ihres weiteren literarischen Zusammenhangs.
Das zweite Kapitel widmet sich einer textgeschichtlichen und narratologischen Analyse des Dynastieorakels in 2Sam 7 (17–191). Angesichts der kontroversen Debatte um die textgeschichtliche Priorität der griechischen Textform(en) in den Samuel- und Königebüchern listet der Vf. sämtliche Varianten der hebräischen und griechischen Textüberlieferung in 2Sam 7 (und im Parallelbericht 1Chr 17) auf und liefert teilweise einen ausführlichen textkritischen Kommentar, der die einzelnen Varianten in das literarische P rofil der jeweiligen Textform einzeichnet, um auf diese Weise ihren textgeschichtlichen Wert genauer bestimmen zu können (17–123). In kritischer Auseinandersetzung mit der jüngeren Forschung gelangt der Vf. zu dem Ergebnis, dass die masoretische Textform mit wenigen Ausnahmen den vermutlich ältesten überlieferten Textbestand in 2Sam 7 bezeugt. Über einzelne textkritische Entscheidungen des Vf.s kann man sicher streiten (z. B. bei der Streichung von לודג in V. 9b oder des Eigennamens לואשׁ in V. 15b), insgesamt bietet der Abschnitt jedoch eine gelungene Diskussion der teils komplexen Textgeschichte des untersuchten Teiltextes.
Nach einem kurzen Überblick über die wichtigsten Interpretationsmodelle, die in der jüngeren Forschung zum Verständnis der narrativen Pragmatik des Dynastieorakels und seiner soziopolitischen Einordnung entwickelt worden sind (123–131), diskutiert der Vf. den Einfluss der judäischen Königsideologie auf das strukturbildende Erzählkonzept in 2Sam 7 (131–148). Dabei arbeitet er zum einen den konstitutiven Zusammenhang zwischen der königlichen Fürsorge für die Heiligtümer und der Zusicherung stabiler, dynastischer Herrschaftsverhältnisse seitens der Götter im Alten Orient heraus, wie er für die davididische Dynastie beispielhaft in Psalm 132 entfaltet wird. Das davidische Dynastieorakel in 2Sam 7,1–17 dagegen löst diese konzeptionelle Verknüpfung auf, um den Herrschaftsanspruch der Davididen unabhängig vom Tempelkult zu legitimieren. »We have seen that, from the perspective of Ps 132, the dynastic promise to David was a reward for David’s merits for Yhwh’s sanctuary on Zion, while Yhwh’s presence on Zion guarantees the eternal survival of the dynasty. I would now like to suggest that 2Sam 7 attempts to refute both: according to this text, the dynastic promise was not a reward for the Davidides’ care of the sanctuary, and Yhwh never actually ›dwelled‹ on Zion« (148).
Die anschließende narratologische Analyse des Dynastieorakels schließt sich eng an die früheren Untersuchungen von J. van Seters und W. Oswald an. Der Vf. betrachtet den Text als literarisch kohärente Komposition, in der weder ältere, ›vordeuteronomistische‹ Überlieferungen noch spätere Nachträge identifiziert werden können. Die Kompositionsstruktur des Textes spiegelt die ihm eigentümliche Transformation herkömmlicher königsideologischer Le­gitimationsstrategien wider: In der Eingangssequenz (V. 1–3) wird bei den Adressaten eine an traditionellen Herrschaftskonzepten orientierte Erwartungshaltung aufgebaut, die in der dreiteiligen Gottesrede korrigiert wird (vgl. V. 4–16). Die rhetorische Frage in V. 5b betont den Gegensatz zwischen dem menschlichen ›Du‹ und dem göttlichen ›Ich‹, die den Duktus der Rede insgesamt bestimmt (vgl. V. 11b und das Gebet Davids in V. 18–29). Das Gewicht der Aussage liegt dabei auf der Kritik an einer Vorstellung vom Tempel als ›Wohnsitz‹ Jhwhs (vgl. H. Gese), die ihr Pendant im Konzept der Präsenz des göttlichen Namens im Heiligtum besitzt (V. 13a, vgl. die Vorstellung vom himmlischen Wohnort Gottes in 1Kön 8,27!). Die Zusage einer dauerhaften Dynastiebildung an das Haus Davids ergeht unabhängig vom Tempelkult als ein Akt der Erwählung der Davididen durch Jhwh (V. 11b–16). Das Motiv der Gottessohnschaft, das an Jhwhs Selbstverpflichtung gegenüber Israel anklingt, legitimiert den uneingeschränkten und zeitlich unbefristeten Herrschaftsanspruch der Davididen in Jerusalem (vgl. V. 14–16). Eine solche ›Apologie der Davididen‹ setze den Verlust ihrer politischen Vormachtstellung voraus, wie dies seit der neubabylonischen Zeit der Fall war. Die kritische Distanz zum Jerusalemer Tempel könnte auf eine Abfassung des Textes vor dem Auftreten Serubbabels (um 520 v. Chr.) hinweisen, doch sei eine spätere Ansetzung ebenfalls denkbar.
