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Ausgabe:

April/2017

Spalte:

430-431

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Williams, Stephen N.

Titel/Untertitel:

The Election of Grace. A Riddle without a Resolution?

Verlag:

Grand Rapids u. a.: Wm. B. Eerdmans 2015. 229 S. = Kantzer Lectures in Revealed Theology, 1. Kart. US$ 26,00. ISBN 978-0-8028-3780-6.

Rezensent:

Wolfgang Vögele

Es handelt sich zunächst programmatisch um den ersten Band einer neuen Reihe, welche als Kontrapunkt zu den weithin bekannten Gifford Lectures konzipiert ist. Die Kantzer Lectures in Re-vealed Theology an der Trinity Evangelical Divinity School in Deerfield, Illinois verfolgen das Ziel theologischer Reflexion nicht auf der Grundlage einer natürlichen Theologie, sondern auf der Grundlage der These, dass das Wissen über Gott aus Gottes Wort und der Selbstoffenbarung des dreieinigen Gottes heraus zu entwickeln ist (VI–VIII). – Die Herausgeber wollen diese Reihe konzentrieren auf das »development of doctrine from Scripture and on the ways in which doctrine gives rise to the lived knowledge of God.« (VII) Für den ersten Band konnte das Herausgebergremium den britischen Theologen Stephen N. Williams gewinnen, der gegenwärtig am Union Theological College in Belfast lehrt.
Er beschäftigt sich in den hier publizierten Vorlesungen mit Fragen der Erwählungs- und der Gnadenlehre. Die Problematik, Schwie­rigkeit und Paradoxie dieser Lehre, die von den einen als Rätsel, von den anderen als Inbegriff des Evangeliums bezeichnet wurde, ist W. wohl bewusst. Deswegen begibt er sich zunächst hinter die Systematisierungsversuche prominenter Theologen des 20. Jh.s, ihre hitzig geführten Debatten sowie hermeneutische Unterschiede zurück zu den exegetischen und biblischen Ursprüngen der Erwählungslehre. Für den deutschen Leser macht es eine Schwierigkeit der Lektüre aus, dass diese theologische Debatte sehr stark im anglophonen Sprachraum geführt wurde.
W. hat seine Ausführungen in vier Teile unterteilt. Die ersten beiden beschäftigen sich mit Erwählung im Alten (13 ff.) und im Neuen Testament (59 ff.), die beiden folgenden zeigen dogmatische Grenzen (103 ff.) und Schwierigkeiten (139 ff.) der Erwählungslehre auf. Die Vorlesung über Karl Barth wird (nur) als ein Anhang (179–210) präsentiert.
Das Alte Testament, die Erwählung Israels und der Völker liest W. als ein Rätsel der Hoffnung, nicht der Erfüllung, die für ihn biblisch-theologisch erst mit dem Neuen Testament eintritt. Im Neuen Testament beschäftigt sich W. mit der Frage von Erwählung und Verwerfung. Diese Frage konzentriert er auf christologische Reflexionen. Aus den beiden exegetischen Kapiteln entstehen so die Umrisse einer biblischen Theologie der Erwählung, die auf Narration, nicht auf Systematik beruht.
Das führt W. dann zu der Frage, wie sich Systematisches, Narratives und Dramatisches in seiner dogmatischen Argumentation verhalten. W. beruft sich sehr stark (z. B. 109 ff.) auf den englischen Theologen Charles Simeon (1759–1836), für den es charakteristisch war, dass er die Dogmatik um der Predigt willen trieb. Weitere Reflexionen gelten Kant und Kierkegaard. Im Anschluss an Simeon beendet W. seine Reflexionen über Prädestination mit einem Verweis auf das Gebet (137). In ähnlicher Weise geht er im Kapitel über die systematischen Schwierigkeiten der Prädestination zuletzt auf das Thema des Leidens als dem Bewährungsfeld der Prädestination ein.
W. geht aus von der sorgfältigen Abwägung der einschlägigen biblischen Stellen, in die englisch- und deutschsprachige, philo-sophische wie theologische Beiträge zur Erwählungslehre eingezeichnet werden. Den Vorlesungen ist abzuspüren, dass es ihm nicht um griffige Thesen und Formeln, sondern um eine bestimmte theologische Denkbewegung geht, die der Leser nachvollziehen muss. Insofern ist die Intention der Reihenherausgeber gewahrt, eine Bewegung von der biblischen Theologie über die Dogmatik zum Glaubensleben des Einzelnen und der Gemeinde zu profilieren. Das bedeutet aber auch, dass der Band nicht als Einführung in die Probleme der Prädestinationslehre und auch nicht als ihr kirchenhistorischer Abriss zu lesen ist, sondern als Kommentar und Position in einer nach wie vor aktuellen theologischen Debatte. Dabei versucht W. nach Möglichkeit, falsche Gegenüberstellungen und Missverständnisse auszuräumen.