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Ausgabe:

Juli/August/2017

Spalte:

801–802

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Rapp, Christof

Titel/Untertitel:

Metaphysik. Eine Einführung.

Verlag:

München: C. H. Beck Verlag 2016. 128 S. m. 8 Abb. = C. H. Beck Wissen, 2809. Kart. EUR 8,95. ISBN 978-3-406-66796-1.

Rezensent:

Friedo Ricken

Das Buch von Christof Rapp will einen Überblick geben über Fragen, »die die Metaphysik heutzutage prägen – einschließlich der Frage, was überhaupt der Gegenstand und die Natur der Metaphysik sei« (7; Hervorh. F. R.). Die zwölf Bücher der Metaphysik des Aris­toteles handeln von der vielfachen Bedeutung von »seiend« und fragen nach dem, was im ersten und vollen Sinn des Wortes ist. Die neuere Metaphysik hat einen anderen Weg eingeschlagen und sich »auf einen einzigen Sinn von sein und seiend konzentriert, der hinreichend eindeutig schien: den der Existenz« (24). Sie stellt Existenzfragen, d. h. sie fragt nach dem, was es gibt. R. zeigt an Beispielen, welche Art von Fragen Gegenstand der Metaphysik sind und welche Art von Kontroversen diese Fragen auslösen. Ein Anliegen ist es zu zeigen, inwieweit in der heutigen Diskussion Fragen traditioneller Metaphysik präsent sind. Für einzelne Positionen ausführlich und schlüssig zu argumentieren sei wegen der durch die Reihe gebotenen Kürze nicht möglich; so können lediglich Gründe für These und Gegenthese genannt werden. Hervorzuheben sind die anschaulichen Beispiele.
Drei der dargestellten typischen Fragen und Kontroversen seien kurz skizziert. 1. Gibt es Universalien? »Wenn wir den Satz bilden ›Das Gelb der Zitrone und der Badeente ist ein und dasselbe‹, wo-rauf referiert dann der singuläre Ausdruck ›das Gelb‹?« Der Satz ist sinnvoll; folglich muss es etwas geben, auf das er referiert. Er referiert auf das Universale Gelb; »also gibt es Universalien« (47). Gegen diese These des Realisten nimmt der Nominalist für sich den Vorzug der ontologischen Sparsamkeit in Anspruch; er wird den Satz, auf den der Realist sich beruft, so umformulieren, dass die Universalien verschwinden. 2. Gibt es letztlich nur die einfachen Dinge, oder gibt es auch Zusammengesetztes? A und B, zwei Philosophen, betreten einen Raum mit einem Stuhl. A würde sagen: »Es gibt (hier) einen Stuhl«; B würde sagen: »Es gibt (hier) keinen Stuhl«. Auf die Nachfrage, was er denn sieht, würde B antworten: »Es gibt (hier) stuhlartig angeordnete mereologische Atome, d. h. Dinge, die keine Teile mehr haben.« »Ein Nicht-Philosoph, der nun zufällig in denselben Raum kommt, würde sagen: ›Was ist denn hier los? Klar gibt es hier einen Stuhl. Wie kann man überhaupt darüber streiten?‹« (34 f.) Mit einer Unterscheidung von Peter F. Strawson könnte man sagen: A vertritt eine deskriptive Metaphysik, die die ontologischen Annahmen der Alltagssprache explizit macht, während die These von B revisionär ist und auf eine Veränderung unserer ontologischen Überzeugungen zielt. B könnte argumentieren, die Alltagssprache sei keine einheitliche Größe und gebe nur eine eingeschränkte Sicht der Dinge wieder; A könnte dagegen B Szientismus vorwerfen und fragen, ob die zweckmäßige Anordnung der Teile keine ontologische Größe sei. 3. Gibt es Ereignisse, oder können »vielleicht sämtliche Ereignisse in eine uns schon bekannte Kategorie integriert werden« (110)? Wie unterscheiden Ereignisse sich von Einzeldingen, Sachverhalten und Eigenschaften?
Bei den drei Kontroversen handelt es sich um Existenzfragen. In der Metaphysik des 20. Jh.s »herrschte lange das Bild vor, die Metaphysik insgesamt habe es mit der Beantwortung solcher Existenzfragen […] zu tun«. Dadurch entstand der Eindruck, »metaphysische Theorien zielten lediglich auf eine Art Inventarisierung oder Katalogisierung der Wirklichkeit« (118). Dieses Bild übersieht den Unterschied zwischen metaphysischen Fragen und gewöhnlichen Existenzfragen. 1. Bei gewöhnlichen Existenzfragen wissen wir, nach welcher Art von Sache wir fragen; wir haben einen Begriff von dieser Sache und fragen, ob ein oder mehrere Gegenstände unter diesen Begriff fallen. Wenn dagegen Metaphysiker z. B. die Existenz von Universalien behaupten wollen, »dann besteht ihre Haupttätigkeit darin zu klären, was es heißt, ein Universale zu sein« (119). 2. Es geht in der Metaphysik nicht nur darum, ob Entitäten eines bestimmten Typs existieren, sondern auch darum, auf welche Weise sie existieren. 3. Es kommt in einer metaphysischen Theorie nicht nur darauf an, die Existenz von bestimmten Entitäten zu behaupten; zu klären ist auch, wie diese in ein Modell von der Wirklichkeit als Ganzem integriert wird. Die Existenz von z. B. Ereignissen zu behaupten, ist eine Sache, eine andere ist zu klären, ob die Wirklichkeit nur aus Ereignissen besteht. 4. Die Behauptung z. B., dass es Substanzen gibt, impliziert, dass Substanzen gegenüber Entitäten anderer Kategorien grundlegend sind. Es handelt sich also nicht um eine bloße Existenzbehauptung; behauptet wird vielmehr auch ein Abhängigkeitsverhältnis. »Metaphysische Theorien stellen Behauptungen über die Wirklichkeit als Ganze auf, indem sie verschiedene Typen von Entitäten bzw. Kategorien unterscheiden und die Wirklichkeit durch die Annahme solcher Kategorien untergliedern und strukturieren.« (120)