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Ausgabe:

Oktober/2017

Spalte:

1014–1019

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Ed. by. W. J. Jenkins, M. E. Tucker, J. Grim.

Titel/Untertitel:

Routledge Handbook of Religion and Ecology

Verlag:

London: Routledge (Taylor & Francis Group) 2016. 462 S. m. 7 Abb. = Routledge International Handbooks. Geb. £ 175,00. ISBN 978-1-138-78957-9.

Rezensent:

Konrad Ott

Das Handbuch ist in sieben Teile gegliedert und enthält 43 Artikel. Die Teile sind überschrieben mit I: »Introducing religion and ecology«, II: »Global traditions«, III: »Indigenous cosmovisions«, IV: »Regional landscapes«, V: »Nature spiritualities«, VI: »Planetary challenges«, und VII: »Disciplinary intersections«. Die Autorinnen und Autoren gelten ausnahmslos als renommierte Fachvertreter. Das Handbuch weckt hohe Erwartungen, aber schon auf einer formellen Ebene wird man stutzig. Die Zuordnungen der Artikel zu den Teilen sind nicht immer stringent; es fehlen systematische Querverweise, wie sie für Handbücher üblich sein sollten. So beziehen sich Artikel 4 »Hinduism« und 18 »India« ebenso wenig aufeinander wie die Artikel 6 »Confucianism« und 19 »China« und die (gleichnamigen) Artikel 17 und 20 »Latin America«. Seltsam ist, dass einige Artikel im Unterschied zu der Mehrzahl ungegliedert sind (Nr. 11 »Mormonism«, Nr. 36 »History«, Nr. 37 »Literature«).
Das Handbuch kann auf zwei Ebenen studiert werden. Einmal hinsichtlich der Arten und Weisen, wie Vertreter eines bestimmten, stark US-amerikanisch geprägten akademischen Milieus das Thema sprachlich, methodisch und konzeptionell behandeln. Dieses Milieu zeichnet sich aus durch a) eine Besorgnis hinsichtlich der Naturkrise, die der Rezensent teilt, b) eine Prägung durch »post-kolonialistische« Diskurse und durch »critical studies«, c) eine Orientierung an der angelsächsischen Literatur (europäische Literatur fehlt fast vollständig) sowie d) eine Aufgeschlossenheit gegenüber dem Phänomen von Religion und Spiritualität. Viele Artikel behandeln das Akteursnetz innerhalb dieser Diskurse, wobei immer wieder die Pluralität der Ansätze hervorgehoben wird. Auf der zweiten Ebene geht es um die »Sache selbst«, d. h. um die Rekonstruktion und Neudeutung unterschiedlicher Formen von Religiosität hinsichtlich ihres Naturverständnisses. Es geht weiterhin um die Be­züge zu realen Herausforderungen (Teil VI) und um Querbezüge zu anderen Wissenschaften (Teil VII).
Wer sich primär für die erste Ebene interessiert, kommt voll auf seine Kosten; wer sich primär für die zweite Ebene interessiert, wird unterschiedliche Artikel unterschiedlich beurteilen müssen. Die vorliegende Rezension ist selektiv. Sie behandelt den einleitenden Teil, die Artikel zu den drei abrahamitischen Religionen und einige Artikel, hinsichtlich deren Beurteilung der Rezensent sich kompetent fühlt. Was aber generell auffällt, ist ein hoher Sprachgestus, der auffallend kontrastiert mit der mangelnden Bereitschaft, Be­griffe zu definieren. Mehrheitlich werden Wertungen, moralische Prinzipien und politische Feindbilder vorausgesetzt, es wimmelt v on ablehnenden Äußerungen zu »capitalism«, »exploitation«, »do­mination«, »suppression«, »alienation«, »harrassment« usw. Ein Bei­spiel für viele: »Spiritual ecology can provide critiques […] regarding the exclusively anthropocentric, dualistic, materialistic, re­ductionist, mechanistic, utilitarian, consumerist, and economistic worldview« (Nr. 23 »Spiritual Ecology« von Leslie Sponsel, 222). In solchen generellen Ablehnungen ist sich das Handbuch ohne nähere Analysen einig. Einig ist man sich auch darin, dass sich vieles wandeln müsse (»worldviews, values, attitudes, behaviors, and institutions«; 221) und den Religionen hierbei eine wichtige Rolle zufällt. Es sei erwähnt, dass »klassische« Standardwerke wie etwa Glackens »Traces on the Rhodian Shore« oder Schamas »Landscape and Memory« in keinem Artikel erwähnt werden.
