Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Mai/2017

Spalte:

471–473

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Abmeier, Karlies [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Geld, Gott und Glaubwürdigkeit.

Verlag:

Paderborn u. a.: Ferdinand Schöningh 2016. 367 S. m. Abb. u. Tab. = Religion – Staat – Gesellschaft, 3. Kart. EUR 29,90. ISBN 978-3-506-78248-9.

Rezensent:

Gerhard Wegner

Der Band versammelt insgesamt 25 für den Druck überarbeitete Referate, die auf einem Symposium der Konrad-Adenauer Stiftung im Herbst 2014 zum Thema »Geld, Gott und Glaubwürdigkeit« gehalten wurden. Sie beziehen sich zunächst allgemein auf das Verhältnis von Religion und Geld und sind dann zum allergrößten Teil fokussiert auf die Frage der Finanzierung von Kirchen und anderen Religionsgemeinschaften.
Die Reihenfolge der Texte folgt dabei einer klaren Logik, die sich allerdings im (ungegliederten) Inhaltsverzeichnis nicht erschließt. Zunächst werden in sechs Texten grundsätzliche Überlegungen zum Verhältnis von Christentum, Judentum, Islam und afrikanischer traditioneller Religionen zum Geld angestellt. Es folgt dann ein Teil mit insgesamt neun Texten, die die Finanzierung der christlichen Kirchen und des religiösen Lebens in der Türkei analysieren. Dieser Abschnitt endet mit einem Beitrag von Arnd Uhle, in dem Instrumente der Kirchenfinanzierung in Europa vergleichend dargestellt werden. Der Beitrag bietet mit seinem Fazit, dass das deutsche Kirchensteuersystem mit Abstand am besten geeignet sei, die Finanzierung von Kirchen und Religion sicherzustellen, zugleich den Übergang zum dritten Teil des Buches, in dem sieben Texte ausführlich das deutsche Kirchensteuersystem – auch im Blick auf die Rolle der Kirchen als Arbeitgeber und ihre Vermögensverwaltung – darstellen.
Schließlich lassen sich drei Beiträge zum Schluss als Ausblick auf kommende Herausforderungen für eben dieses deutsche Kirchensteuersystem verstehen. Diese so rekonstruierte Logik der Reihenfolge der Texte macht deutlich, worum es dem Band im Kern geht: nämlich eine Apologie des deutschen Kirchensteuersystems vorzulegen. Kritiker dieses Systems kommen an keiner Stelle zu Wort. Es wäre sicherlich hilfreich gewesen, diese Ausrichtung gleich zu Beginn zu erwähnen. An Autoren überwiegt die katholische Seite, die etwa die Hälfte aller Beiträge beisteuert.
Blickt man auf den Band insgesamt, so scheint grundlegend der mittig platzierte Beitrag von Arnd Uhle, »Instrumente der Kirchenfinanzierung. Eine vergleichende Analyse«, zu sein. In ihm werden eine Reihe von Kriterien für die Bewertung der jeweiligen Kirchenfinanzierungssysteme entwickelt, die auch im Wesentlichen in der Einleitung als Leitbegriffe für den gesamten Band übernommen werden. Dazu zählt erstens das Gebot verfassungsrechtlicher Un­bedenklichkeit, zweitens das der Lastengleichheit, drittens das einer berechenbaren und ausreichenden Finanzausstattung, viertens das der gesellschaftlichen Akzeptanz und fünftens das Gebot der Wahrung der Unabhängigkeit der Zuwendungsempfänger. Der Autor kommt dann in der Gesamtbewertung der vorgestellten Modelle zu dem eindeutigen Ergebnis, dass das deutsche Kirchensteuersystem, »als eine erleichterte Selbstfinanzierung der Kirchen- und Religionsgemeinschaften« (216), allen anderen Systemen deutlich überlegen ist. Insbesondere das oftmals als Konkurrenz gehandelte Modell einer Finanzierung, in dem jeder Steuerzahler selbst entscheiden kann, wem er das »otto per mille« zuführen will, wird von ihm als eine faktisch staatliche Finanzierung, als eine Finanzierung der Kirchen aus Steuergeldern interpretiert, und kann somit den Kriterien nicht genügen. Diese Bilanz wird insgesamt durch den wenig eindrucksvollen Überblick über verschiedene Kirchenfinanzierungssysteme in Afrika, Lateinamerika, Korea, Polen, Italien und der Schweiz unterstützt. Vor allen Dingen die Finanzierungssysteme in ärmeren Ländern leiden stark unter Transparenzproblemen und der Frage, wie zwischen armen und reichen Diözesen und Kirchengemeinden umverteilt wird. Eine Ausnahme stellt das Religionssystem der Türkei dar, das allerdings komplett staatlich finanziert ist.
