Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Juni/2017

Spalte:

647–649

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Zinsmeyer, Sabine

Titel/Untertitel:

Frauenklöster in der Reformationszeit. Lebensformen von Nonnen in Sachsen zwischen Reform und landesherrlicher Aufhebung.

Verlag:

Stuttgart: Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig in Kommission bei Franz Steiner Verlag 2016. 455 S. m. Abb. u. Tab. = Quellen und Forschungen zur sächsischen Geschichte, 41. Geb. EUR 76,00. ISBN 978-3-515-11542-1.

Rezensent:

Stefan Michel

Mit der Verbreitung reformatorischer Gedanken vor allem Martin Luthers um 1520 wuchs der wirtschaftliche wie legitimatorische Druck auf die Klöster, so dass eine Reihe von Mönchen und Nonnen ihre bisherige Lebensweise aufgab und in der Welt ihr Glück suchte. Während für ehemalige Mönche unterschiedliche Alternativen zum klösterlichen Leben bereitstanden, gab es diese Möglichkeiten für Nonnen und Stiftsdamen in diesem Umfang nicht. Wie sich die Reformation vor allem auf das Magdalenerinnenkloster in Freiberg auswirkte, geht Sabine Zinsmeyer in ihrer von Enno Bünz betreuten und in Leipzig im Jahr 2015 angenommenen historischen Dissertation nach.
Die Arbeit zerfällt in drei Teile: die monographische Darstellung (11–270), einen »Personenkatalog des Freiberger Frauenklos­ters« (273–335) sowie einen Anhang mit Transkriptionen ausgewählter Quellen (339–384). Hinzu kommen zehn Abbildungen (385–390), ein Abkürzungsverzeichnis (391) und ein umfangreiches Literatur- und Quellenverzeichnis (392–421). Ein Register, das so­wohl Orte als auch Personennamen enthält, beschließt das Buch (422–455).
Die Einleitung (11–29) zeichnet ein präzises Bild des gegenwärtigen Forschungsstandes. Einschränkend zum Titel des Buches wird hier darauf hingewiesen, dass vor allem das Magdalenerinnenkloster Freiberg im Fokus der Untersuchung steht. Ergänzend treten Analysen zu den Frauenklöstern in Altenburg, Döbeln, Großenhain, Meißen, Riesa, Sitzenroda und Sornzig hinzu (13). Hier offenbart sich bereits das erste Problem dieser Studie: Z. verzichtet darauf, den von ihr verwendeten Begriff ›Sachsen‹ näher zu präzisieren. Aus der Verwendung wird klar, dass sie sich vor allem auf das albertinische Sachsen bezieht, allerdings mit den Klöstern Al-tenburg, Großenhain und Sitzenroda auch Ausflüge in das ernes­tinische Sachsen (bis 1547 Kursachsen) macht. Gelegentlich scheint sie auch an den heutigen Freistaat Sachsen gedacht zu haben. Me­thodisch will Z. nach »›Lebensformen‹ in Frauenklöstern« fragen (26). Diese Grundlegung ist zu willkürlich und unpräzise. Möglicherweise hätte die Einbeziehung von Fragestellungen der Genderforschung zur Schärfung von Fragestellung und Quellenauswertung geführt, da Z. an keiner ordensgeschichtlichen, sondern an einer eher kulturgeschichtlichen Darstellung interessiert ist.
Im zweiten Kapitel zeichnet Z. ein Bild der »politische[n], gesellschaftliche[n] und religiöse[n] Rahmenbedingungen (1464–1550)« (30–77). Die Basis vorliegender Forschungen kann sie jedoch kaum erweitern. Leider geht Z. nicht weiter auf das Privileg zur Klostervisitation von 1484 ein (36 f.). Hatte es keine weitere Bedeutung für wettinische Klosterpolitik? Dass Friedrich der Weise als »der letzte altgläubige Landesherr des ernestinischen Kurfürstentums Sachsen« vorgestellt wird (37.40), ist – abgesehen von den terminologischen Unschärfen – immerhin eine mutige These, die jedoch nicht begründet wird.
