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Ausgabe:

März/2017

Spalte:

299–300

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Mong, Ambrose

Titel/Untertitel:

Purification of Memory. A Study of Modern Orthodox Theologians from a Catholic Perspective.

Verlag:

Cambridge: James Clarke & Co (Lutterworth) 2015. 232 S. Kart. £ 25,75. ISBN 978-0-227-17513-2.

Rezensent:

Michael Plathow

Zielführend zitiert Ambrose Mong, dominikanischer Priester und Theologieprofessor in Hongkong, als Leitgedanken der Studie »Purification of Memory« aus der Enzyklika »Ut unum sint«, Nr. 52 (25. Mai 1995) die Zuschreibung »Schwesterkirchen« für die rö­misch-katholische und die orthodoxe Kirche. »Reinigung des Ge­dächtnisses« erweist sich als notwendige Voraussetzung für Vergebung nach aller schuldbelasteten Verdammung, Bekriegung und Trennung der beiden Kirchen. Hinwendung und Rückkehr zu den gemeinsamen patristischen Quellen ist der Weg. Mit dieser be­wusst ökumenischen Perspektive geht der Vf. über u. a. Karl Felmy, Einführung in die orthodoxe Ekklesiologie der Gegenwart, 2011, hinaus.
In acht Kapiteln werden orthodoxe Theologen mit ökumenischer Intention dargestellt: John Meyendorff, Nicolas Afanasiev, John Zi­zioulas, Georges Florovsky, Sergei Bulgakov, Vladimir Lossky, Ni-colai Berdyaev, Jaroslav Pelican. Je besondere biographische Aspekte werden mit den unterschiedlichen Entwürfen zur orthodoxen Ek­klesiologie, Trinität, Christologie, Mariologie, Ökumenizität be­schrieben. Dabei zeigt der Vf. in interessanter Weise auch die Be-ziehungen untereinander auf; er verweist auf Querverbindungen, Ge­meinsamkeiten und Differenzen zwischen den orthodoxen Theologen, mit und zu römisch-katholischen Theologen und zum II. Va­ticanum, bisweilen auch zur protestantischen Theologie.
So begrüßt J. Meyendorff nach den gegenseitigen Verurteilungen von 1054, den Trennungen und Schrecken, die Aufhebung der Exkommunikation von Papst Paul VI. und Patriarch Athenagoras 1964 und die Erklärung zu den »Schwesterkirchen«. N. Afanasievs »eucharistische Ekklesiologie« zeigt Entsprechungen zu W. Kaspers Universal-Ortskirchen-Modell im Gegenüber zu J. Ratzingers Ge­samt-Teilkirchen-Verständnis. G. Florowskys gegen A. von Harnack gerichtete These von der Hellenisierung der altkirchlichen Theologie schließt die Öffnung ein für die »Reinigung der Erinnerung« durch einen vom frühen J. Ratzinger erklärten gemeinsamen Rückbezug auf die Konzilien und Kirchenlehrer des 1. Jt.s. G. Florowskys Schüler J. Zizioulas weist durch die Vorordnung der Pneumatologie vor die Christologie im trinitarischen Zusammenhang bezüglich des Verständnisses von Universalität und Partikularität der orthodoxen Kirche Analogien zu J. de Lubacs Beziehung von Katholizität und Synodalität der römisch-katholischen Kirche auf.
Das »sobornost«-Modell A. St. Chomjakovs nimmt nach S. Bulgakov die Äußerungen des II. Vaticanums zu Katholizität und Ökumenizität der römisch-katholischen Kirche voraus. Zugleich hebt S. Bulgakov hervor, dass – in Abgrenzung vom päpstlichen Unfehlbarkeitsdogma – nur die orthodoxe Kirche als die »wahre« anzuerkennen ist (118). Für V. Losskys apophatische Spiritualität des palamitischen Hesychasmus zeichnet der Vf. Entsprechungen in der Mystik Meister Eckharts sowie in der Nouvelle Theólogie nach; als Befreiung von der Macht der Sünde und des Todes im Vergöttlichungsprozess versteht er die geistliche Reinigung (134 f.). Demgegenüber betont N. Berdyaev die soziale Befreiung von Ungerechtigkeit und Armut; seine Kenosis-Christologie lässt eine Nähe zu J. Moltmanns »Der gekreuzigte Gott« (181) und zu G. Gutierrez’ Befreiungstheologie erkennen (167). Schließlich wird der ehemalige lutherische Theologe J. Pelikan, mit kritischer Sympathie für den römischen Katholizismus, der dann mit 75 Jahren (am 25. März 1998) Glied der orthodoxen Kirche wurde, als »wahrer Ökumeniker« ( true ecumenist, 177) bezeichnet. Anders als A. von Harnack war ihm die griechisch-kirchliche Kultur mehr vom Geist der hebräischen Schriften und vom Evangelium geprägt. Mit H. Newman wusste er um das Dogma in Kongruenz zur inneren Glaubenserfahrung (174). Auch einen Petrusdienst der Einheit – gegen den infalliblen Papstprimat – vermochte er anzuerkennen.
Für den Leser erschließen die theologischen Beziehungen und Kommunikationsknoten wichtige ökumenische Perspektiven; sie geben Anregungen für weitere ökumenische Gespräche. Die eucharistische Communio-sobornost-Eklesiologie, verbunden mit der geistlich-monastischen Tradition der Ostkirche (65 f.93 f.127 f.), wird besondere Beachtung finden.
Die fundamentale Gemeinsamkeit in der Glaubensbasis, die der Vf. sachgemäß erkennt und die um Entsprechungen in der römisch-katholischen und der orthodoxen Kirche weiß, lassen ihm die »Reinigung des Gedächtnisses« konkret werden für allerdings die altorientalischen Kirchen und die römisch-katholische Kirche in folgenden gemeinsamen Erklärungen (191 ff.): zwischen dem römischen Papst und dem syrisch-orthodoxen Patriarchen von Antiochien 1971; zwischen dem römischen Papst und dem koptischen Papst Shenouda II. 1973; zwischen den römischen Papst und seiner Heiligkeit Zakka II. 1984; in der gemeinsamen Verlautbarung »Nature, Constitution and Mission of the Church« vom 29. Januar 2009 spiegeln sie sich wider (194 f.).
Eine umfangreiche Bibliographie (neun Seiten) und ein Register laden zu eigenen vertiefenden Studien ein.
Die Methode des differenzierten Konsenses und der geistliche Ökumenismus verbinden sich in der »Reinigung der Erinnerung« durch Vergebung hin zu Versöhnung und ökumenischer Anerkennung und Gemeinschaft.