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Ausgabe:

Oktober/2017

Spalte:

1100–1102

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Könemann, Judith, Sajak, Clauß Peter, u. Simone Lechner

Titel/Untertitel:

Einflussfaktoren religiöser Bildung. Eine qualitativ-explorative Studie.

Verlag:

Wiesbaden: Springer VS Verlag für Sozialwissenschaften 2017. IX, 219 S. m. 1 Abb. Geb. EUR 39,99. ISBN 978-3-658-13757-1.

Rezensent:

Friedrich Schweitzer

Diese von der Deutschen Bischofskonferenz angeregte katholische Untersuchung versteht sich als Beitrag zur Frage der Wirksamkeit und Nachhaltigkeit religionspädagogischer Arbeit, mit Schwerpunkten bei der Identifikation entsprechender Kriterien sowie verschiedenen Lernorten. Sie soll zugleich als eine Pilotstudie verstanden werden, der eine »umfassende empirische quantitativ und qualitativ ausgerichtete Studie« folgen kann (VI).
In der Einleitung (1–4) wird das Vorhaben begründet und die Absicht beschrieben, die Frage nach Wirksamkeit und Nachhaltigkeit mit Hilfe der empirischen Bildungsforschung zu klären. Das Vorhaben ist auf Religionsunterricht und Gemeindekatechese be­schränkt, während Familie, Kindergarten und kirchliche Ju­gendarbeit nicht gleichermaßen beachtet werden. Durchweg zeigen sich die Vf. der Tatsache bewusst, dass Kausalitäten im Sinne eines Ursache-Wirkungs-Schemas hier kaum identifiziert werden können (4).
Der Aufbau ist transparent: Teil I fragt nach Zieldimensionen religiöser Bildung und Möglichkeiten der Erfassung ihrer Effekte (7–40). Teil II beschreibt die Anlage der Studie und bietet zwölf knappe Fallporträts zu den Befragten (41–80). Teil III berichtet die Ergebnisse nach Lernorten, bietet eine Zusammenfassung und mündet in ein Modell zur »Nachhaltigkeit und Wirksamkeit religiöser Bildung« (81–194). Im Anhang werden Interviewleitfaden, Kurzporträts und biographische Schemata geboten (201–219).
Zieldimensionen werden aus lehramtlichen Äußerungen ge­wonnen sowie anhand vorliegender empirischer Untersuchungen aus Zielvorstellungen von Religionslehrkräften (eine parallele Darstellung zum gemeindlichen Bereich war nicht möglich, da es hier an empirischen Vorarbeiten fehlt). Aus evangelischer Sicht wäre an dieser Stelle darüber hinaus ein Zugang aus religionspädagogisch-theoretischer Sicht sinnvoll gewesen.
Die Vf. stützen sich auf die empirische Bildungsforschung, bei der sie allerdings kaum Untersuchungen zur Wirksamkeit oder Nachhaltigkeit wahrnehmen (29) – was insofern erstaunt, als hier etwa die PISA-Untersuchungen zu nennen wären. Grundsätzlich ist den Vf. aber zuzustimmen, dass die Frage nach Wirksamkeit und Nachhaltigkeit im Blick auf religiöse Bildungsprozesse nicht einfach durch eine Übertragung allgemeiner Forschungsansätze bearbeitet werden kann.
Konkret entscheiden sich die Vf. für leitfadengestützte Interviews. Die Erinnerung an verschiedene Lernorte und die damit verbundenen Emotionen sollen als Indikator für die nachhaltige Wirksamkeit angesehen werden (41). Befragt wurden zum einen Schülerinnen und Schüler am Ende ihrer Schullaufbahn, zum anderen junge Erwachsene im Beruf oder am Ende ihres Studiums (42). Zwölf Interviews liegen der Studie zugrunde, wobei es »nur begrenzt« gelungen sei, auch solche Interviewpartnerinnen und -partner zu gewinnen, die »nicht weiter kirchlich-religiös engagiert sind«. Insofern komme der sogenannte »Normalfall« weniger in den Blick (46).
Für alle erfragten Lernorte – Religionsunterricht, Kommunionvorbereitung, Firmvorbereitung, ehrenamtliches Engagement, weitere Einflussfaktoren – lassen sich im Sinne der genannten Kriterien entsprechende Einflüsse erheben. Auffällig ist allerdings, dass besonders ein eigenes Engagement nachhaltige Einflüsse auszuüben scheint. Das gilt ebenso für Messdiener und Messdienerinnen (106) wie für andere Formen ehrenamtlichen Engagements (133 ff.). Dessen Bedeutung war zunächst nicht im Blick gewesen. Umso eindrücklicher ist das Ergebnis, dass die »Messdienerarbeit wohl zu einem der zentralen Orte explizit religiöser Jugendarbeit überhaupt geworden ist« (186).
Entfalten die religionspädagogischen Angebote also die erwartete Wirksamkeit? Das Modell der Vf. legt eine differenzierte Antwort nahe. Vor allem drei Parameter müssen zusammenkommen: die an den Lernorten tätigen Personen müssen überzeugend und die Inhalte interessant sein, wobei die methodische Ausgestaltung den Erwartungen der Kinder und Jugendlichen entgegenkommen muss (192). Dieses Ziel wird zum Teil mehr und zum Teil weniger erreicht.
Ohne Zweifel handelt es sich um eine zukunftsweisende Studie, die auch im evangelischen Bereich Beachtung verdient. Die Frage nach Wirksamkeit und Nachhaltigkeit stellt sich nicht nur in der katholischen Kirche. Insofern ist es erstaunlich, dass umgekehrt die in vieler Hinsicht parallelen evangelischen, bereits längsschnittartig angelegten Untersuchungen zur Konfirmandenarbeit hier kaum wahrgenommen werden.
Die von den Vf. gewählte Vorgehensweise leuchtet ein, insbesondere als Pilotstudie. Im Rahmen einer größer angelegten, also auch quantitativen Untersuchung ließen sich weitere Fragen stellen, die dann auch über die subjektiven Erinnerungen der Befragten hinausführen. Eine längsschnittlich angelegte Untersuchung könnte etwa der Frage nachgehen, wie sich Erfahrungen beispielsweise im frühen Jugendalter dann tatsächlich auch später auswirken usw. Unmittelbare Kausalitäten, darin ist den Autoren sicher rechtzugeben, werden sich auch dann nicht identifizieren lassen. Weitere Schritte zur Klärung möglicher Kausalitäten wären aber gewiss sinnvoll. Dafür liefert die Studie wichtige Voraussetzungen.