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Ausgabe:

Dezember/1999

Spalte:

1208–1210

Kategorie:

Altertumswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Bridel, Philippe [Ed.]

Titel/Untertitel:

Explorations aux Qoucoûr er-Roubâ’îyât. Rapport des campagnes 1982 et 1983.

Verlag:

Louvain: Peeters 1994. 554 S., 8 Ktn. 4 = Projet International de Sauvetage Scientifique des Kellia, EK 8184 Tome II. ISBN 90-6831-647-8.<

Rezensent:

Martin Krause

Gründer der Mönchssiedlung Kellia soll Ammon gewesen sein, der die Gründung auf Vorschlag des Antonius von Koma vornahm. Sie sollte Einsiedlern der Nitria, die größere Ruhe suchten, als neues Refugium dienen. Die Lage der aus dem patristischen Schrifttum, vor allem den Apophthegmata patrum, bekannten Mönchssiedlung Kellia war lange Zeit unbekannt.

Zwar hatte A. de Cosson 19371 die - wie sich später herausstellte - richtige Lokalisierung der Kellia vorgeschlagen, aber erst 1964 konnte A. Guillaumont2 die Richtigkeit von de Cossons Aussage beweisen: In der lybischen Wüste zwischen den Mönchssiedlungen der Nitria und der Scetis. Es handelt sich um ein Gebiet, das in der Ost-West-Erstreckung rund 12 km und in der Nord-Süd-Erstreckung rund 3 km beträgt. 1972 waren noch die Ruinenhügel (Koms) von mehr als 1500 Eremitagen gezählt worden, von denen rund 900 noch intakt waren. Die Koms lagen aber z. T. so nahe beieinander, daß die in den frühen schriftlichen Quellen behauptete Ruhe kaum vorstellbar war. Lag hier eine späte Entwicklung vor? Diese Frage konnten nur Ausgrabungen beantworten.

Das Französische Archäologische Institut in Kairo erhielt die Grabungskonzession von der ägyptischen Altertümerverwaltung, gab aber wegen der o. g. Größe des Gebietes einen Teil der Konzession an die Schweiz ab. Während das Französische Archäologische Institut Kairo den westlichen Teil (Qoucoûr er-Rubâ’îyât und Qasr el-Waheyda) behielt, arbeitete ein internationales Team der Universität Genf unter Leitung von R. Kasser im östlichen Teil (Qoucoûr el-’Izeila, Qoucoûr el ’Abid, Qoucoûr ’Isa) und ab 1969 auch im südöstlichen Teil (Qoucoûr el Izeila und Qoucoûr el-Ireima). Die ägyptische Altertümerverwaltung behielt sich einen Teil des Grabungsgebietes im Bereich der neu zu bauenden Bahnlinie Alexandria-Tanta vor, die die Kellia berührt.

Der Bau dieser Bahnlinie und eines modernen Kanals, der die Wüste bewässern sollte, führte zu Zerstörungen eines Teiles der Ruinen. Daher war für die Ausgrabungen einerseits Eile geboten, andererseits fehlten für dieses trotz seiner Aufteilung überaus große Ausgrabungsgebiet sowohl weitere qualifizierte Ausgräber als auch die benötigten finanziellen Mittel. Vom Schweizer Team wurde daher eine neue Untersuchungsmethode entwickelt: durch Oberflächenbeobachtungen wurden zunächst die Grundrisse der Eremitagen festgestellt und danach die wichtigsten Typen der Eremitagen vollständig ausgegraben. Diese Grabungen erbrachten die erwünschten Daten. Die anderen Eremitagen wurden nur soweit ausgegraben, daß ihre Mauern und damit ihre Grundtypen erkennbar wurden. Zeichneten sich dabei Unterschiede und mögliche neue Erkenntnisse ab, wurden auch sie weiter freigelegt. Die französischen und Schweizer Grabungen hatten bereits 1965 begonnen, die ägyptischen erst 1977. Sie wurden zeitweise unterbrochen, als dieses Gebiet wegen der ägyptisch-israelitischen Auseinandersetzungen zum Sperrgebiet erklärt worden war. Seit 1991 wurden die Grabungen zugunsten von Publikationen der Grabungsergebnisse eingeschränkt.

Nach Vorlage der ersten Grabungsberichte3 fand im August 1984 in Genf ein Kolloquium4 statt, auf dem die Ausgräber mit Experten über die bisherigen Grabungsergebnisse und die zu erwartenden Arbeiten diskutierten. Im Zusammenhang einer Ausstellung ausgewählter Grabungsfunde in Genf von Oktober 1989 bis Anfang Januar 1990 wurden von Teilnehmern der Schweizer Grabung weitere, zusammenfassende Ergebnisse im Ausstellungskatalog5 publiziert. 1991 erschienen in der Coptic Encyclopedia6 zusammenfassende Berichte über die von den französischen, schweizerischen und ägyptischen Grabungsteams geleisteten Arbeiten und die dabei erzielten Ergebnisse. Nach der Vorlage eines Bandes über die von einem internationalen Grabungsteam unter Schweizer Leitung (R. Kasser) durchgeführte Grabungskampagne von 1981 bereits im Jahre 19837 erschien 1994 die hier zu besprechende Publikation.

