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Ausgabe:

September/2017

Spalte:

922–925

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Lamberz, Erich [Ed.]

Titel/Untertitel:

Concilium Universale Nicaenum Secundum. Concilii Actiones VI–VII. Tarasii et synodi epistulae. Epiphanii sermo laudatorius. Canones. Tarasii epistulae post synodum scriptae. Appendix Graeca. Ed. adiuvante U. Dubielzig.

Verlag:

Berlin u. a.: De Gruyter 2016. XXXI, 547 S. = Acta conciliorum oecumenicorum. Series Secunda, III/3. Kart. EUR 249,95. ISBN 978-3-11-041117-1.

Rezensent:

Hans Georg Thümmel

Nach dem 1. und 2. Teil der Akten des 7. Ökumenischen Konzils über die christlichen Bilder in Nikaia (Nizäa) 787 (s. ThLZ 135 [2010], 845–847, u. 138 [2013], 332 f.) ist dieser dritte und abschließende Teil erschienen. Er ist weiterhin von Erich Lamberz herausgegeben. Die Überlieferungssituation und die Prinzipien sind die gleichen geblieben, obwohl die Zugaben eigene Überlegungen erforderten. So ist auch die Qualität der Edition weiterhin einwandfrei. Dem Bearbeiter ist für eine jahrzehntelange hervorragende minutiöse Arbeit zu danken. Der 3. Teil umfasst die 6. und 7. Sitzung des Konzils, eine Reihe von Zugaben, die mit den Akten tradiert wurden, dazu eine Einleitung des Herausgebers und umfangreiche Register zu allen drei Teilen.
In den beiden Sitzungen am 6. und 13. Oktober 787 wurden vorbereitete Texte vorgetragen. Die 6. Sitzung enthält die Widerlegung des Horos von Hiereia 754, der in der Blachernenkirche zu Konstantinopel verkündet worden war. Der Horos ist auf diese Weise erhalten. Immerhin finden sich in den weitschweifigen Ausführungen der Widerlegung die eigentlichen theologischen Aussagen des Konzils von 787.
Die Einleitung zur 7. Sitzung enthält eine Teilnehmerliste von 343 Namen (außer den Vertretern der Patriarchate), dann wird der eigene Horos verlesen. Wie üblich, wird darin neben allgemeinen Formeln ein Bekenntnis zu den vorangegangenen Konzilien abgelegt. Die Aussagen über christliche Bilder sind spärlich. Sie sollen überall aufgerichtet und verehrt werden. Sie verweisen auf die Urbilder und die Verehrung geht auf diese über. Durchgehend findet sich die Unterscheidung von Ikone und Idol. Es folgen (ohne die Vertreter der Patriarchate) 302 Unterschriften.
Die Bildertheologen Germanos, Georgios von Zypern und Ioannes von Damaskos werden gerühmt, alle Andersdenkenden verdammt. Gewiss wurden die Sitzungen in Nikaia durch die Rede des Diakons Epiphanios abgeschlossen.
Eingeschoben sind zwei Schreiben des Tarasios bzw. der Synode an die Kaiser und an den Klerus von Konstantinopel, in denen das Konzilsergebnis mitgeteilt wird. Ersteres ist das Begleitschreiben für die Delegation des Konzils nach Konstantinopel.
Unter den weiteren Zugaben werden 22 Kanones tradiert und als auf dem Konzil verabschiedet deklariert. In den Konzilsakten ist nichts davon zu finden. Die Erarbeitung hat wohl bereits auf dem Patriarchat in Konstantinopel stattgefunden. Es geht vor allem um Missstände im Klerus und im Mönchtum. Dabei kommt auch die Simonie vor. Die Gestalt der Kanones ist von der separaten Überlieferung in der kanonistischen Tradition beeinflusst.
In der Einleitung (VII–XVI) präzisiert L. die Entstehung der Akten und fasst zusammen. Insgesamt ergibt sich ein kompliziertes System der Überlieferung, wobei offenbleibt, wie weit der Text »den ursprünglichen Akten entspricht« (XVI; vgl. dazu ThLZ 138 [2013], 333). Ob die Tradition ganz so kompliziert war, ist mir fraglich. Grundlegend bleibt die Tatsache, dass es zwei verschiedene Traditionen gibt, von denen die eine (M und Anastasius) mit der 7. Sitzung und einer Schlussrede endet, die andere die Schlussrede durch den Bericht einer 8. Sitzung ersetzt (HTV). Der von L. vorgelegte Text bleibt Grundlage aller weiteren Arbeit.
