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Ausgabe:

Juni/2017

Spalte:

604–605

Kategorie:

Altertumswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Panagiotopoulos, Diamantis, u. Maren Schentuleit [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Macht und Ohnmacht. Religiöse, soziale und ökonomische Spannungsfelder in frühen Gesellschaften.

Verlag:

Wiesbaden: Harrassowitz Verlag 2014. 162 S. m. Abb., Ktn.u. Tab. = Philippika, 75. Kart. EUR 48,00. ISBN 978-3-447-10269-8.

Rezensent:

Stefan Bojowald

Die Publikation schließt Beiträge zu einem interdisziplinär besetzten und am 30.01.2010 veranstalteten Kolloquium von Doktoranden und Doktorandinnen des Zentrums für Altertumswissenschaften der Universität Heidelberg ein. Der Inhalt kann in die folgenden Teile zerlegt werden:
Torben Keßler wendet den Blick der Redistribution und Zentralisierung in der spätbronzezeitlichen Palastwirtschaft von Knossos und Pylos zu. Der sich aus der Hochrechnung der Siedlungsdichte von 81 Ortsnamen in den Linear-B-Texten ergebende geringe territoriale Umfang des knossischen Staates wird skeptisch aufgenommen (17). Die Textilproduktion wird zu den Hauptzweigen der Ökonomie in Knossos gezählt (19). Die Speicherkapazitäten im Palast von Knossos werden mit der Eigenversorgung der Bewohner assoziiert (22). Die Siedlungen in Pylos weisen u. a. bei der Flachs- und Textilindustrie einen höheren Grad der Spezialisierung auf (26). Die Involvierung des Palastes in die Wirtschaft wird in Pylos für größer gehalten (30).
Noah Vander Beken reflektiert über die Mittlerfunktion der spätbronzezeitlichen minoischen und mykenischen Paläste bei der Schaffung von asymmetrischen Machtbezügen. Das Verhältnis von Nähe und Ferne wird als neue Kategorie bei der Interpretation von Macht eingeführt (35). Die »Performance« wird mit großformatigen Festveranstaltungen der minoischen Eliten zur Bildung von sozialem Status in Zusammenhang gebracht (37). Die Architektur wird gleichsam als Bühne für die betreffenden Aktivitäten gedeutet, die durch Wiederholung ritualisiert wurden (38). Die Zentralität des Raumkonzeptes aller minoischer Paläste wird für wichtig erachtet (40). Die alte Unterscheidung zwischen minoischen und mykenischen Palästen in Bezug auf Fortifikation und exponierte Lage wird relativiert (49). Der Grundriss der mykenischen Paläste zeichnet sich durch eine lineare Axialität ohne zentralen Hof aus (49).
Christoph Meiselbach befasst sich mit der Möglichkeit der Einflussnahme philosophischen Denkens in der Spätantike. Die philosophische Tugend der Standhaftigkeit (Karteria) gegenüber der staatlichen Obrigkeit wird an mehreren Beispielen exemplifiziert (61–68).
Christoffer Theis wertet die ideologische Konzeption von ausgewählten Pyramidentexten zum Himmelsaufstieg des ägyptischen Königs aus. Die »bA.w«-Seelen werden als lokale Abgrenzung von göttlichen Gemeinschaften erklärt (75). Die Wesen werden als Hilfskräfte beim Aufstieg der Seele des Herrschers zum Himmel definiert (84). Das in PT 267 § 365a tradierte Schlagen der Treppe lässt sich von der 5. bis 26. Dynastie nachweisen (95). Die Hilfe der »bA.w« büßt offenbar in späterer Zeit an Bedeutung ein (95). Das Ritual »sSS wAD« »Papyrus raufen o. ä.« wird als Medium für den Himmelsaufstieg des Privatmannes neu interpretiert (96–106). Das Hinaufsteigen auf der Treppe zum Mastabadach wird als symbolischer Akt des Himmelsaufstiegs für möglich gehalten (107).
Svenja Nagel widmet sich Aspekten zur Herrschaftslegitimation durch die ägyptische Göttin Isis. Die Ursprünge des Phänomens reichen bis in pharaonische Zeit zurück (116–126). Der Aufstieg von Isis – und Serapis – zu Dynastiegöttern der Ptolemäer wird dokumentiert (127). Die Verbreitung des Kults im gesamten Ostmittelmeerraum wird thematisiert (127). Die Kultförderung der Ptolemäer u. a. mit Bauprogrammen wird diskutiert (127). Die Angleichung der ptolemäischen Königinnen an Isis wird speziell hervorgehoben (128–131). Die besondere Bezugnahme Ptolemaios’ IV. auf die osirianische Triade drückt sich durch das erstmals in der Dynastie verwendete Königsepitheton »geliebt von Isis« aus (132). Das Interesse des römischen Kaisertums am Isiskult ist zum ersten Mal unter Caligula zu beobachten (137). Die neue Dimension, die der Isis-/ Serapis-Kult unter den Flaviern erhält, wird herausgestrichen (138–140). Die Bindung der weiblichen Angehörigen des Kaiserhauses an Isis wurde unter den Flaviern ebenfalls intensiviert (141).
Nadia Herichi geht der politischen Macht arabischer Stämme in vorislamischer Zeit nach. Die Etablierung der Herrschaft der Lachmiden im späten 3. Jh. n. Chr. wird erwähnt (149). Der Parteigang der dortigen Kleinkönige mit dem Sassanidenreich kommt zur Sprache (149). Die Blütezeit der Lachmiden wird in die erste Hälfte des 6. Jh.s angesetzt, während das Ende an den Anfang des 7. Jh.s. datiert wird (150–151). Die Rolle der Ghassaniden als Bündnispartner der Byzantiner unter Kaiser Anastasios I. wird festgehalten (152).
Die Bewertung kann in positivem Stil erfolgen. Die Fragestellungen werden fachkundig abgehandelt. Die Schlussfolgerungen klingen durchaus überzeugend.