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Ausgabe:

November/2017

Spalte:

1235–1238

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Junk, Karsten

Titel/Untertitel:

Der menschliche Geist und sein Gottesverhältnis bei Augustinus und Meister Eckhart.

Verlag:

Paderborn: Ferdinand Schöningh 2016. 320 S. = Augustinus – Werk und Wirkung, 5. Kart. EUR 44,90. ISBN 978-3-506-78481-0.

Rezensent:

Jana Ilnicka

Das Erscheinen dieses Bandes bietet der Öffentlichkeit ein Werk, das innerhalb der immensen Zahl an Monographien zu Augustinus und auch zu Meister Eckhart dennoch nicht übersehen werden darf, denn es ist eine der wenigen Arbeiten, die die Ansichten dieser beiden Gelehrten zum Thema des menschlichen Geistes und der Seele miteinander vergleicht. Augustinus, der die gesamte christliche Theologiegeschichte stark geprägt hat, ist auch für Eckhart eine der wichtigsten Quellen und Referenzfiguren, mit welcher er, in der Tradition der größten scholastischen Magister mit der höchsten Reverenz, aber gleichzeitig nicht unkritisch umgeht. Schon deswegen hätte es eigentlich in der Eckhartforschung naheliegend sein müssen, eine vergleichende Studie der beiden durchzuführen, und dennoch stellt dieses Buch einen der ersten Versuche dieser Art dar.
Die Studie von Karsten Junk besteht aus zwei großen Teilen, von denen der erste (15–189) Augustin und der zweite (191–290) Meister Eckhart gewidmet ist, und einem kurzen (291–294) zusammenfassenden Vergleichsergebnis. Diese Inhaltsstruktur vermittelt zu­nächst den Eindruck, als behandele der Vf. die beiden Autoritäten lediglich in einer historischen Sequenz, ohne einen realen Vergleich der beiden zu bieten. Doch dieser Eindruck trügt, denn die beiden großen Teile sind klug in eine parallele Struktur gebracht, so dass aufgrund dieser eine präzise Gegenüberstellung der Ansichten von Augustinus und Eckhart vor Augen geführt wird und eine detaillierte Vergleichung möglich gemacht wird. Jeder Teil besteht aus drei Kapiteln: Die Elemente der Metaphysik (Bildtheorie und Seinstheorie); die Seele (ihr Wesen und ihre Kräfte); die Seele als Bild Gottes. Darüber hinaus gibt es am Ende jedes Unterkapitels in beiden Teilen eine Zusammenfassung, die in dem ersten (augustinischen) Teil ganz kurz ist, während sie in dem zweiten (eckhartschen) Teil immer einen ausführlichen Vergleich mit dem entsprechenden Unterkapitel des augustinischen Teils beinhaltet. Dies alles ermöglicht einen kohärenten Einblick in das gewählte Thema bei beiden Gelehrten.
Andererseits besteht eine besondere Schwierigkeit eines Vergleiches von zwei großen und 800 Jahre voneinander entfernt lebenden Figuren der Theologiegeschichte darin, dass man sich entscheiden muss, entweder eine rein typologische Analyse der Gedanken (mit ihren Gemeinsamkeiten und Differenzen) durchzuführen, oder aber eine Rezeptionsgeschichte von Ideen zu rekonstruieren. Die erste Herangehensweise ermöglicht eine klare Gegenüberstellung der beiden Autoren, gleichwohl führt sie auch zu einer gewissen Überinterpretation ihrer Ansichten, da der jeweilige historische Kontext nur stark reduziert dargestellt werden kann; die zweite Herangehensweise präzisiert die Ansichten, entfernt die Denker jedoch voneinander, was gerade der Absicht des vorliegenden Werkes entgegensteht. Der Vf. wählt den ersten Weg, womit manche Details in der Darstellung Eckharts vereinfacht werden – so etwa in der diachronen Kontextualisierung (z. B. bei der eckhartschen Theorie vom Sein [198–201] ist es nicht überflüssig, daran zu erinnern, dass die Behandlung dieses Themas nicht direkt in Auseinandersetzung mit Augustinus, sondern mit der gleich vor Eckhart ausgebrochenen Diskussion gegen Heinrich von Gent verbunden ist), wie auch in dem synchronen Durchgang (z. B. es wird nicht erwähnt, dass Ähnlichkeit und Gleichheit [197] zusammen mit den anderen zwei Beziehungen – Identität und Andersheit – von Eckhart und seinen Zeitgenossen insbesondere an der Pariser Universität heftig diskutiert worden sind, wie man etwa in den Werken des Johannes Duns Scotus, Prosper de Reggio Emilia u. a. ablesen kann). Die wenigen Ausnahmen werden in diesem Band für Johannes Damascenus, Avicenna, Averroes und Maimonides gemacht, dessen Ansichten als Quelle für Eckhart erwähnt sind.
Nichtsdestoweniger stellt das vorgelegte Werk einen wichtigen Beitrag zur Eckhartforschung dar und ist auch für die Augustinusforschung, die gerade in den vergangenen Jahren die Augustinusrezeption mit eingeschlossen hat, von Bedeutung. Auch wenn man der Meinung sein könnte, dass ein, wie hier vorgenommen, detaillierterer Vergleich der Ansichten Eckharts mit denen von Augustinus die Originalität der Denker minimiert, so zeigt doch der Vf., dass gerade in der Gegenüberstellung ähnlicher, wenn auch nuanc ierter Gedanken ein guter Ausgangspunkt für eine präzisere Be­schreibung von Rezeptionsprozessen erarbeitet wurde, um Eckharts Bearbeitung seiner Quellen und Augustinus’ Erbe besser zu verstehen. Was die Augustinusforschung angeht, bietet diese Studie ein Stück Wirkungsgeschichte, die auch der direkten Analyse neue Einblicke erlaubt.
Das Buch beinhaltet ein Literaturverzeichnis (295–320) mit Primärquellen zu Augustinus und Meister Eckhart, wie auch zu Platon, Aristoteles, Cicero, Vergilius, Plotin, Damascenus, Averroes, Avicenna und Maimonides und eine Bibliographie mit umfangreicher Sekundärliteratur, die u. a. zeigt, wie selten diese Aufgabe des Vergleiches der beiden großen Denker unter einem bestimmten Blickwinkel bisher unternommen worden ist, was wiederum die Bedeutsamkeit des vorliegenden Werkes unterstreicht.