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Ausgabe:

April/2017

Spalte:

383-384

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Correll, Mark R.

Titel/Untertitel:

Sheperds of the Empire. Germany’s Conservative Protestant Leadership – 1888–1999.

Verlag:

Minneapolis: Fortress Press 2014. 276 S. Kart. US$ 49,00. ISBN 978-1-4514-7295-0.

Rezensent:

Benedikt Brunner

Das hier anzuzeigende Buch ist keine sozialhistorisch angelegte Studie über konservative Kirchenleitungen im Wilhelminischen Kaiserreich. Mark R. Correll, der als Historiker an der Spring Arbor University in Michigan tätig ist, nimmt vielmehr zunächst Adolf Stoecker, Martin Kähler, Adolf Schlatter und Christoph Blumhardt in den Blick und labelt sie als »bible theologians«. Wer also etwa eine Studie über konservative kirchenleitende Persönlichkeiten im Protestantismus des Kaiserreichs erwartet, wird enttäuscht. Leider, muss man sagen, denn die Erforschung des protestantischen Konservatismus im Allgemeinen, sowie im 19. Jh. im Besonderen, steckt in mancherlei Hinsicht noch in den Kinderschuhen – von Matthias Deuschles Hengstenberg-Studie aus jüngerer Zeit einmal abgesehen.
C. jedenfalls setzt zunächst biographisch an und stellt die eingangs erwähnten vier Persönlichkeiten einem englischsprachigen Publikum vor. Sie sind als Theologen, die zum einen dem Zeugnis der Heiligen Schrift treu bleiben und zum anderen die produktive Auseinandersetzung mit der Moderne gesucht haben, für ein solches wohl auch besonders interessant. Das ist durchaus verdienstvoll, aber inhaltlich setzt dieser Abschnitt kaum neue Akzente. Allerdings fehlen etwa die Vertreter der Erlanger Schule, ohne dass C. deutlich macht, warum sie unberücksichtigt geblieben sind. Ferner ver-geudet C. analytisches Potential, welches sich gerade in dem Spannungsfeld von biblischer Theologie und Modernitätserfahrungen ergeben hat. Man hätte sich an einigen Stellen außerdem ge­wünscht, dass Aspekten wie der Volkskirche bei Stoecker, die ja weit über die Zeit des Kaiserreichs hinaus wirksam war, tiefergehend nachgegangen worden wäre.
Gelungen und anregend sind vor allem die Kapitel 6 und 7. Während die vorherigen Kapitel sich auf die intellektuellen Profile einflussreicher Theologen konzentrieren, nimmt der amerikanische His­toriker dort Predigten im Zeitraum von 1888 bis 1918 in den Blick, da es ihm auch um die Frage geht, wie sich die theologischen Konzepte der »bible theologians« dort niederschlugen. Allerdings ergibt sich hier ein methodisches Problem, welches ja die historische Un­tersuchung von Predigten oft mit sich bringt: Viele der Predigten wurden im Rahmen des Zweiten Theologischen Examens abgehalten, andere erschienen in Predigtsammlungen. Hier hätte noch konkreter gefasst werden müssen, welche Aussagekraft diese relativ willkürlich erscheinende Auswahl an Predigten haben kann und wo die Beschränkungen dieser Auswahl liegen. Gerade im Hinblick auf die Predigten im Ersten Weltkrieg gibt C. wich-tige Anregungen, die die Notwendigkeit ausführlicherer Studien hierzu verdeutlichen.
Die Arbeit von C. ist gut lesbar und weist auf das Potential hin, das die Beschäftigung mit dem konservativen Milieu im langen 19. Jh. auch künftig für die kirchen- und theologiegeschichtliche Forschung bereithält.