Auch mit diesem Teil ist ein Sachproblem verbunden. Es geht um die Frage, ob es eine 8. Sitzung gegeben hat (IX–XI), die dann am 23. Oktober im Magnaura-Palast in Konstantinopel stattgefunden hat. Darin sind zwei Fragestellungen verwoben, ob eine »8. Sitzung« stattgefunden hat, und ob der Bericht darüber zu den offiziellen Akten zu rechnen ist.
L. will nicht grundsätzlich bestreiten, dass »eine Zusammenkunft von Kaisern und Konzilsteilnehmern in Konstantinopel« stattgefunden hat (IX, Anm. 17). Wenn L. von einer Zeit spricht, »in der ein ökumenisches Konzil, an dem die Kaiser nicht in irgend-einer Form teilgenommen und dessen Beschlüsse sie durch ihre Unterschrift nicht sanktioniert hatten«, nicht akzeptabel erschien (X), dann traf das auch auf die Zeit des 2. Nicaenum zu. Alle vorangegangenen Konzilien waren von Kaisern einberufen. Das 6. Konzil geriet ins Stocken, weil der Kaiser auf dem Kriegszug war.
Das 7. Konzil ist in besonderer Weise dadurch gekennzeichnet, dass die Eröffnung in der Konstantinopler Apostelkirche in Gegenwart der Kaiser (Eirene und ihr unmündiger Sohn Konstantin VI.) durch revoltierende Truppen abgebrochen wurde. Das Konzil wurde nach Nikaia verlegt, die Kaiser nahmen an den Sitzungen nicht mehr teil und wurden durch ihre Beamten vertreten. So nahm auch der Patriarch Tarasios anscheinend eine leitende Stellung ein, die sonst nicht gegeben war.Das Konzil war weiterhin eine kaiserliche Veranstaltung. Am Beginn jeder Sitzung wurde geradezu zeremoniell betont, dass die Kaiser das Konzil einberufen hatten. Wäre nicht eine Abschlusssitzung bezeugt, müsste man sie postulieren. Ein Konzil ohne Kaiser erweckt den Anschein einer Selbständigkeit der Kirche gegenüber dem Kaisertum, für die es sonst keine Hinweise gibt. Die Entscheidung, ob der Bericht über die 8. Sitzung zu den offiziellen Akten zu rechnen ist, liegt beim Herausgeber. Einen Einfluss auf die Arbeit mit den Texten haben diese Diskussionen nicht. Die »8. Sitzung« ist im Anhang wiedergegeben (967–969).
Man mag in der Geschichte der Ökumenischen Konzilien eine Fülle historischer Zufälligkeiten sehen oder aber sie als unter Leitung des Heiligen Geistes jeweils korrigiert vollzogen glauben, was in beiden Fällen bleibt, ist das bunte Bild theologischer Auseinandersetzungen und politischer Machtkämpfe.
Als Konstantin den Westen erobert hatte und die Kirche die ideologische Grundlage seines Reiches bilden sollte, fand er eine durch den donatistischen Streit gespaltene Kirche vor. Er berief Bischöfe, die diese Spaltung beseitigen sollten. Als Konstantin den Osten erobert hatte, war er mit dem Streit um Areios konfrontiert. Er berief i. J. 325 Bischöfe nach Nikaia, um das Problem zu lösen. Die nachfolgenden theologischen Streitigkeiten fanden eine Klärung durch das Konzil 381 in Konstantinopel. Mit Ephesos 431 beginnt sich die Einrichtung des Ökumenischen Konzils zu verfestigen. In der Folgezeit wurde aus der Zahl der Synoden eine feste Reihe als Ökumenische Konzile gezählt. Hier erfolgte eine Systematisierung dessen, was bislang unreflektiert geschehen war.
Zwei frühere Veranstaltungen (von denen keine Akten existieren), Nikaia 325 und Konstantinopel 381, wurden als zugehörig behauptet. Nach Ephesos 431 gab es zwei vierte Konzilien, von denen das erste als »Räubersynode« außer Kraft gesetzt wurde. Aber auch das zweite Konzil Chalkedon 451 war eine Überrumplungsaktion. Das 5. Ökumenische Konzil, Konstantinopel 553, hat lange Zeit auf allgemeine Anerkennung warten müssen. Eine Einigkeit, zu der sich die meisten Patriarchen verstanden, ist auf dem 6. Konzil, Konstantinopel 681, für häretisch erklärt worden, was die Verdammung von sieben Patriarchen bedeutete, darunter von Papst Honorius. Dann wurde dieses Konzil von Philippikos Bardanes annulliert, aber der Sturz dieses Kaisers führte zur Wiederanerkennung. Im 8. Jh. gab es zwei Konzilien, die sich als 7. Ökumenisches deklarierten, von denen das zweite, Nikaia 787, das erste von 754 verwarf.