Drei einleitende Artikel bereiten die Bühne vor. Marie Evely Tucker und John Grim, Protagonisten des Diskurses über Religion und Naturkrise, kritisieren das cartesianische Naturverständnis der Moderne als ein »objectified monetized worldview« (5). Im Anschluss an diese Kritik findet sich die folgende Frage: »Can the religions provide leadership into a synergistic era of human-Earth relations characterized by empathy, regeneration, and resilience« (6)? Gefordert wird eine neue Ethik der Religionen, die sich gegen »biocide, ecocide, and geocide« (7) richten können sollte. Ob es sich bei der Frage nach »leadership« um ein verfehltes Verständnis von Religion handeln könnte, bleibt unreflektiert. Tucker/Grim bieten drei konzeptionelle Ansätze an: »retrieval, reevaluation and reconstruction« (7). »Retrieval« bezieht sich auf klassische hermeneutische Exegese, »reevaluation« auf eine Neubewertung von Religionen unter der Frage, ob diese angemessen seien »for shaping more ecologically sensitive attitudes and sustainable practices« (8). »Re­construction« bezieht sich auf die Frage, ob und inwieweit die Religionen ihre Lehren an »current circumstances« kreativ anzupassen vermögen. Diese Dreiteilung findet sich in den Artikeln sporadisch wieder. Vielleicht hätten die Herausgeber in dieser Hinsicht stärkere Vorgaben zur Gliederung der Artikel machen sollen. Man gewinnt eher den Eindruck, dass die Herausgeber den Autoren (zu) viele Freiheiten bei der Behandlung des Themas, der Begrifflichkeit und der Gliederung der Artikel belassen haben. Die Gefahr dabei ist, dass ein Handbuch zu einem Sammelband wird.
Der zweite Artikel (»Developments in religion and ecology«, Sigurd Bergmann) spricht eine Fülle von Themen an. Bergmann greift u. a. die Kreuzigung Christi als globale Metapher auf: »Who is crucified? What in fact is the cross? Where does the anthropogenic Via Dolorosa lead?« (15). Bemerkenswert ist, dass der Theologe Bergmann von dem »historical event of God’s own crucifixation in Christianity« spricht (ebd.). Merkwürdig erscheint das Lob eines »neo-animisms«, für den alle Entitäten einschließlich kultureller Artefakte (»animated artefacts«, 16) geistig beseelt sind mit der an­schließenden Kritik der Fetischisierung von Technologie. Wäre nicht ein Neoanimismus eine extreme Form der Fetischisierung von Artefakten? Bergmann setzt weiterhin den »spatial turn of religion« mit den Flucht- und Migrationsbewegungen in Beziehung und en­det mit folgenden Fragen: »Will we ever come home? […] And what change might religion itself bring for a new ›topophilia‹ […]. Can it foster love toward the earth?« (18). Zuletzt bestimmt Bergmann Religion als »skill of both perception and action« (19). Diese Bestimmung führt zuletzt zu einer Pathosformel, die ratlos lässt. Weniger, aber vertiefende Analysen (etwa zu »spatiality«) wären besser gewesen.
