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Ausgabe:

November/2017

Spalte:

1192–1194

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Steiner, Till Magnus

Titel/Untertitel:

Salomo als Nachfolger Davids. Die Dynastieverheißung in 2 Sam 7,11b–16 und ihre Rezeption in 1 Kön 1–11.

Verlag:

Göttingen: Bonn University Press bei V & R unipress 2017. 405 S. = Bonner Biblische Beiträge, 181. Geb. EUR 55,00. ISBN 978-3-8471-0666-1.

Rezensent:

Georg Hentschel

Im einleitenden Forschungsüberblick (13–28) dieser Dissertation an der Katholisch-Theologischen Fakultät Bonn wendet sich Till Magnus Steiner zunächst der »Gottesrede« (2Sam 7,5–16) bzw. der »Dynastieverheißung« (7,11b–16) zu. Darin ist die Ankündigung des Tempelbaus (V. 13a) nach wie vor umstritten. Gehört V. 13a zu einer »individualisierten Neuinterpretation« (M. Pietsch) oder soll damit die Tempelkritik (V. 6.7) korrigiert werden (P. Kasari)? V. 13a erweist sich als der »Knackpunkt« der Exegese von 2Sam 7. Innerhalb der Rezeption der Dynastieverheißung in 1Kön 1–11 fällt die bedingte Unaufhörlichkeitsformel (1Kön 2,4; 8,25; 9,4–5) auf, die den Fortbestand der Dynastie Davids von der Einhaltung des Gesetzes abhängig macht. Ist sie geschaffen worden, um aus der Perspektive des Exils den Untergang der davidischen Dynastie zu erklären? Unterscheidet sie sich von der Zusage, dass David in Jerusalem eine Leuchte erhalten bleibt (1Kön 11,36; 15,4; 28,19)? Für die weitere Diskussion bietet S. folgende Thesen an: 1. Die Gottesrede in 2Sam 7,5–16 ist ein einheitlicher Abschnitt, »der in der Dynastieverheißung in V. 11b–16 eine Blaupause für die Regierungszeit Salomos bietet«. 2. »Die bedingte Unaufhörlichkeitsformel dient nicht zur Entwicklung eines negativen Salomo-Bildes vor 1Kön 11«, sondern interpretiert 2Sam 7,13b–16. 3. Die bedingte Unaufhörlichkeitsformel und die Zusage einer »Leuchte« ( nîr) gehören zu einem vorexilischen Verweissystem auf die Dynastieverheißung in 2Sam 7,11b–16 (28).
Der zweite Teil widmet sich der Gottesrede in 2Sam 7,5–16 (29–113). S. setzt sich kritisch mit den Argumenten auseinander, die bislang für den späten Einschub von V. 13a ins Feld geführt worden sind. Der Samen, der aus dem Innersten Davids hervorgeht (vgl. Gen 15,4), »muss« auf den unmittelbaren Nachfolger bezogen werden. Salomo kann mit dem Bau des Tempels erst beginnen, nachdem er Davids Nachfolger geworden ist (V. 12b). Er wird dafür mit einem dauerhaften königlichen Thron belohnt (V. 13b). V. 13a ist also »ein organischer und essentieller Bestandteil der Gottesrede in 2Sam 7,5b–16« (60). S. weist auch zu Recht darauf hin, dass sich die Einwände gegen einen Tempel in V. 6 und 7 auf Verhältnisse in der Vergangenheit – Exodus und Richterzeit – beziehen. »Warum darf David den Tempel nicht bauen und Salomo doch?« (66) Nach 1Kön 5,17 hat David des Krieges wegen den Tempel nicht errichten können. Verfügt er hier schon über die nötige Ruhe, wie 2Sam 7,1b anzudeuten scheint? Da S. allerdings die w-qatal-Formen in V. 9b–11a als Formen des Futurs versteht, tritt die wirkliche Ruhe erst später ein (V. 11a). Ist damit aber die Frage beantwortet, warum erst Salomo den Tempel bauen darf? In der Gottesrede stehen sich jene Sätze gegenüber, die sich durch den betonten Gebrauch des Personalpronomens auszeichnen und die nach S. zusammengehören (V. 5b und 13a): »Wirst du mir ein Haus bauen, dass ich darin wohne?« (V. 5b) »Er wird ein Haus bauen für meinen Namen.« (V. 13a) Es ist eine souveräne Entscheidung Jhwhs, nachdem Natan David bereits eine »Handlungserlaubnis« erteilt hatte. »Hauptgegenstand der Gottesrede in V. 5–16 ist nicht der Tempelbau, sondern die Verheißung der Dynastie« (91). Sie beschränkt sich auf die V. 11b–16. Dabei fällt auf, dass sich V. 11b gar nicht so gut in die Gottesrede einfügt, weil Jhwh nicht selbst spricht, sondern über ihn gesprochen wird (94). S. wehrt sich aber zu Recht gegen Änderungen in V. 11b. Was V. 11b beinhalte, das sei in V. 16 »ausformuliert« (96). In V. 16 erhalte »David selbst« eine unbedingte Verheißung (110). In V. 12–15 ergehen die Verheißungen dagegen an Salomo. Das sei zwar eine »theologische Spannung«, aber keine literarkritische. »V. 12–15 geben den Modus an, in dem sich die Aussagen aus V. 16 verwirklichen.« »V. 16 ist keine zusätzliche Verheißung, sondern bildet die Grundlage für V. 12–15.« (110)
