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Ausgabe:

Juli/August/2017

Spalte:

770–771

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Bozza, Tommaso

Titel/Untertitel:

Scritti 1932–1989. A cura di C. Bozza. Vol. II: Scritti di Storia della Religione Cristiana. Presentazione di Mons. E. Bromuri.

Verlag:

Napoli: Edizioni Scientifiche Italiane 2015. XVIII, 390 S. u. 16 Taf. m. Abb.US$ 44,71. ISBN 978-88-495-2951-7.

Rezensent:

Sergio Rostagno/Übers.: Hans-Martin Barth

Carlo Bozza, von Beruf Ingenieur, hat die kleineren Arbeiten seines Vaters, des Historikers Thomas Bozza (1903–2004), in zwei Bänden zusammengestellt. Band I (2014) enthält belletristische Schriften. Es geht im Folgenden um den Band II. Die hier gebotenen Artikel sind weitgehend den im Jahrhundert der Reformation in Italien illegal zirkulierenden Schriften gewidmet. Die Informationen über deren Autoren und ihre Verbreitung sind von großem Interesse, auch im Blick auf das Reformationsgedenken 2017. Die Schriften zirkulierten offensichtlich im kirchlich-katholischen Umfeld. Einige Bischöfe und Kardinäle schätzten sie, andere fingen an, sie öffentlich zu bekämpfen (es handelt sich um die Zeit vor dem Trienter Konzil). Einige dieser Schriften bieten Passagen aus der Feder Calvins, jedoch so veröffentlicht, als ob der Autor selbst ihr Verfasser wäre; zumindest auf den ersten Blick sollte kein Verdacht geweckt werden. B. veröffentlicht manchmal nebeneinander das jeweilige Original und die mehr oder weniger geheime Übersetzung. Wir begegnen so den Autoren des Buches »Von der Wohltat Christi« (Il beneficio di Cristo), Benedetto von Mantua und Marcus Antonius Flaminius. Juan Valdés übernahm von den Reformatoren viele Thesen, aber mit seinem Spiritualismus distanzierte er sich von ihnen. Die Genauigkeit der Referenzen und die oft vollständig reproduzierten Briefe und Quellen stellen eine lebendige und interessante Lektüre dar.
Man merkt die Verbreitung und den Erfolg der Reformatoren Bucer und Calvin. Es ist die Sprache der Reformation, die sich ausbreitet. Die christliche Botschaft ist nicht mehr identifiziert mit katholischen Institutionen, mit gut kanalisierter und gelenkter Frömmigkeit; vielmehr weckt sie ein neues religiöses Leben, das fasziniert. Es ist nicht so sehr eine »Reform« der Kirche, sondern eher eine neue Art von Sprache, die eine neue Überzeugung fördert. Für sie lohnt es sich, das Risiko der Inquisition auf sich zu nehmen, und das heißt: geheimes Verhör, Gefängnis, Folter, Tod.
Aber die Fronten formieren sich allmählich. Die Bischöfe, zu­nächst durchaus offen, ändern ihre Meinung. Die genannten Schriften erscheinen ihnen als wirklich häretisch. Sie gelten als unannehmbar: In der Diözese solle man sie am besten nicht zirkulieren lassen. B. reproduziert in Gänze einen Brief vom 19. Januar 1544 aus Rom von Kardinal Marcello Cervini. Der Kardinal konnte sich Il Beneficio di Cristo in Rom leicht beschaffen. Er analysiert die Schrift aufmerksam. Seine Kritik fasst sein theologisches Urteil über die protestantischen Thesen zusammen: Den Protestanten wird als Erstes Unklarheit über den Begriff Glauben vorgewor-fen, sodann die Ansicht, das christliche Handeln sei nur für das Wohl der anderen und nicht als eine »Verpflichtung des Glaubens« zu vollziehen. Hier wörtlich der zweite Vorwurf: »Und dennoch scheint es, dieses Buch wolle, dass man die guten Werke nur verrichten solle, um sich dem Beispiel des Lebens des Heilands anzugleichen oder nur weil der Nächste Glied des Herrn ist, und nicht, weil wir sonst verpflichtet wären, irgendetwas mit Glauben zu befolgen« (126). Der lange Brief des Kardinals verdient Aufmerksamkeit. Zu den beiden bereits erwähnten Kritikpunkten (Glaube und Natur der Werke) kommt schließlich eine negative Anspielung auf das Konzept der Prädestination.
Andere in diesem Werk enthaltene Artikel behandeln die Aufnahme von Luther und Calvin in Italien und beleuchten vor allem die Atmosphäre der protestantischen Ideen in den Jahren 1541–1544, also unmittelbar vor dem Konzil von Trient. Im Vorwort des vor Kurzem verstorbenen Mons. Bromide wird deutlich, dass zu damaliger Zeit drei Positionen in katholischen Kreisen vorhanden waren: der traditionelle Kampf gegen die lutherischen Thesen, daneben die Zustimmung zu evangelischen Positionen (von denjenigen, die bald emigrieren mussten) und schließlich die katho-lische Vermittlung. Am Ende wird erläutert, wie sich offizielle Urteile zu Luther seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil geändert haben und wie die Lutherisch-Katholischen Dokumente dazu beigetragen haben, »widersprüchliche Interpretationen beider Parteien über den Ursprung und die Ursache der Reformation zu überwinden«.
Der hier vorgestellte Band wird jede gute Bibliothek im Blick auf 2017 bereichern.