Den größten Teil nehmen dann die ausführlichen Darstellungen des deutschen Kirchensteuersystems aus evangelischer und katholischer Sicht in Anspruch. Jens Petersen referiert für die EKD, Felix Hammer für den katholischen Bereich. Ansgar Hense diskutiert die Akzeptanz von Staatsleistungen, deren Kritik er für unterkomplex hält. Martin Schulte und Bernd Herbrich diskutieren die Professionalisierung kirchlicher Stiftungen am Beispiel der katholischen Stiftungen. Thomas Begrich, der ehemalige Finanzdezernent der EKD, stellt die Finanzstrukturen der evangelischen Kirche in Deutschland und Joachim Wiemeyer das Arbeitsrecht der katholischen Kirche dar. Dieser Teil wird von Thomas Schüller mit kirchenrechtlichen Perspektiven für eine transparente Vermögensverwaltung der katholischen Kirche abgeschlossen. Den Schluss des Bandes bilden dann Marlis Thieme mit der Entwicklung von Regeln für Governance und Transparenz, die sie den Kirchen für die Zukunft nachdrücklich empfiehlt, sowie ein Beitrag von Pier Stefano Sailer, Partner bei KPMG, der den Kirchen ebenfalls Transparenz und vor allen Dingen eine deutlichere Effizienzorientierung empfiehlt. Antonius Liedhegener diskutiert zum Schluss die Kirchen als Leistungserbringer in der Zivilgesellschaft und stellt in dem ganzen Band den einzigen Beitrag dar, der kritisch, auch selbstkritisch, die kommenden Herausforderungen für die Kirchen in Deutschland angesichts von Säkularisierung, demographischem Wandel und insgesamt einem zunehmenden Bedeutungsverlust von Kirche herausarbeitet. Der Ausblick an dieser Stelle schließt skeptisch.
Interessant und spannend zu sehen ist, wie die eingangs ausführlich referierten grundsätzlichen Positionen des Christentums und anderer Weltreligionen zur Frage des Umgangs mit Geld kaum expliziten Einfluss in die Finanzierungsüberlegungen der Kirchen finden – schon gar nicht in diejenigen Deutschlands. In den Referaten über die Finanzierung der Kirchen in Lateinamerika tauchen hingegen zumindest Reflexionen über das Verhältnis von Reichtum und Armut auf. Dies ist deswegen bedauerlich, da der anfängliche grundlegende Teil sehr eindrucksvolle, ja zum Teil herausragende Erörterungen des Verhältnisses von Kirche und Geld aufweist, so zum Beispiel vom hannoverschen Landesbischof Ralf Meister, der katholischen Sozialethikerin Ursula Nothelle-Wildfeuer, aber auch von Elise Klapheck und Abraham de Wolf über das Schicksal des Zinsverbots im Talmud oder von Osman Sacarcelik über Geld und Glaube im islamischen Wirtschaftsdenken. Be­sonders eindrucksvoll ist der Beitrag von Obiora Ike über gesellschaftliche Pflichten aufgrund von Eigentum in der religiösen Tradition der IGBO, in der die afrikanische Philosophie als durchaus auf Augenhöhe befindlich mit weltweiten sozialethischen Diskussionen dargestellt wird.
Die Fülle der Informationen ist gewaltig. Wer sich in Zukunft zu dem Thema Kirche, Geld und insbesondere Kirchenfinanzierung äußern will, dem sei geraten, dieses Buch zur Hand zu nehmen. Interessant wären weitere Analysen zur Finanzierung der Kirchen in den USA, Großbritannien oder Skandinavien gewesen. Deutlich wird, wie sehr die Frage der Finanzierung von Kirchen stets mit der Rolle der Kirchen in der Gesellschaft – sowohl in empirisch gewachsener als auch in selbstgewollter Hinsicht – zusammenhängt. Die grundsätzlichen Teile über das Verhältnis von Religion und Geld machen deutlich, wie sehr die Frage, ob Kirche arm oder reich sein dürfe, immer wieder eine Rolle spielt. Aus christlicher Sicht wird deutlich, dass Geld niemals den kirchlichen Auftrag dominieren, sondern ihm stets nur dienen darf. In der Darstellung der jüdischen und islamischen Position wird die Frage nach einem Zinsverbot und seiner geschichtlichen Entwicklung bis hin zum is-lamic finance ausführlich diskutiert. Mit Blick auf die Frage der Glaubwürdigkeit scheinen mir insbesondere die Beiträge von Thomas Begrich und Joachim Wiemeyer über die Kirchenfinanzen der EKD und das Arbeitsrechtssystem in der katholischen Kirche von Bedeutung. In beiden Fällen werde der auftragskonforme Umgang mit Geld oder mit den Mitarbeitern angemessen kontrolliert und transparent dargestellt. Die Verflechtungen zwischen den Kirchen als Akteuren und der gesellschaftlichen Situation insgesamt werden immer wieder genannt. Jede Finanzreform betrifft die Frage, welche Rolle die Kirche in Zukunft in der Gesellschaft spielen soll.
Insgesamt liegt ein äußerst materialreiches und kluges Werk vor, das sich gut zur Verteidigung des deutschen Kirchensteuersystems heranziehen lässt.