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Ausgabe:

Juni/2017

Spalte:

603–604

Kategorie:

Altertumswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Neumann, Hans, Dittmann, Reinhard, Paulus, Susanne, Neumann, Georg, u. Anais Schuster-Brandis [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Krieg und Frieden im Alten Vorderasien. 52e Rencontre Assyriologique Internationale – International Congress of Assyriology and Near Eastern Archaeology, Münster, 17.–21. Juli 2006.

Verlag:

Münster: Ugarit-Verlag 2014. XII, 947 S. m. Abb. = Alter Orient und Altes Testament, 401. Lw. EUR 178,00. ISBN 978-3-86835-075-3.

Rezensent:

Eckart Otto

Der hier anzuzeigende Sammelband vereint 58 zum Druck ein-gereichte Beiträge, die auf der Rencontre Assyriologique 2006 in Münster vorgetragen wurden. Als die Organisatoren der Rencontre das Thema wählten, konnten sie nicht ahnen, wie aktuell es zehn Jahre später die politische Realität prägen würde. Doch schon in der Antike gehörten ständige Kriege zu den Erfahrungen der Menschen, die damals wie heute von Friedenssehnsucht begleitet wurden. So ist es kein Wunder, dass Krieg und Frieden schon mehrfach zum Thema einer Rencontre Assyriologique wurden, so auf der 12. Rencontre 1963 in London mit »Warfare in the Ancient Near East«. Auch war das Thema mit »War and Peace in the Ancient Near East« 1990 für die 37. Rencontre in Baghdad vorgesehen, die aber aufgrund des Golfkrieges nicht mehr stattfinden konnte. Der Sammelband der 52. Rencontre beleuchtet die Themen von Kriegseröffnung, Kriegsführung und Kriegsbeendigung, Friedensschluss und Friedenssicherungen sowie Friedenshoffnungen aus der Perspek-tive von Beiträgen aus der Sumerologie, Akkadistik, Hethitologie, Ugaristik und Vorderasiatischen Archäologie. Dazu werden Beiträge zu den Aspekten der militärischen Ausrüstung und Kriegstaktik, der religiösen Kriegslegitimation und der religiös-rituellen Begleitung und Unterstützung der Kriegsparteien, der Rechtsfragen, die mit der Kriegseröffnung und -beendigung sowie der Friedenssicherung verbunden sind, ferner der politischen und speziell der ökonomischen Ursachen von Kriegen als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln zusammengetragen. Hinzu kommen weitere Beiträge, die sich mit dem Niederschlag von Krieg und Frieden in Religion, Literatur und Kunst beschäftigen. Neben den Beiträgen zum Hauptthema von Krieg und Frieden fanden auf der Rencontre auch zwei Workshops zum sumerischen Gar sˇana in Umma und zur »Old Babylonian Scribal Education« statt.
Einige Beiträge sind für die alttestamentliche Wissenschaft, die mit keinem eigenen Beitrag vertreten ist, von besonderem Interesse. Das gilt für den Beitrag von D. Bodin (Paris) zu den Parallelen zwischen einer sogenannten »Witwen-Tafel«, die die Mittelassyrischen Gesetze der Tafel A in § 45 im Falle, dass ein Soldat verschollen oder gefallen ist, vorsehen, und dem Scheidungsbrief verschollener Soldaten im Talmud, was auf eine Rechtskontinuität und Rechtskontakte von hebräischem und assyrischem Recht in der neuassyrischen oder neubabylonischen Zeit hinweisen kann. Ähnlich zeigt auch das biblische Recht im Deuteronomium Parallelen mit assyrischem und babylonischem Recht (cf. dazu E. Otto, Deuteronomium 12–34, HThK.AT, 2016–2017), was D. Bodins These des Rechtskontaktes unterstreichen kann. Für das biblische Kriegsgesetz in Dtn 20 und biblische Kriegser­zählungen der Vorderen Propheten sind der Beitrag von A. Capomacchia und M. Rivaroli zu den rituellen Stabilisierungen von Übergangsphasen im Kriegsverlauf von der Kriegseröffnung bis zum Friedensschluss, der Beitrag von T. Dezsö (Budapest) zum neuassyrischen Militärgeheimdienst, von S. Franke zu Marduks Zorn und Sanherib sowie der Beitrag von G. Galter (Graz) zum Weltherrschaftsanspruch Sargon II. von Interesse. B. Jacobs (Basel) zeigt überzeugend, dass der Begriff der »Toleranz« die Haltung achämenidischer Herrscher zu fremden Religionen nicht angemessen zum Ausdruck bringt. Vielmehr sei von einer »Äquidistanz« zu sprechen, die die Verehrung fremder Götter zuließ, aber auch die Zerstörung ihrer Heiligtümer wie in Athen, da die Herrscher sich in der »Gunst« Ahuramazdas wussten, die ih­nen als Rechtgläubige den Sieg über fremdgläubige Feinde sicherte. Schließlich sind für das Alte Testament von direkter Bedeutung die Beiträge von R. Lamprichs (Berlin) zur Pax Assyriaca in Gilead anhand der Grabung auf Tell Johfiyeh südwestlich vom heutigen Irbid und von M. Lang (Innsbruck) zur Literaturgeschichte der sumerisch-akkadischen Fluterzählung, was inzwischen zu einer einschlägigen Habilitationsschrift (Die altorienta-lischen Traditionen der Fluterzählung, Innsbruck 2016) ausgebaut wurde.
Dem Kongressband wird für viele Jahre die Funktion eines Referenzwerkes zum Thema von Krieg und Frieden in altorientalischen Traditionen zukommen. Den Herausgebern sei dafür gedankt. Der Band wird durch umfangreiche Indizes abgeschlossen.