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Ausgabe:

Mai/2017

Spalte:

525–526

Kategorie:

Kirchengeschichte: 20. Jahrhundert, Zeitgeschichte

Autor/Hrsg.:

Anhalt, Markus

Titel/Untertitel:

Die Macht der Kirchen brechen. Die Mitwirkung der Staatssicherheit bei der Durchsetzung der Jugendweihe in der DDR.

Verlag:

Göttingen u. a.: Vandenhoeck & Ruprecht 2016. 221 S. = Analysen und Dokumente. Wissenschaftliche Reihe des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR, 45. Kart. EUR 18,00. ISBN 978-3-525-35121-5.

Rezensent:

Siegfried Bräuer

Die Darstellung des katholischen Theologen und Mitarbeiters in der Außenstelle Leipzig des BstU Markus Anhalt beschränkt sich auf die Jahre der Einführung der Jugendweihe 1954 bis zum Ende der einheitlichen kirchlichen Regelung 1959. Da es ihm in der Hauptsache um die Kenntnisse und Handlungsweise des MfS in Bezug auf diese Thematik geht, konzentriert er sich bewusst vorrangig auf MfS-Unterlagen. Auf dieser eingeschränkten Quellenbasis baut er seine chronologisch angelegte Untersuchung auf. Die Kapitel 1 bis 5 widmet er der Vorgeschichte der Jugendweihe: Herkunft, politische Hintergründe der Einführung, Aufruf zur Ju­gendweihe, Weg zur Jugendweihe (ausführlicher über Reaktio-nen der evangelischen und der katholischen Kirche), erste Jugend-weihen.
Die Schwerpunktdarstellung setzt mit Kapitel 6 ein: Das Ju­gendweihejahr 1955/56 (»Einheit in der Entweder-oder-Haltung der Kirchen«). A. schildert die Abläufe und berichtet über die Zielpersonen und Zielgruppen des MfS in der evangelischen und katholischen Kirche sowie der CDU. Den Analysen des MfS (vor allem Sachsen) fügt er einen Exkurs über die letztlich vergeblichen Aktionen des MfS gegen den thüringer Pfarrer Martin Zunkel an. Die folgende Phase über das Jugendweihejahr 1956/1957 (Kapitel 7) wird mit »Gespannte Stille« überschrieben. Im Mittelpunkt steht das Agieren des MfS gegen den Widerstand der Kirche durch ihr Festhalten an der Unvereinbarkeit mit der Konfirmation. Genauer wird das Interesse des MfS an den Bischöfen Mitzenheim (Thüringen) und Noth (Sachsen), an der Ostkirchenkonferenz und der EKD-Kirchenkanzlei sowie dem Berliner Bischof Dibelius berichtet, sehr knapp auch über die katholische Kirche und anhand von ausgewählten Beispielen über Christen vor Ort (genauer die Widerspiegelung von Aktionen betr. kirchlicher Beschwerden). Danach geht A. knapp auf den Abmilderungsversuch des CDU-Vorsitzenden Gerald Götting ein und schließt das Kapitel ab mit dem Bemühen um eine Klärung durch ein Staat-Kirche-Gespräch zur Jugendweihe am 3. Dezember 1956.
Der Höhepunkt des Konflikts ereignete sich im Jugendweihejahr 1957/1958, das A. mit der Überschrift »Zur Erziehung zum Atheismus angetan« versieht. Zunächst stellt A. etwas ausführlicher Konfliktherde und Interessenschwerpunkte dar: Kirchenzuchtmaßnahmen, den Vorwurf des Verfassungsbruchs, die staatliche Propaganda und das öffentlich wirksame Vorgehen von staatlicher Seite, Reaktionen kirchlicher Oppositionsgruppen (Wei­ßenseer, Bischofswerdaer und Weimarer Arbeitskreis), Ulbrichts Sonneberger Rede vom 29. September 1957 sowie das Geschenkbuch »Weltall, Erde, Mensch«. Danach geht A. auf die Folgen der verschärften Situation im Blick auf Vertreter der evangelischen Kirche (vor allem die Bischöfe Noth und Mitzenheim) und ausführlicher auf Repräsentanten der katholischen Kirche ein, bevor er sich etwas knapper der CDU zu­wendet. Zwei Exkurse über die Anklagen gegen den Berlin-Bohnsdorfer Pfarrer Konrad Heckel und gegen den Pampower Propst Otto Maercker werden angeschlossen. Während das Verfahren gegen Heckel eingestellt wurde, konnte die Zuchthausstrafe von zweieinhalb Jahren wegen Boykotthetze gegen Maercker nicht verhindert werden.
Weniger spektakulär verlief das Jugendweihejahr 1958/1959 (Kapitel 9: »Schwindende Einheitlichkeit beim Entweder-oder«), in dem sich das MfS vorwiegend auf »betriebsame Wahrnehmungen« beschränkte. Auf kirchlicher Seite war es dagegen durch erhebliche »kirchenpolitische Betriebsamkeiten« gekennzeichnet. »Der entscheidende Durchbruch« mit der Jugendweihe 1959 wird gesondert dargestellt (Kapitel 10). Die weiteren Entwicklungen (ab 1960 Einzelentscheidungen für Teilnahme an der Jugendweihe typisch), werden im 11. Kapitel skizziert. In einer knappen Betrachtung (Kapitel 12) fasst A. Grundlinien seiner Ergebnisse zusammen. Als Anlage folgen drei Verzeichnisse.
Von einigen Details abgesehen, hat die Studie kaum Neues zu bieten. Sie ist wohl nur als Reihentitel verständlich. Die Quellenbeschränkung auf MfS-Unterlagen erweist sich nicht als sinnvoll, da auch auf gedruckte Quellen verzichtet wird (z. B. Björkmans Ausgabe der Rundbriefe Mitzenheims) und tiefer lotende Fragen nicht gestellt werden. Weshalb die umfangreichen Akten von »Bastler« (Oberkonsistorialrat Dr. Hans-Joachim Weber) und damit die Aktionen des MfS in der Greifswalder Landeskirche nicht be­rücksichtigt werden, ist nicht ersichtlich. Kleinere Mängel fallen gegenüber diesen Bedenken nicht ins Gewicht (z. B. Verwechslung von Hans-Georg mit Dr. Herwig Hafa, evangelische Bischöfe als »Oberhirten« und ihre Schreiben an die Gemeinden als »Hirtenbriefe«).