Der dritte Artikel (Nr. 3 »Whose religion? Which ecology?, Willis Jenkins) greift drei Thesen von Tucker und Grim auf. Die Thesen lauten: »i) religious worldviews are significant for environmental behavior, iii) scholars should critically engage religious traditions with ecological values […] and iii) that environmental crises are also cultural crises of a religious depth« (25). Jenkins kritisiert die Begrifflichkeit dieser Thesen. Welcher Religionsbegriff wird in der ersten These vorausgesetzt? Welche Verpflichtungen erwachsen aus welcher Deutung der zweiten These? Welcher Ökologiebegriff ist gemeint? Hinsichtlich des Begriffes von Ökologie unterscheidet Jenkins fünf Verwendungsweisen. Von der naturwissenschaftlichen Ökologie bis zu einem subversiven, ethisch gehaltvollen Welt-bild darf offenbar alles vertreten werden. Irgendwie ist Ökologie »entangled« (das Wort taucht im Artikel häufig auf) mit »questions of a religious depth« (31). Der Relativismus hinsichtlich des Ökologiebegriffs kontrastiert dem an der wissenschaftlichen Ökologie ausgerichteten Artikel Nr. 43 »Ecology« von Nalini Nadkarni. Ein Querverweis fehlt. Auffallend ist nicht nur in diesem Artikel, wie unreflektiert der Ausdruck »worldview« gebraucht wird.
Es wäre für die Ziele eines Handbuches insgesamt sinnvoller gewesen, statt drei ähnliche Artikel nur eine, dafür konsolidierte und stringente Einleitung zu verfassen.
Artikel 5 zu »Buddhism« von Christopher Ives behandelt überwiegend Kontroversen US-amerikanischer »eco-Buddhists«. Arti-kel 6 »Confucianism« von Yong Huang behandelt einen einzigen Autor, Wang Yangming (1472–1529). Dies geschieht auf informative Weise und gibt Einblicke in eine holistische Umwelttugendethik, aber meinem Wissensstand zufolge ist Yangming ein Außenseiter im Konfuzianismus. Diese Artikel sind also selektiv.
Artikel Nr. 7, »Judaism« von Hava Tirosch-Samuelson stellt Am­biguitäten jüdischen Denkens in den Mittelpunkt. Er erwähnt etliche jüdische Philosophen, die sich zur Naturkrise geäußert haben. Bei aller Hochachtung für Hans Jonas würde ich nicht so weit gehen, ihn als »›father‹ of the European Green movement« (61) zu bezeichnen. Eine Ambiguität wird in der Spannung der beiden biblischen Schöpfungsnarrative gesehen. Tirosch-Samuelson folgt der Lesart, wonach auf ein dominionistisches priesterschriftliches Narrativ ein sogenanntes jahwistisches Narrativ folgt, in dem die Menschen »loving gardeners« seien, die den Auftrag hätten »to till and protect« (62). Leider wiederholt sich hier die alte und falsche Auffassung, dem vermeintlich »harten« Unterwerfungsauftrag der Priesterschrift die angeblich »sanfte« Pächterbeauftragung des jahwistischen Narrativs gegenüberzustellen. Der Rezensent darf auf eine gegenteilige Lesart der beiden Schöpfungsnarrative verweisen: Christof Hardmeier, Konrad Ott: »Naturethik und biblische Schöpfungserzählung«, Stuttgart 2015. Korrekt sind die Hinweise auf den Tun-Ergehens-Zusammenhang, seltsam die Aussage, das Vermischungsverbot der Thora schütze Biodiversität (62). Die Spielarten von »eco-Judaism« bis hin zu pantheistischen und synkretistischen Ansätzen dürften einer breiten Leserschaft ebenso wenig bekannt sein wie die Konzeption von »Eco-Kosher food«. Der Ansatz von Rabbi Arthur Greene, den dieser selbst als »Kabbalah for the environmental age« bezeichnet, könnte für Judaisten eine Lektüre wert sein. In der Literatur vermisse ich die Arbeiten von Bratton (»Christian Ecotheology and the Old Testament«, 1984) und Kay (»Concepts of Nature in the Hebrew Bible«, 1988).