Sie dokumentiert - wie bereits der Buchtitel und der Untertitel aussagen - die 1982 und 1983 von diesem Grabungsteam in Qoucoûr er-Roubâ’îyât, dem französischen Grabungsgebiet, auf Bitten der französischen Kollegen durchgeführten Arbeiten und die von der ägyptischen Altertümerverwaltung allein und von dem Schweizer Team auf Ersuchen der ägyptischen Altertümerverwaltung 1977 durchgeführten Arbeiten an 25 Eremitagen, die durch den Bau der neuen Eisenbahnlinie bedroht waren. Zu dieser Grabungskampagne von 1977 gehören die Beiträge: S. Favre (195-274), P. Cheric (409-442), D. Sierro (482-485) und ein Teil des Katalogs von F. Bonnet (349-389).

Nach einleitenden Vorworten von R. Kasser (VII f.) und Ph. Bridel (IX-XII), in denen auch die Grabungsteilnehmer der 7., 9. und 10. Kampagne namentlich genannt und die durchgeführten Arbeiten kurz beschrieben werden, faßt P. Courboud (1-4) die Geschichte der Untersuchungen in der Kellia zusammen. Danach waren 1981 nach der Zerstörung des Ruinengebietes durch Bulldozer für die Kultivierung nur noch 630 Eremitagen für eine archäologische Untersuchung geeignet. Bei ihrer Ankunft 1983 fanden die Schweizer Kollegen weitere mehr als 30 neu zerstörte Eremitagen vor. Diese modernen Zerstörungen der Ruinen rechtfertigen das Schweizer Projekt der Oberflächenerforschung und der Beschränkung der Ausgrabungen nur auf die lohnenswerten Eremitagen.

Auch der Bericht von J. Hunziker (5-9) über die Topographie der Kellia und die Vermessung der Grabungen mit der Übersichtskarte (7) über das westliche Nildelta enthält Angaben über mutwillige Zerstörungen des Fixpunktnetzes des Grabungsgeländes.

D. Weidmann (11-15) führt die festgestellten 5 Haupttypen der Eremitagen, die von vor 500 bis zum Anfang des 8. Jh.s datieren - die 4. noch in 3 Untergliederungen - auf, nennt die festgestellten Zahlen ihres Vorkommens und stellt auf 6 Übersichtskarten (13-15) ihre Verbreitung dar. Besonders dicht war die Besiedlung in der 1. Hälfte des 7. Jh.s.

In das 5. Kapitel (54 Eremitagen, die nach der Surveymethode untersucht wurden, 17-190) teilen sich die vier Wissenschaftler F. Bonnet, Ph. Bride, S. Favre und G. Nogara. Ph. Bridel verfaßt allein die Einleitung dieses Kapitels (17) und dann zusammen mit S. Favre und G. Nogara (20-180) die Beschreibung und Architekturanalyse der Eremitagen. F. Bonnet zeichnet allein für die Datierung der Eremitagen (17-29) und ihre Küchen (181-190) verantwortlich. D. Weidmann faßt (191-193) die Ergebnisse seiner Oberflächenbeobachtungen im Jahre 1982 zusammen, S. Favre beschreibt (195-274) die 1977 von der ägyptischen Altertümerverwaltung durchgeführte Untersuchung der 25 Eremitagen.

An der Publikation der fundreichen Eremitage QR 306 (275-345) beteiligen sich wieder mehrere Wissenschaftler: S. Favre beschreibt ihre Architektur (275-283), J. Partyka in Zusammenarbeit mit R. Kasser und W. Vycichl die zahlreichen Inschriften (284-313), W. Vycichl allein im 2. Teil (315-320) die Inschriften, deren genaue Lage im Grundriß der Eremitage (321) vermerkt sind, und M. Rassart-Debergh bearbeitet (322-347) ihre für die Ikonographie wichtigen Malereien.

Das in den Grabungskampagnen von 1977, 1982 und 1983 ergrabene archäologische Material, die Keramik, in Qouçoûr er-Roubâ’îyât wird (349-406) von F. Bonnet in Form eines Kataloges (349-389) vorgestellt, unterstützt (388) von M.-I. Cattin. Die datierbare Keramik hilft auch hier bei der Datierung der Architektur.