Sollten 2Sam 7,22–24 literarisch von Dtn 4 beeinflusst sein, wie der Vf. vermutet (vgl. 189–190), ergäbe sich für die Datierung des Dynastieorakels frühestens die fortgeschrittene Perserzeit. Die Verse 22–24 scheinen jedoch (ebenso wie V. 10–11a!) einen Nachtrag zu bilden. Die bestehenden Kohärenzstörungen im Text lassen sich nicht allein durch den Hinweis auf die königsideologische Verbindung zwischen dem Fortbestand der Dynastie und dem Wohlergehen des Volkes beiseiteschieben.
Die übrigen Referenzen auf das Dynastieorakel in den Samuel- und Königebüchern stehen sprachlich und gedanklich der Erzählung in 2Sam 7 nahe, so dass sich insgesamt die Einschätzung T. Veijolas bestätige, dass es keine Bezüge auf die Dynastiezusage an das Haus Davids aus vorexilischer Zeit gibt, selbst wenn der Vf. zu-gesteht, dass die ›Idee‹ einer solchen Konzeption im politischen Diskurs der staatlichen Epoche Judas plausibel wäre. Mit Ausnahme der konditionierten Rückbezüge auf das Dynastieorakel in 1Kön 2, 2–4; 8,22–26 und 9,1–9, die einer späteren Bearbeitung zugewiesen werden müssen, gehören die übrigen Textpassagen einer gemeinsamen literarischen Schicht an, die der Vf. als ›dynastic redaction‹ (DR) bezeichnet. Da sie konzeptionell den übrigen Dynastie- und Un­heilsorakeln gegen die Könige des Nordreiches (vgl. 1Kön 14,7–18; 15,27–30 u. ö.) und den Königsbeurteilungen in den Rahmenstücken der Könige-bücher verwandt sei (vgl. S. L. McKenzie, F. Blanco Wißmann), könne s ie mit der Erstverschriftung der Samuel- und Königebücher resp. mit ihrer kompositorischen Verklammerung in Verbindung ge­bracht werden (im Falle der Samuelbücher rechnet der Vf. mit älteren Quellen, die von der »DR« bearbeitet worden seien). Zwar kann die Tätigkeit dieser Redaktion nicht über die Samuel- und Königebücher hinaus nachgewiesen werden (Dtn 17,14–20 ist nach Ansicht des Vf.s ein jüngerer Zusatz), doch deute der erzählerische Horizont, den der Geschichtsrückblick in 2Sam 7,10–11a voraussetzt, auf einen weiteren literarischen Kontext hin (Ex–Kön?).
R. spielt noch ein zweites redaktionsgeschichtliches Modell durch, das mit einer doppelten »dynastischen Redaktion« rechnet, weil einige der untersuchten Textabschnitte auch im Zeitraum vor 520 v. Chr. denkbar wären (= DR 1, vgl. 2Sam 7,1–17; 1Sam 25; 1Kön 2,24.33.45; 11,29–39*; 15,4; 2Kön 8,19). Dagegen gehören 2Sam 7,18–29 (vgl. 2Sam 22; 23,1–7) und 1Sam 2,27–36 sicher in die Epoche des Zweiten Tempels, vielleicht an den Anfang des 5. Jh.s v. Chr. (= DR 2). Die Entscheidung gegen dieses Modell hat zwei Gründe: Zum einen gebe es keinen erkennbaren literarischen Bruch zwischen 2Sam 7,1–17 und 18–29, und die Texte der ersten Gruppe können auch in die spätere Perserzeit datiert werden. Zum anderen spreche das Argument der redaktionsgeschichtlichen Ökonomie gegen die Annahme zweier dynastischer Redaktionen in den Samuel- und Königebüchern. Ob ein soziopolitischer Diskurs, in dem die Rückkehr der Davididen an die Macht gefordert wurde, in der fortgerückten Perserzeit in Juda plausibel gemacht werden kann, ist je­doch höchst fraglich. Der Hinweis auf die Genealogie der Davididen in 1Chr 3, den der Vf. gibt, dürfte dafür kaum hinreichend sein.
Der gut lesbaren Studie, die durch eine Bibliographie beschlossen wird, sind Kurzzusammenfassungen in französischer und englischer Sprache beigegeben (Register fehlen hingegen).