Damit kommt Z. zum eigentlichen Hauptteil ihrer Studie, der dem Freiberger Magdalenerinnenkloster gewidmet ist (78–189). Ausführlich berichtet sie auf der Basis vorhandener Literatur und gründlicher Quellenstudien über den Orden, die Ordensgeneräle, die Baugeschichte, die Klosterkirche, die Stellung des Klosters in der Stadt, das religiöse Leben im Kloster sowie seine wirtschaftliche Lage. Aufgrund vorhandener Bibliotheksverzeichnisse lassen sich sogar vorsichtige Rückschlüsse auf die klösterliche Lektüre ziehen. Zudem rekonstruiert Z. Struktur und Aufgaben klösterlicher Ämter. Ausführlich werden die »Reformmaßnahmen unter Barbara Schroter (1480–1522)« dargestellt, die die wirtschaftlichen und theologischen Verhältnisse des Klosters stabilisierten. Allerdings kam es unter dem Eindruck reformatorischer Gedanken bald zu Klosterfluchten und der Spaltung des Konvents in ein reformatorisches und ein »romtreues« Lager. 1537 wurde im Kloster durch eine erste Visitation die Reformation eingeführt. Weitere Visitationen folgten 1538 und 1542. Ausgetretene Nonnen wurden finanziell abgefunden. 1555 wurde im Kloster eine Mädchenschule eingerichtet.
Acht »Fallstudien zu weiteren sächsischen Frauenklöstern« (190–236) sollen das gewonnene Bild abrunden und weiteres Material bereitstellen.
Auf dieser Materialbasis, die nochmals durch Beispiele aus den Klöstern Naumburg am Quais und Lauban angereichert wird, legt Z. einige »Leitthemen der Frauenklöster in der Reformationszeit« vor (237–265). Dieses Kapitel kann auch als thematische Zusammenfassung angesehen werden. Damit verlässt Z. die bisherige Chronologie, um nun thematische Verdichtungen vorzulegen. Die behandelten Loci werden nicht näher begründet und behandeln »Mobilität«, »Konversion«, »Flucht«, »Versorgung«, »Konvent«, »Fa­ milie«, »Heirat«, »Erwerbstätigkeit«, »Sozialer Abstieg« und »Wi­derstand?«. Gerade der Abschnitt über Konversion zeigt die me-thodische Schwäche der vorliegenden Studie besonders deutlich. Z. fehlt eine klare Vorstellung dessen, was sie als Reformation be­zeichnet. Zudem ist ihr offenbar unklar, dass man in den 1520er Jahren nicht ohne Not vom »Luthertum« sprechen sollte, wie sie es unentwegt tut. Der Begriff wird an keiner Stelle näher definiert, meint aber offenbar jegliche reformatorische Theologie. Eine be­kenntnismäßige Verdichtung der Wittenberger Reformation liegt erst mit dem Augsburger Bekenntnis von 1530 vor. Doch dieses begründet nicht automatisch das Luthertum. Statt bei den Nonnen nach »Bekenntnisse[n] zum Luthertum« zu suchen (240), hätte Z. besser nach ihrer Einstellung zu Luthers Theologie bzw. Schriften oder nach ihrer Entscheidung für die Reformation fragen sollen. Natürlich lässt sich im Leben einer Nonne oder eines Mönchs die Entscheidung für die Reformation als Bruch konstatieren (239). Ist dies jedoch bereits eine Konversion? Handelt es sich dabei nicht nur um eine Entscheidung? Ähnlich problematisch ist es, wenn man Kurfürst Johann eine Konversion unterstellt (76).
Noch problematischer stellt sich das Bild dar, wenn man die von Z. angeführten Beispiele durchleuchtet. Ein Beispiel sei angeführt: Elisabeth Meckler, ehemals Äbtissin in Oberweimar (242), war die Tochter des Weimarer Johann Meckeler oder Meckenlor. Sie trat nach dem Tod ihres Vaters im Jahr 1507 mit ihrer Mutter und zwei Schwestern in das Kloster Oberweimar ein, wo sie 1512 Äbtissin wurde. 1525 verließen die vier Frauen das Kloster und gingen zu Elisabeths Bruder Hans nach Neunburg. Dort heiratete eine Schwes­ter und starb bei der Geburt des ersten Kindes. Erst unter dem Eindruck dieses Ereignisses gingen die nunmehr nur noch drei Frauen in das Kloster Langendorf im Herzogtum Sachsen. Diesen Lebensweg als »Bekenntnis zur Papstkirche« zu bezeichnen (242), fällt schwer. Da Z. nur eine Aussage der Elisabeth Meckler aus dem Jahr 1540 auswertet, verschwinden alle weiteren interpretatorischen Nuancen, die sich aus dieser Biographie ergeben.
