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Ausgabe:

Juli/August/2017

Spalte:

749–750

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Pede, Elena di, and Donatella Scaiola[Eds.]

Titel/Untertitel:

The Book of the Twelve – One Book or Many? Metz Conference Proceedings 5–7 November 2015.

Verlag:

Tübingen: Mohr Siebeck 2016. VI, 209 S. = Forschungen zum Alten Testament. 2. Reihe, 91. Kart. EUR 64,00. ISBN 978-3-16-154553-5.

Rezensent:

Heiko Wenzel

Der von di Pede und Scaiola herausgegebene Sammelband thematisiert eine Frage, die seit einiger Zeit anregende Diskussionen hervorbringt. Di Pede qualifizierte sich 2004 mit einer Arbeit zu Jer 32–45 (BZAW 357). Von 2008 bis 2016 war sie für postdoktorale Studien an der katholischen Universität Leuven und ist zurzeit Professorin an der Universität Lorraine-Metz. Scaiola lehrte seit 1990 an verschiedenen Institutionen und ist zurzeit als Professorin an der Pontificia Università Urbaniana in Rom. Ihre Zusammenarbeit weist auf einen wertvollen Aspekt dieses Bandes: seine Internationalität. Fünf der zehn Beiträge sind auf Französisch verfasst. Außerdem kommen zwei italienische Autoren und ein israelischer Autor (jeweils auf Englisch) zu Wort.
Die Beiträge von Ben Zvi und Nogalski eröffnen den Sammelband. Beide haben die Diskussion um die zwölf Propheten in den vergangenen Jahrzehnten maßgeblich geprägt. Ben Zvis Beitrag zeichnet sich – wie das oft bei ihm der Fall ist – durch eine kritische Reflexion einiger Voraussetzungen der Diskussion aus. Er zeigt methodische Defizite der weit verbreiteten These eines Zwölfprophetenbuches auf und erweitert seinen eigenen Ansatz im Rückgriff auf neuere Formkritik und memory studies. Die Zwölf bilden für ihn eine Teil-Sammlung innerhalb der prophetischen Bücher. Einerseits liegt also eine Sammlung vor, andererseits behalten sie ihre Individualität. Jedes Buch ist für sich ein prophetisches Buch. Kein Aspekt der Diskussion erfordert, dass die (Be-)Deutung dieser Bücher von der (Teil-)Sammlung her zu bestimmen ist; es wird nicht einmal nahelegt, so Ben Zvi. Nogalski wehrt sich (erneut) dagegen, dass das Zwölfprophetenbuch nur eine These sei. Vielmehr ist es ein historisches und literarisches Faktum, das herausfordert, nach Erklärungen (und Deutungen) zu suchen. Seine Ausführungen dazu beschäftigen sich mit antiken Verweisen und vor allem mit Hinweisen auf eine Lektüre der Zwölf als Korpus (u. a. Jesus Sirach, Hieronymus).
Diese Arbeiten veranschaulichen wichtige Aspekte eines akademischen Diskurses, der sich nun schon über einige Jahre erstreckt. In offensichtlichem Respekt vertreten beide ihr gegensätzliches Profil, schärfen und nuancieren es gleichermaßen, wie dies beispielsweise Nogalski auf S. 41 formuliert: »I am not arguing that reading the Twelve as a corpus was the only – or even the dominant – model of reading the Twelve, but neither should one assert or imply that readings of the Twelve as a corpus are entirely absent from the ancient discourse.«
Die weiteren Beiträge zeichnen sich wiederholt durch ihre aufmerksame Lektüre aus. Sie beschäftigen sich mit einschlägigen Texten oder Themen im Zwölfprophetenbuch (z. B. Hos 1–3) oder problematisieren den Gedanken der Einheit. Zakovitch diskutiert Mal 3,22–24 auf verschiedenen Ebenen (im Verhältnis zum Maleachi, zum Zwölfprophetenbuch, zur prophet. Literatur insgesamt und zur Tora). Das fördert viele interessante Aspekte zutage, gleichgültig, ob man nun der These zustimmt, dass Jos 1,7–8 und Mal 3,22–24 im Zuge der Trennung von den Samaritanern dazu dienten, Tora und die prophetische Literatur zu verbinden. Scaiola liest den Endtext des Zwölfprophetenbuchs als »unified whole«, das sich aus heterogenen Bestandteilen zusammensetzt und erläutert das anhand eines Blickes auf den Rahmen des Zwölfprophetenbuches (Hos/Mal) und auf die Aufnahme von Ex 34,6–7. Sie verweist nicht zuletzt auf die Stellung von Jona 4,2; Mi 7,18–20 und Nah 1,2–3a in zentraler Position. Das Zwölfprophetenbuch liest sie als eine Geschichte der Prophetie, die eines betont: Was auch immer sich verändert (hat), Gott hat sich nicht verändert: Das Bekenntnis von Ex 34,6–7 ist noch gültig. Dieser abschließende Beitrag der Herausgeberin veranschaulicht das Lektürepotential eines Zwölfprophetenbuches. Es werden aber auch wesentliche Probleme sichtbar: inwiefern kann von einer Einheit die Rede sein? Welcher Art ist sie dann (literarisch/thematisch oder redaktionell)? Diese Anfragen werden nicht zuletzt durch andere Beiträge unterstrichen, die zurückhaltend oder auch ablehnend der Idee eines Zwölfprophetenbuches gegenüberstehen. Beispielsweise stellt Himbaza fest, dass intertextuelle Bezüge, gemeinsame Themen oder auch Beobachtungen zu Ben Sira nicht ausreichen, um den Gedanken »eines Buches« oder einer redaktionellen Einheit zu etablieren. Oder Tremblay anerkennt redaktionelle Vorgänge in Richtung einer einigenden Lektüre der zwölf Propheten, denkt aber laut darüber nach, ob man nicht besser das Wort »Einheit« gegen ein anderes austauschen sollte.
Es ist den Herausgebern mit diesem Band gelungen, wesentliche Fragen und Möglichkeiten der Beschäftigung mit den kleinen Propheten und damit wichtige Aspekte der Thematik abzubilden und die laufende Diskussion zu bereichern. Die überzeugende Qualität der Präsentation der Beiträge und des gesamten Bandes erleichtern die Lektüre. Die Anerkennung von offenen Fragen ist dabei kein Defizit, sondern spiegelt den aktuellen Stand.