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Ausgabe:

September/2017

Spalte:

973–974

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Hafner, Johann, Enxing, Julia, u. André Munzinger [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Ge­betslogik. Reflexionen aus interkonfessioneller Perspektive.

Verlag:

Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2016. 217 S. = Beihefte zur Ökumenischen Rundschau, 103. Kart. EUR 34,00. ISBN 978-3-374-04137-4.

Rezensent:

Corinna Dahlgrün

Der Sammelband »Gebetslogik. Reflexionen aus interkonfessioneller Perspektive« (Beihefte zur Ökumenischen Rundschau 103), herausgegeben von Johann Hafner, Julia Enxing und André Munzinger, versammelt auf 217 Seiten elf Beiträge, die sich aus verschiedenen konfessionellen und fachlichen Perspektiven und mit sehr unterschiedlichen Resultaten mit dem Gebet auseinandersetzen. Beigegeben sind dem 2016 erschienenen Band Informationen über die Autoren und Autorinnen sowie den Herausgeberkreis und ein knappes Namen- und Sachregister. Das Vorwort unterrichtet über die Fragestellung der Jahrestagung des Interkonfessionellen Theologischen Arbeitskreises (ITA) im Jahr 2014, anlässlich derer die meisten Beiträge entstanden sind: »Wie steht es […] mit der Logik des Gebets aus der Sicht der Theologinnen und Theologen christlicher Glaubensweisen der Gegenwart? Können sie die weiterhin hohe Anziehungskraft des Gebets systematisch entschlüsseln und nach innen und außen plausibel begründen? Antworten sie auf die religionskritischen Fragen bezüglich der Wirkung des Gebets?« (5) Reflektiert werden persönliche und kirchliche Fürbitten, freies Beten im Gottesdienst, ausformulierte und nicht-sprachliche Doxologie sowie die Klage. Ziel des Bandes ist es nicht, eine gemeinsame Antwort auf die Fragen zu finden, sondern in einer transkonfessionellen Annäherung die Gebetsthematik zu bedenken, dabei »die Vielfalt und Differenz der verschiedenen theologischen Traditionen und Perspektiven als eine Bereicherung anzusehen« (8). Entsprechend differieren die Herangehensweisen ebenso wie die theologischen Vorentscheidungen der Autorinnen und Autoren, wobei die folgende Einteilung in vier Gruppen naturgemäß grob ist und viele Facetten der einzelnen Beiträge unbeachtet lässt.
I) Bei einigen liegt der Fokus – auf der Grundlage der unhinterfragten Prämisse des die Gebete beantwortenden Gottes (eine ge­wissermaßen vormoderne Perspektive) – auf den Betenden, sei es der im Stillen betende Mensch oder die gottesdienstliche Gemeinde. So wird festgestellt, dass sich in der betenden Kommunikation das menschliche Herz in horizontaler Dimension für Gott öffne, in vertika-ler Dimension für andere Menschen und zugleich für die ganze Menschheit aller Zeiten. »Damit wird das hypostatische Ge­bet zum ökumenischen Ereignis.« (94, Stefanos Athanasiou, orthodox) Die Be­tenden vertrauten Gottes Fürsorge und seien der Erhörung gewiss, wenn sie sich betend seinem Willen annäherten; be­tend nähmen sie Verantwortung wahr und bauten die Gemeinde auf (Volker Spangenberg, baptistisch). Auch Zweifel an Gott seien, wie Ps 77 zeige, im Gebet vor Gott zu bringen (Andreas Krebs, altkatholisch).
II) Einige diagnostizieren (in der Haltung der Moderne) eine Krise des Gebets und fragen, ausgehend von den beobachtbaren Wirkungen insbesondere der Fürbitte, ob ein wundersames Eingreifen Gottes mit neuzeitlichem Denken vereinbar und wie Gott zu denken sei. Ihre Antwort: Gott handle nur indirekt in der Ge­schichte, und nicht an menschlicher Autonomie vorbei. Das Bittgebet verändere nicht Gott, nur den Beter (Christoph Böttigheimer, katholisch) – woher der Autor die Sicherheit dieser Gottes Freiheit beschränkenden Aussage nimmt, bleibt fraglich. Phänomenologie, Medizin und Soziologie ließen am Sinn des Betens zweifeln, doch Beter behandelten Gott damit nicht als überwältigendes Schicksal, sondern als vertrauenswürdige Person und bewahrten so ihre Freiheit (Johann Hafner, katholisch).
III) Manche befragen kritisch gegenwärtige Theologien wegen ihres Umgangs mit der Gebetsthematik und verweisen dazu u. a. auf die biblische Theologie und ihre Rede vom lebendigen, den die Wirklichkeit transzendierenden Gott; die Autoren sind dabei durch die Anfragen der Moderne hindurchgegangen: Von einer Krise des Gebets sei nicht zu sprechen, denn es werde weiterhin gebetet, auch öffentlich, etwa mit Psalmen. Das Gebet solle sich nicht durch theologische Einwände beschränken lassen, das werde Gott als Schöpfer einer leib-seelischen Einheit nicht gerecht. Das Alte Testament zeige, dass Gott wirkungsvoll um eine Durchsetzung seines Heilswillens gebeten werden könne (Gregor Etzelmüller, evangelisch; ähnlich Martin Hailer, evangelisch). Fürbitte nehme zudem den Menschen in Gottes Stellvertretung hinein (Hailer), sie sei Teilhabe an Gebrochenheit wie Erneuerung der Schöpfung (Michael Nausner, methodistisch).
(IV) Manche schließlich versuchen, auf der Basis dieser Überlegungen dem im Gebet stattfindenden Dialog zwischen Mensch und Gott neu nachzudenken: Gebet öffne die Tür zu Gott und mache den Beter zum Werkzeug seiner, oder, wie die Autorin schreibt, ihrer Liebe (Teresa Forcades i Vila OSB, katholisch). Das Gott-Mensch-Verhältnis sei mit dem Open-View-Theismus als Kooperation aufzufassen, Gott sei »offen für die Einflüsse seiner Geschöpfe« (173, Denis Schmelter, katholisch). Doch der Raum aller Gebete werde durch die absichtslose Doxologie allererst und jenseits aller Krisen eröffnet (Ottmar Fuchs, katholisch).