Artikel 9 »Islam« von Zainal Bagir und Najiyah Martiam beginnt mit der ernüchternden Feststellung, dass in der einschlägigen Literatur zur Religion und Ethik des Islam das Umweltthema nahezu abwesend ist (80). Die Welt der Natur ist «muslima« in dem Sinne, dass sie Gott notwendig unterworfen ist, während der Mensch die Wahl hat, sich Gott zu unterwerfen (»aslama«) oder nicht. Der Koran enthält mehrere Verse, die besagen, dass die natürliche Welt zum Nutzen der Menschen geschaffen sei (81). Die Autoren, die dieses Defizit des Islam konstatieren (müssen), wenden sich islamischen Praxisformen zu, die »eco-friendly« seien. Sie erwähnen eine indigene Gemeinschaft auf Sulawesi, eine Farm auf Java, ein Bengalisches »river festival«, das von anderen Muslimen als polytheistisch abgelehnt wird, und drei »Sufi Muslim farms« in den USA (83 f.). Dies sind eindeutig nicht die Zentren der islamischen Religion. Selbst wenn man die These unterstützt, wonach man nicht nur den Koran auslegen, sondern sich »eco-friendly practices« zuwenden sollte, wäre zu fragen, wie repräsentativ die Beispiele sind. Die Autoren räumen diesen Punkt selbstkritisch ein (86). Das von Bruce Foltz herausgegebene Buch zu »Islamic Environmentalism« (2003) scheint mir durch den Artikel nicht überholt.
Als Angehöriger der christlichen Tradition ist man auf den Artikel 8 »Christianity« von Ernst Conradie gespannt. Der Artikel beginnt, was für ein Handbuch ungewöhnlich ist, mit fünf Thesen zum Verhältnis von Christentum und Klimawandel. Die erste These bezweifelt die Erreichbarkeit des sogenannten 2°C-Ziels des Pariser Abkommens. Die zweite These fordert ein Umdenken auf allen Ebenen. Ändern müssen sich »visions, goals, perceptions, hearts, minds, habits and behaviour of people across the world« (71). Die These sieht den Klimawandel primär als ein Motivationsproblem an. Die dritte These stellt eine Korrelation zwischen den christlichen Ländern, dem Kapitalismus und den historischen Emissionen her. Daraus wird gefolgert, dass ohne eine radikale ökologische Neudeutung des Christentums das globale Energiesystem kaum reformiert werden könne. Hierzu, so die vierte These, müssten Symbole und Kernbotschaften des Christentums tiefgreifend transformiert werden. Diese Transformation sei, so die fünfte These, »already underway in numerous local contexts across the globe« (71), sei aber bedroht durch die Verlockungen des Konsumismus. Für einen Handbuchartikel sind diese Thesen zu »reißerisch«; vor allem werden sie nicht argumentativ eingelöst, sondern nur aufgestellt »without further explanation« (70). Hier hätten Herausgeber eingreifen müssen.
Nach den Eingangsthesen erfolgt ein rascher Durchgang durch den Prozess eines »Ergrünens« des Christentums und eine Unterscheidung verschiedener Diskursstränge: a) Bibelhermeneutik vor allem zur Genesis, b) Systematische Theologie, c) Kirchenpolitik, d) Ökofeminismus und Christentum, e) Verbindung zu afrikanischer und lateinamerikanischer Spiritualität, f) Tierschutz (»Animal Theology«), g) Missionsforschung und nicht zuletzt h) multi-religiöse Dialoge. In Bezug auf b) wird auf weniger als einer halben Seite festgestellt, es ginge hierbei um eine Neuinterpretation der Transzendenz Gottes, der Trinität, der Vorhersehung Gottes, die Verbindung zwischen Christus und dem Heiligen Geist, eine Schöpfungslehre, um Eschatologie, Gnade und um das Verhältnis von Wissenschaft und Glaube (74). Mehr als eine Reihung