Es hat weitere Konzilien gegeben. Von diesen waren besonders bedeutungsvoll die beiden achten, 869/70 und 879/80, auf denen sich Ost und West gegenseitig ihre kirchliche Einheit bescheinigten. Wurde im Osten ein weiteres Konzil geschätzt, dann war es das von 879/80, während der Westen 869/70 als 8. Ökumenisches Konzil zählt.
Trotz aller historischen Zufälligkeit hat sich im Osten und zum Teil auch im Westen die Meinung herausgebildet, dass die ersten sieben ökumenischen Konzile die Lehreinheit der ungeteilten Kirche repräsentieren. Diese sieben Konzilien galten später im Osten als die sieben Säulen des Hauses der Weisheit (Prov 9,1). Auf einer Novgoroder Ikone des 16. Jh.s in der Moskauer Tret’jakov-Galerie ist im oberen Teil eine sechsschiffige Kirche im Querschnitt dargestellt, deren sieben Stützen die Ökumenischen Konzilien bedeu-ten. Jeweils vor der Stütze thront der Kaiser, der das Konzil veranstaltet hat. Beim 7. Ökumenischen Konzil sind es Eirene und Konstantin VI.
Im Osten gab es Übersichten, Zusammenfassungen der Kon-zile, im Westen war die Kenntnis mangelhaft. Die Akten sind weithin nur in Sammlungen erhalten, die eine Auswahl bieten und mit weiterem Material und eigener Ordnung polemischer Publizistik dienten. Diese Sammlungen sind oft Kompilationen älterer Sammlungen. Noch der Historiker Platina hat 1479 in seiner Papstgeschichte abwegige Vorstellungen gerade über das 7. Ökumenische Konzil geäußert. Bearbeitungen einzelner Konzile erschienen. Dringlich wurde das Problem, als das Tridentinum 1546 in Sessio III Schrift und Tradition als Inhalt gültiger Lehre definierte, was zu der Frage führte, was denn die Tradition sei, und zur kritischen Sammlung der Akten der Ökumenischen Konzilien. 1608–1628 er­schien unter Paul V. eine vierbändige Ausgabe (Editio Romana), neben anderem später das Monumentalwerk von J. D. Mansi, zu­nächst in 31 Bänden (1759–1798), das zwar nicht die Qualität der Editio Romana erreichte, sich aber allgemein durchsetzte. Mit der von E. Schwartz begründeten Ausgabe der Konzilsakten liegt nun für die ersten sieben Ökumenischen Konzilien der kritische Text vor.
Was sich als dritte und abschließende Lieferung zum 7. Ökumenischen Konzil (2. Nicaenum) präsentiert, ist in Wirklichkeit mehr. Es ist der Abschluss eines der im späten 19. Jh. begonnenen Großprojekte (obwohl Schwartz ursprünglich das Projekt bis zur Synode 879/880 fortführen wollte).
Eduard Schwartz (1858–1940) setzte sein Vorhaben, die Ökumenischen Konzilien zu edieren, im Rahmen der Wissenschaftlichen Gesellschaft in Straßburg durch. Der erste Band zu den Konzi-lien erschien 1914. Starke Behinderungen ergaben sich durch den Ersten Weltkrieg. Als Straßburg an Frankreich überging, musste Schwartz fliehen und mit dem Unternehmen nach München umsiedeln, wo dann die Bayerische Akademie der Wissenschaften das Unternehmen übernahm. In den wirtschaftlichen Schwierigkeiten der zwanziger Jahre reichte auch Papst Pius XI. hilfreich seine Hand. Trotz aller Schwierigkeiten erschienen bis zum Tode von Schwartz 1940 25 Bände, die er selbst bearbeitet hatte. Seine Arbeit konzentrierte sich auf die ersten fünf Ökumenischen Konzile. In der Folgezeit haben J. Straub, R. Schieffer, R. Riedinger, H. Ohme und E. Lamberz die Zeit bis zum 7. Ökumenischen Konzil aufgearbeitet.
Die Gelehrsamkeit von Eduard Schwartz hat wenig Rücksicht auf die Leser genommen. Durch das Riesenwerk ist schwer hindurchzufinden. Schon der allererste Band betraf das 5. Ökumenische Konzil. Schwartz hat relativ wenige Angaben über sein Vorhaben und die Ziele, die er sich gesetzt hat, gemacht. Wenn auch die Absicht von Schwartz nicht war, kirchliche Texte bekannt zu machen, sondern eher Publizistik und Machtpolitik darzustellen, so liegt doch das Werk vor. Gelehrt und bescheiden trat das Werk ACO in Erscheinung, gelehrt und bescheiden findet das Jahrhundertwerk mit dem 7. Ökumenischen Konzil seinen Abschluss. Ob die Edition weiterer Bände geplant ist, ist noch nicht entschieden. Aber zunächst ist festzustellen, dass das Vorhaben von Schwartz nach einem reichlichen Jahrhundert in einer kirchlichen Sicht zum Abschluss gekommen ist.