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Ausgabe:

September/2017

Spalte:

912–913

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Owens, Mark D.

Titel/Untertitel:

As It Was in the Beginning. An Intertextual Analysis of New Creation in Galatians, 2 Corinthians, and Ephesians.

Verlag:

Cambridge u. a.: James Clarke & Co. 2016. XV, 241 S. Kart. £ 18,50. ISBN 978-0-227-17601-6.

Rezensent:

Ulrich Mell

Die Studie mit der gegensätzlichen Betitelung – nach dem Titel (»Wie es am Anfang war«) eine literaturwissenschaftliche Arbeit zum paulinischen Verständnis der creatio originalis, nach dem Un­tertitel (»Eine intertextuelle Analyse von neuer Schöpfung …«) eine Untersuchung zur creatio nova – stellt die überarbeitete Promotionsschrift von Mark D. Owens dar, die von A. D. Clarke an der Universität von Aberdeen betreut wurde. Diese trug die Titulatur »Be­hold, I Make All Things New« und wendete sich unter diesem nichtpaulinischen Zitat aus Apk 21,5 der Neuschöpfungstradition in ausgewählten Schriften des Corpus Paulinum zu.
Die Publikation versucht zu erläutern, dass Paulus »understands new creation in cosmological, anthropological, and ecclesiological terms« kombiniert »with an Urzeit-Endzeit typology« (120 mit Hervorh.). Kritisiert werden diejenigen Auslegungen, die »a limited conception of new creation« (3) vortragen, indem sie einseitig eine »cosmological reading« (angeblich Mell, U., Neue Schöpfung, BZNW 56, 1989) oder »anthropological reading« (angeblich Hubbard, M., New Creation in Paul’s Letters and Thought, SNTS.MS 119, 2002) oder ein ekklesiologisches Verständnis (angeblich Kraus, W., Das Volk Gottes, WUNT 1/85, 1996) vorschlagen (vgl. 3 f.68). Der Grund dafür liegt zunächst im »background« (14) der paulinischen Neuschöpfungsvorstellung. Texte im Jesajabuch, so Dtjes 40,1–11; 43,16–21; 52,7–12.14–21 sowie Trjes 65,17–25; 66,18–24 zeigen (14–42) »new creation and restoration […] frequently associated with an­thropological and cosmological renewal, the salvation of the Gen-tiles, and an Urzeit-Endzeit typology« (VII mit Hervorh., vgl. 41). Die-ses Resultat wird – fast gleichlautend, vgl. 66 f. – in einem zweiten Abschnitt an Ez 36,22–37,28; Jer 31(38),31–34 sowie an äthHen 10,1–11,2; 24,2–25,7; 90,28–38; 91,16 f.; Jub 1,27–29; 23,22–31 vertieft (43–67).
Es schließt sich eine Besprechung von Gal 6,14–16 sowie 2Kor 5,14–17 an, letzterer Text kombiniert (sic!) mit 2Kor 5,18–21; 6,1–18 (68–120). Zu Gal 6,15 wird zunächst ausgeführt, »that cosmology dominates the depiction of new creation« (87, vgl. 120), und zu 2Kor 5,17 wird das Urteil gefällt: »Place a decided emphasis on the anthropological significance of the cross« (105, vgl. 120). Die Zitate von Dtjes 49,7 und 52,11 in 2Kor 6,2b.17 (sic!) aber »corroborate a fairly broad reading of new creation in 2Cor 5,17«, und zwar in der Hinsicht, »that Καινή κτίσις […] embraces anthropological, ecclesiological, and cosmological renewal« (120). Auch sei 2Kor 5,14–17 mit der Urzeit-Endzeit-Typologie verbunden (vgl. 120) und Gal 6,16 (»Israel Gottes«) kombiniere »new creation with the ecclesiological unity« (120).
In zweiter Linie möchte die Untersuchung zeigen, »how strong­ly aligned the portraits of new creation in the [paulinischen] Hauptbriefe and Eph 1–2 are« (6, vgl. 177). Besprochen werden Eph 1,9 f.; 2,1–22 (121–170) und festgehalten werden Einsichten, von denen fünf erwähnenswert scheinen:
»First, the allusions to Ps 109:1 LXX and Ps 8:7 LXX in Eph 1:20, 22 set the stage for the author’s fuller discussion of new creation in Eph 1–2. […] Second, the coordination of death-life imagery in Eph 2:1–6 and creation imagery in Eph 2:10 […] draws upon Jewish traditions which closely link the renewal of the cosmos. […] Third, several literary elements within Eph 2:11–16 […] appealing to Scripture’s grand story of redemption. […] Fourth, the intertextual refer­ences to Isa 52:7 and Isa 57,19 in Eph 2:13, 17 suggest […] new creation as the fulfillment of Isaiah’s prophecy of a new exodus […] Sixth, the allusion to Isa 28:16 in Eph 2:20 closely relates the description of the church in Eph 2:19–22 with Isaiah’s restored Zion/Jerusalem motif […] and suggests that the temple in Eph 2:19–22 is being portrayed as the inaugural fulfillment of the ›new heavens and new earth‹ of Isa 65–66.« (169 f.)
Methodische Grundlage dieser assoziativen Ausführungen ist die in Kreisen Biblischer Theologie vertretene These der »fundamentally textual nature of Paul’s theology« im Verhältnis zum Alten Testament (8, Anm. 21). Dieses Textverhältnis werde am besten mit der literaturwissenschaftlichen Theorie der Intertextualität wahrgenommen. »The im­bedding of fragments of an earlier tradition within a later one« (Hays, R., Echoes of Scripture in the Letters of Paul, 1989, 14) bedeute für eine rezeptionsorientierte Exegese, sich auf eine Art Metalepsis – Vertauschung des Nachfolgenden mit dem Vorhergehenden – einzustellen: »The presence of an intertextual reference […] may require the reader to examine the precursor text for possible implicit connections be-tween the Pauline text and the OT text« (9 mit Hervorh.). Dieses auf »quotations and intentional allusions« (12) angewandte Verfahren führt den Vf. zur Annahme, dass Paulustexte sich nicht nur auf einen bestimmten alttestamentlichen Text be-ziehen, sondern mit dem Bezug zugleich das von der alttestament-lichen Schrift vertretene theologische Konzept referieren. Im Falle von Καινή κτίσις sei die An­spielung auf Dtjes 43,18.19a »best understood as an allusion to Isaiah’s larger new exodus theme« (104).
Dürfte wohl kaum ein Begriff in der neueren Literaturwissenschaft mehr umstritten sein als derjenige der Intertextualität, so ist die vorliegende Arbeit mit ihrer methodischen Naivität bestes Beispiel, dass dem Programm ein intersubjektiv kommunizierbares Modell fehlt, um formale Beziehungen zweier Texte inhaltlich auszuwerten, ohne diesen Texten ihren Sinn vorzugeben. Ist Intertextualität nicht eine Eigenschaft von Texten, sondern eine vom Autor intendierte oder vom Rezipienten wahrgenommene Interaktion, so wäre bei der Allusion zunächst zu klären, ob ein Text auf einen Prätext absichtlich anspielt und ob diese Anspielung auch dem (damaligen) Leser bewusst werden soll (oder auch nicht). Kann ein Prätextbezug begründet bejaht werden, so ist sodann zu analysieren, welchen inhaltlichen Umfang dieser haben soll. Geschieht das nicht, ist trotz aller Beteuerung (vgl. 9.12) der subjektiven Beliebigkeit Tor und Tür geöffnet.
Wer gegen den »scientific rationalism« (10) polemisiert, sollte die an der Semantik sich orientierenden Einsichten der begriffs- und motivgeschichtlichen Analyse von Texten nicht ignorieren. Sie machen transparent, dass der endzeitliche Terminus »Neue Schöpfung« Christus als das schöpfungsrevolutionäre Rettungsangebot Gottes bezeichnet, das ekklesiologische (vgl. Gal 6,15a mit 5,6; 1Kor 7,19a) wie ethische Konsequenzen (vgl. 2Kor 5,15) hat. An anthropologischer (Stichwort: »neuer Mensch«, vgl. Kol 3,10; Eph 2,15) oder kosmologischer Spekulation (Stichwort: »neuer Himmel und neue Erde«, vgl. Apk 21,1) ist der Apostel nicht beteiligt.