von Stichworten ist das nicht. Rätselhaft ist, dass die »stewardship«-Deutung der Genesis mit Verweis auf Gen 1,28 begründet wird (73). Am Ende greift Conradie eine Metapher auf: »journey through an uncharted landscape« (77). »The ecological reformation of Christianity may be understood as an ongoing journey« (ebd.). Diese Metapher wird assoziativ mit einer Reihe von Pathosformeln kommentiert. Am Ende ist der Weg das Ziel: »the focus has to remain on the journey itself« (ebd.), wobei es auf »collegiality, affinity, solidarity and cooperation« ankomme. Aus der europäischen Literatur wird nur Moltmanns Buch »God in Creation« von 1985 zitiert; die Arbeiten von Auer, Korff, Ebach, Link, Janowski, Schlitt, Baranzke u. a. sind unbekannt, was der Sprachschranke geschuldet sein dürfte.
Etliche Artikel sind aus einer parteilichen Grundeinstellung heraus oder von Angehörigen einer Religionsgemeinschaft ge­schrieben worden. Auffällig ist dies bei Artikel 10 »Bahá‘i«, Artikel 11, »Mormonism«, Artikel 15 »North America« und 21 »African Diaspora«. Manche Artikel verfallen in einen moralisierenden Öko-Jargon (Nr. 30 »Water« von Christiana Peppard, Nr. 33 »Consumption« von Laura Hartmann). Viel zu oft verbleiben Artikel auf der Ebene von »buzzwords«. Besonders auffällig ist das im Artikel 34 »Gender injustice« von Heather Eaton. Der Artikel ist eine langatmige rhetorische Variation über den Satz: »Ecological worldviews together with the movements for gender justice are two revolutions of consciousness« (332). Artikel 12 »Africa« von Jesse Mugambi ist im Teil zu »Indigenous cosmovisions« fehl am Platz. Er behandelt einige afrikanische Umweltaktivitäten vor dem Hintergrund der ökonomischen, sozialen und ökologischen Misere des Kontinents. Am Ende folgt die Forderung an die Welt, eine »ecological rehabilitation of Africa« (118) in Angriff zu nehmen und zwar so, dass dies keine Lasten für Afrika mit sich bringen dürfe. Von afrikanischer Religiosität liest man nichts. Generell leidet der Teil zu »Indigenous cosmovisions« daran, dass das Thema auf wenigen Seiten nicht seriös behandelt werden kann. Dies zeigt sich an Artikeln wie etwa Nr. 13 »Asia« von Dan Yü. Kundig werden tibetanische Glaubensvorstellungen dargestellt, die der Autor selbst erforscht hat. Auf der letzten Seite springt der Autor von Malaysia über Sibirien nach Indien, um bei einem Ausblick zu einer »new, holistic science of eco-religious cosmovision« (126) zu enden, die als »science of holistic awareness or inner ecological civilization« (ebd.) angekündigt wird.
Im Teil »Planetary Challenges« finden sich Artikel, die von den Herausforderungen handeln, neben Artikeln, die von der Reak­tion diverser Religionsgemeinschaften handeln. Artikel 25 »Climate Change« des fachkundigen Mike Hulme behandelt überwiegend die Reaktion christlicher Gemeinschaften auf den Klimawandel bzw. diesbezügliche »salient contact points« (240). Dabei kommt die Sache zu kurz. Die Sachstandsberichte des IPCC und die Arbeiten zur Klimaethik von Henry Shue, Steve Gardiner, John Broome und Simon Caney fehlen. In den knappen Sätzen zu »Climate En-gineering« wird nicht zwischen »carbon dioxide removal« und »solar radiation management« unterschieden. Ich vermisse die Erwähnung, dass viele christliche Gruppierungen das Konzept der »Greenhouse Development Rights« unterstützen. Hulme hätte einen weitaus besseren Artikel zu Klimaforschung und Klimapolitik schreiben können. Hier scheint die Abstimmung zwischen Autor und Herausgebern misslungen zu sein.