An der Bearbeitung der Epigraphik (407-468) beteiligen sich mehrere Wissenschaftler: P. Cherix publiziert zunächst (409-442) in Zusammenarbeit mit N. Bosson, Ph. Bridel und R. Kasser die aus den ägyptischen Grabungen von 1977 stammenden Inschriften, anschließend (443-449) J. Partyka in Zusammenarbeit mit R. Kasser eine Auswahl der in den Eremitagen von Qouçoûr er-Roubâ’îyât entdeckten Inschriften. N. Bosson verdanken wir (450-468) einen ausführlichen Index der veröffentlichten Inschriften. Ph. Bridel faßt in seiner chronologischen Synthese (469-472) die Datierungsergebnisse der ausgegrabenen Eremitagen von vor 550 bis zum Beginn des 8. Jh.s zusammen und zeichnet ihre Verteilung in 5 Plänen ein, so daß sich sehr anschaulich ihre Verteilung über diesen Zeitraum zeigt. Während sie vor 550 noch gering an Zahl sind und weiter voneinander entfernt liegen und die Aussagen der schriftlichen Quellen bestätigen, liegen sie nach 600, aber vor 650, sehr dicht beieinander. J. Partyka steuert (473-481) eine Übersicht bei, an welchen Stellen der Eremitagen die 1982 und 1983 entdeckten Inschriften geschrieben waren. Auch das Verzeichnis der Malereien (482-505) ist untergliedert: D. Sierro gibt zunächst (482-485) eine Übersicht über die 1977 in Qouçoûr er-Rubâ’îyat gefundenen Malereien, L. Keckes (486-489) über die an gleichem Ort 1982 und M. Rassart-Debergh (490-491) über die 1983 dort gefundenen Malereien, anschließend (492-505) stellt sie eine Auswahl des 1982 und 1983 gefundenen Dekors mit Zusammenfassungen und Nachträgen zusammen.

Die reichhaltige Bibliographie (507-510) von N. Bosson, das Abbildungs- (511-515), das Tafel- (517-519) und Inhaltsverzeichnis (523-524) sowie 30 Farbtafeln schließen die Grabungspublikation ab.

Der 2. Band enthält Grund- und Aufrisse von 7 Eremitagen und 2 Übersichtspläne. Diese vorbildlich gearbeitete Grabungspublikation aus der Reihe der Schweizer Kellia-Ausgrabungen stellt eine wichtige Ergänzung der uns erhaltenen literarischen Berichte dar. Wir lernen die Eremitagen und die Räume (Wohn-, Andachts-, Schlafraum, Küche, Toilette, Hof), in denen die Eremiten allein oder mit ihrem Schüler lebten, genauer kennen als aus den schriftlichen Quellen. Es zeigen sich im Laufe der Zeit verschieden große Bauten für bis zu 10 Bewohner, ferner Wohntürme, Anbauten für Gäste und größere Andachtsräume sowie Kirchen. In den Räumen, vor allem im Vestibül, fand man Inschriften in koptischer und griechischer Sprache zur Erinnerung an Mönche sowie verschiedene Malereien. Die Andachtsräume, vor allem die Gebetsnischen, waren mit Malereien (z. B. Kreuzen oder Heiligengestalten neben Tieren) geschmückt.

Unser Dank gilt den Ausgräbern für ihre wichtigen Arbeiten, die sowohl für das Mönchtum als auch für die christliche Archäologie und die Koptologie von großer Bedeutung sind. Wir erhoffen uns die baldige Veröffentlichung ihrer Ausgrabungen in weiteren Grabungsbänden, deren Vorberichte8 interessierten Fachkollegen bereits zugänglich sind.

Fussnoten:

1) A. de Cosson, The Desert City of El Muna. Bulletin de la Sociéte royale d’archéologie d’Alexandrie 31, 1937, 247-253.

2) A. Guillaumont, Le site des Cellia (Basse-Égypte). Revue archéologique 1964, 43-50.

3) N. Bosson (in der zu sprechenden Publikation), 507-510.

4) Ph. Bridel, Le site monastique copte des Kellia. Sources historiques et explorations archéologiques. Actes du colloque de Genève. Mission suisse d’archéologie copte de la Université de Genève 1986.

5) Les Kellia, ermitages coptes en Basse-Égypte. Musée d’art et d’histoire Genève 12 octobre 1989-7 janvier 1990. Editions du Tricorne (mit 9 Aufsätzen und Bibliographie).

6) Kellia, in: Aziz S. Atiya (Editor in Chief), The Coptic Encyclopedia, New York 1991, Vol. 5, 1396-1410.

7) EK 8184. Survey archéologique des Kellia (Basse-Égypte). Rapport de la campagne 1981. Mission suisse d’archéologie copte de l’Université de Genève sous le direction de Rodolphe Kasser. Fasc. 1: texte, Fasc. 2: planches.

8) Recherches archéologiques sur le site monastique copte des Kellia en Basse-Égypte. Campagne de septembre et octobre 1988. Rapport préliminaire, 1989. Campagne de septembre et octobre 1989. Rapport préliminaire, 1990. Campagne d’octobre 1990. Rapport préliminaire, 1991. Restauration de peintures sur le site monastique copte des Kellia en Basse-Égypte. Campagne de juin et juillet 1991. Rapport préliminaire, 1992.