Für eine zukünftige Beschäftigung mit den Lebenswegen von Nonnen in der Reformationszeit dürfte der Personenkatalog rei-ches Material bieten (273–335). Nicht genug gelobt werden kann der Anhang mit 13 Transkriptionen ausgewählter Quellen. Darunter befinden sich beispielsweise die Antwort des Freiberger Konvents auf einen Sendbrief der Ursula von Münsterberg aus dem Jahr 1529 (340–360), das Buchinventar des Freiberger Klosters von 1572 (364–371) sowie eine »Anordnung Georg Spalatins für Jungfrauenklöster« (383 f.).
Dem aufmerksamen Leser fallen eine Reihe von Ungenauigkeiten auf, die in der Forschung nicht fortgeschrieben werden sollten:
Die Visitationen begannen 1527 nicht im Kurkreis (40), sondern in Ostthüringen. – Dass Luther der Motor für die Sequestration nach 1531 gewesen sei (62), ist nicht zutreffend. Vielmehr drangen die Landstände – besonders deutlich auf dem Ausschusstag zu Torgau 1531 – darauf, den Umgang mit dem Klostergut durchsichtig zu machen. – Nur wenn man Luthers Gedanken in seiner Schrift »Von den guten Werken« aus dem Jahr 1520 aufs Äußerste verkürzt, kann man sagen, dass gute Werke zu vollbringen im reformatorischen Sinne meine, »die Gebote Gottes zu befolgen« (153). Allerdings hat man mit dieser Verkürzung den Gedanken Luthers nicht begriffen, der die zentrale Bedeutung des Glaubens betont. – Caspar Schwenckfeld (1490–1561) war ein eigenständiger Geist und sollte nicht ohne nähere Begründung als »lutherischer Reformer« bezeichnet werden (165), selbst wenn er Anfang der 1520er Jahre von Luthers Theologie beeinflusst wurde.
Der auf S. 192 und 193 zweimal erwähnte kurfürstliche Befehl aus dem Jahr 1538 wurde nicht von Kurfürst Johann, sondern seinem Sohn Johann Friedrich von Sachsen erlassen. – Bei dem auf S. 242 erwähnten Dorf »Christendorf bei Schleitz« handelt sich um Crispendorf bei Schleiz. – Wie und ob sich Nonnen auf die sogenannte »Schwachheitsklausel im ›Unterricht der Visitatoren‹« (265.269) – gemeint ist die Möglichkeit, das Abendmahl in einerlei Gestalt zu empfangen – nach 1538 beriefen, müsste eigens untersucht werden. Seit 1538 fehlte die entsprechende Formulierung im »Unterricht der Visitatoren«. Das Argument konnten die Nonnen zwar weiterhin anführen, sich allerdings nicht mehr auf den Unterricht berufen. – Die Aussage, dass erstmals 1529 eine reformatorische Klosterordnung für das Kloster Nimbschen erlassen wurde (269), müsste dringend überprüft werden, wurden doch schon seit 1527 durch die Visitatoren Streitigkeiten in verschiedenen Konventen geregelt.
Der Titel des vorliegenden Buches verspricht leider mehr, als er hält. Vor allem wird der Leser über das Magdalenerinnenkloster in Freiberg in der Reformationszeit informiert, was die Forschung deutlich bereichert. Die unklare methodische Ausrichtung der Studie hat allerdings erhebliche Auswirkungen auf die Auswertung der Quellen, die nur fragmentarisch zum Sprechen gebracht werden. Mit diesem Buch ist das letzte Wort zum Thema Frauenklöster in den wettinischen Herzogtümern in der ersten Hälfte des 16. Jh.s noch nicht gesprochen. Allerdings vermag es Perspektiven für zukünftige Forschungen aufzuzeigen.