Artikel 26 »Biodiversity« von Thomas Lovejoy informiert gut zu den Ursachen des Biodiversitätsverlustes, nennt aber nicht die Ziele der »Convention on Biological Diversity«. Der »ecosystem service«-An­satz wird erwähnt, ohne dass zwischen den »service«-Typen (»sup­porting«, »providing«, »regulating«, »cultural«) unterschieden wird. Auch die Unterscheidung der drei Ebenen von Biodiversität (Gene, Spezies, Biozönosen bzw. Ökosysteme) fehlt. Auf methodische Probleme der Berechnung von Aussterberaten wird nicht eingegangen. Der Funktionsbegriff wird zweideutig verwendet, was dazu führt, dass ökosystem-interne Funktionen fälschlich als »ecosystem services« begriffen werden. Der Ab­schnitt zum »intrinsic value of biodiversity« verknüpft die faszinierenden Eigenschaften von Lebewesen mit der Einstellung der Biophilie im Sinne E. O. Wilsons und der Betonung der ästhetischen Dimension der Naturwahrnehmung. Daraus lässt sich je­doch kein »intrinsic value« ab­leiten, worüber jedes Lehrbuch der Umweltethik informiert.
Artikel 31 »Animals« von Paul Waldau handelt im Grunde nicht von Tierethik und -philosophie, sondern enthält nur Verdikte gegen die Sonderstellung des Menschen und der Forderung nach »care beyond the species line« (300). Dass in einem Artikel über »Animals« die klassischen Arbeiten von Singer, Regan, DeGrazia und Palmer nicht erwähnt werden, verwundert.
Artikel 36, »History« von Donald Worster gibt den Stand der Umweltgeschichte nicht wieder. Stattdessen wird Umweltgeschichte naturalisiert: »In the deepest sense environmental historians seek to connect humans to biological and cosmological evolution and to the pulsating flow of matter and energy« (348). Dies ist eine eher idiosynkratische Ansicht, die sich das Attribut der »Tiefe« attestiert. Gesellschaften müssen demzufolge als »mechanism for efficient energy capture and dissipation« (ebd.) verstanden werden. Diese mechanistische Auffassung von Gesellschaft kontrastiert auffällig mit der Mechanismus-Kritik vieler anderer Artikel. Der Artikel enthält einige schöne Zitate aus der Zeit der großen Landnahme Nord-Amerikas durch die weißen Siedler und endet mit dem Verständnis von Religion als Anpassungsmechanismus an neue Umweltbedingungen.
Von den 43 Artikeln möchte ich folgende positiv hervorheben: Nr. 4 »Hinduism« von David Haberman, Nr. 16 »Arctic« von Frederic Laugrand, Nr. 27 »Oceans« von Carl Safina und Patricia Paladines, Nr. 24 »Nature writing and nature mysticism« von Douglas Christie, Nr. 28 »Conservation and restoration« von Gretel von Wieren, Nr. 43 »Ecology« von Nalini Nadkani. Originell ist auch Nr. 39 »Art« von Subkandar Banerjee. Zum Artikel von Christie ist anzumerken, dass dieser feinsinnige Artikel im Grunde von Natur­-phänomenologie handelt, die der Autor jedoch nicht zu kennen scheint. Aber diese Perlen sind für ein Handbuch zu wenig Glanzlichter.
Durch eine deutschsprachige Rezension wird es sich nicht verhindern lassen, dass dieser Band von vielen Studierenden weltweit als Standardwerk zum Thema herangezogen werden wird. Man sollte das Handbuch jedoch eher als einen Sammelband unter vielen betrachten. Bibliotheken theologischer Fakultäten sollten vor einer Kaufentscheidung Alternativen bedenken wie Thomas Kirchhoff et al. (Hrsg.) »Naturphilosophie« (2017) oder, mit Verlaub, Konrad Ott, Jan Dierks, Lieske Voget-Kleschin (Hrsg.): »Handbuch Umweltethik« (2016).