Um das System der Rückverweise auf die Dynastieverheißung in 1Kön 1–11 untersuchen zu können, klärt S. in einem kurzen dritten Teil (115–121), was ein »Rückverweis« ist. Er sieht darin »eine Un-terkategorie von Intertextualität« und entscheidet sich für eine »author-oriented« Intertextualität. Sie ist diachron reflektiert. Ein Rückverweis deckt Zitate, Interpretationen, Paraphrasen und An­spielungen ab.
Da »2Sam 7,11b–16 bzw. 12–15 die Blaupause für das Königtum Salomos darstellen« (123), untersucht S. im vierten Teil die Rückverweise (123–344). Der Leser erwartet von 2Sam 7 her, was er in 1Kön 1–11 antrifft: Davids Sohn wird König, festigt seine Herrschaft, baut den Tempel, wird aber am Ende für seine Verfehlungen bestraft. In 1Kön 1–2 beruft sich Salomo in seinem Urteil über Adonija auf die Verheißung Jhwhs, der ihm ein Haus errichtet hat (2,24). Joab muss sterben, aber dem Samen, dem Haus und dem Thron Davids soll für immer Heil beschieden sein (2,33b). Auf das Urteil über Schimï folgt ein Segensspruch (2,45), der auf 2Sam 7,16 zurückverweist. »2Sam 7,12b verwirklicht sich dadurch, dass Salomo Adonija, Joab und Schimï tötet.« (228) Gegenüber Hiram beruft sich Salomo auf die Ankündigung des Tempelbaus (5,19). Nachdem Salomo das Haus für den Namen Jhwhs gebaut hat, führt er erneut seine Inthronisation auf Jhwh zurück (8,19–20). Die bedingte Unaufhörlichkeitsformel (2,4; 8,25; 9,4–5) weist freilich darauf hin, dass Thron und Königtum davon abhängen, wie sich die »Söhne Davids« verhalten. Als die Schuld Salomos übermächtig wird, bleibt den Nachfolgern nur noch eine »Leuchte« um der erwählten Stadt Jerusalem willen (11,36;15,4; 2Kön 8,19).
Entsprechen die Rückverweise dem vorgegebenen Text in 1Kön 1–11, wie S. meint? Die Frage stellt sich besonders in 1Kön 2. Denn darin rechnet Salomo scharf mit der Gegenpartei am Hof ab. Adonija hilft es nicht, dass Batseba für ihn eintritt (2,19–25). Joab wird auf Salomos Befehl am Altar erschlagen, obwohl Benaja zunächst davor zurückgeschreckt ist (2,28–34). Die Art und Weise, wie Salomo Schimï behandelt (2,36–46), hinterlässt selbst bei S. »einen schalen Nachgeschmack« (227). Die Rückverweise gehören offenbar zu einer jüngeren Legitimation Salomos.
S. spricht sich entschieden dafür aus, dass 2Sam 7,1–17 von An­fang an »als Einheit verfasst« worden sei und »keine Überarbeitungen« erkennen lasse (368). Es ist zweifellos verdienstvoll, dass S. die enge Beziehung zwischen V. 5b und 13a erkannt und verteidigt hat. Allzu lange hat man V. 13a als jüngere Zutat bezeichnet. S. hat ebenso dazu beigetragen, die Begrenzung der Strafe Salomos in 2Sam 7,15b besser zu verstehen, indem er auf die Rede Jhwhs in 1Kön 11,11–13 und auf das Ende des Ahija-Orakels (11,36–39) hingewiesen hat. Enthielt die Gottesrede (2Sam 7,5–16) aber immer schon eine beschränkte Strafe für Salomo? Weiter lässt sich fragen: Warum erhebt Jhwh gegenüber David wiederholte Einwände gegen ein festes Haus (7,6.7), wenn Salomo dann doch ein solches Haus bauen soll (7,13a)? Man möchte auch gern wissen, warum am Ende nicht Salomo, sondern David die Verheißungen eines beständigen Hauses, der Königsherrschaft und eines »ewigen« Thrones erhält (2Sam 7,16), obwohl er doch den Tempel gar nicht bauen darf. Das wird m. E. erst verständlich, wenn man hinter der Gottesrede ein Ge­spräch zwischen David und Natan entdeckt, in dem David den Propheten befragt und von ihm nicht nur eine »Handlungserlaubnis« erhält (2Sam 7,1a.2.3), sondern auch eigene Verheißungen (7,11b.16).
S. ist aber auf jeden Fall für eine tiefschürfende Analyse zu danken. Er hat die Natanverheißung nicht isoliert betrachtet, sondern sie mit ihrem wichtigsten Kontext verglichen und sich intensiv mit der überaus reichen Literatur auseinandergesetzt.