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Ausgabe:

März/2017

Spalte:

285–287

Kategorie:

Kirchenrecht

Autor/Hrsg.:

Heinig, Hans Michael, Munsonius, Hendrik, u. Viola Vogel [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Organisationsrechtliche Fragen der Theologie im Kontext moderner Religionsforschung.

Verlag:

Tübingen: Mohr Siebeck 2013. X, 164 S. Lw. EUR 39,00. ISBN 978-3-16-152530-8.

Rezensent:

Alf Christophersen

Im November 2011 hatte das Göttinger Kirchenrechtliche Institut der EKD Fachwissenschaftler und Administrierungsexperten zu einer Konferenz nach Berlin gebeten, die der Verständigung »über grundlegende Fragen der Organisation theologischer Forschung und Lehre im Kontext moderner Religionsforschung« (V) dienen sollte – dies vor dem Hintergrund zahlreicher Veranstaltungen, auf denen in den Jahren zuvor Zukunftsperspektiven der Theologie und theologischer Fakultäten an staatlichen Universitäten erörtert worden waren. In das Zentrum wurden nun konzentriert »Rechtsfragen in der Schnittfläche von Religionsrecht, Kirchenrecht und Wissenschaftsrecht« (V) gestellt. Der von Hans Michael Heinig, Hendrik Munsonius und Viola Vogel herausgegebene Sammelband präsentiert die Tagungsergebnisse.
Eine besondere Fragestellung bildete das seinerzeit kontrovers debattierte Vorhaben der Theologischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin, dem »Dr. theol.« den »Dr. phil.« als Promo-tionsabschluss an die Seite zu stellen. Aber auch dem Status islamischer Theologie und »Organisationsformen theologischer Forschung und Lehre jenseits der Fakultäten (Institute und Einzelprofessuren) oder die Mitwirkung von Religionsgesellschaften an Habilitationsverfahren« (VI) galt das Augenmerk, nicht zuletzt unter konsequentem Rekurs auf die Wissenschaftsratsempfehlungen »zur Weiterentwicklung von Theologien und religionsbezogenen Wissenschaften an deutschen Universitäten« aus dem Jahr 2010. Aus organisationsrechtlicher Perspektive ist, so die Herausgeberin und die Herausgeber in ihrem Vorwort, etwa auch zu fragen, wie »Studiengänge un-ter Beteiligung einer theologischen Fakultät gestaltet werden« (VI) können. Aber auch der Stellenwert von Graduiertenschulen, Sonderforschungsbereichen, Clustern und Ähnlichem ist mit der jeweils ganz eigenen Problemstellung zu erfassen.
In drei Hauptabschnitten mit insgesamt elf Einzelbeiträgen werden die avisierten Themenstellungen angegangen. Den Einstieg bilden vier, durchaus miteinander verzahnte Überlegungen zu »Theologische[n] Grundlagen«. Dietrich Korsch fragt »Zweihundert Jahre nach Schleiermachers ›Kurzer Darstellung des theologischen Studiums‹« danach, wie »sich die Theologie von anderen wissenschaftlichen Disziplinen« unterscheidet. Er entfaltet dabei die »These, dass die Behauptung der Wissenschaftlichkeit der Theologie gar nicht an dieser oder jener theoretischen Konzeption hängt, sondern an institutionellen, gesellschaftlichen und kirchlichen Voraussetzungen« (4). Ein großes Gewicht legt Korsch auf die an Universitäten öffentlich etablierte Fähigkeit zu theologischer Selbstkritik (vgl. 12) und das Potential der Theologie zu »kritische[r] Reflexion der Religion« (15). Michael Germann stellt konstruktive Überlegungen »Zur Bindung der evangelischen Theologie an Schrift und Bekenntnis« vor. Es folgt als Beitrag von Michael Moxter: »Theologie als bekenntnisgebundene Glaubenswissenschaft? Ein Kommentar«. Weitere Präzisierungen liefert Christian Albrecht, wenn er unter der Hauptüberschrift »Kirchlicher Zweck und wissenschaftlicher Charakter« fragt, wie »sich die juristische Formel von der ›bekenntnisgebundenen Glaubenswissenschaft‹ mit theologischem Sinn füllen« lässt.
Im zweiten Abschnitt werden »Verfassungsrechtliche Grundlagen« angegangen. Heinrich de Wall äußert sich ausgehend von der »Lüdemann-Entscheidung« des Bundesverfassungsgerichts und den oben genannten Empfehlungen des Wissenschaftsrates zum Thema »Die Staatskirchenrechtliche Stellung der Theologie an staatlichen Hochschulen und die Reichweite kirchlicher Mitwirkungsrechte«; er hebt das den Religionsgemeinschaften zugesprochene Selbstbestimmungsrecht hervor und akzentuiert, dass »kirchliche[] Mitwirkung […] sich auf die religiösen Aspekte zu be­schränken« habe, »die sich aus der Konfessionalität der Theologie als Wissenschaft ergeben« (58). Hermann Weber befasst sich mit: »Grundlegende Organisationsformen theologischer Forschung und Lehre (Fakultäten, Fachbereiche, Institute und transdisziplinäre Organisationsformen als Alternative)?«
Kurz seien auch die fünf durchgängig instruktiven Beiträge des dritten Abschnitts zu »Einzelfragen der Organisation im Kontext multidisziplinärer Religionsforschung« genannt, die in eigener Weise auch noch einmal die Relevanz der ersten beiden Abschnitte stützen: Auf eine Problemanzeige Eberhard Hauschildts zu »Organisationsfragen der Beteiligung theologischer Fakultäten an in-terdisziplinärer Forschung«, eine Auseinandersetzung Christian Waldhoffs mit der »Beziehung zwischen der Theologie und anderen Fächern in staatskirchenrechtlicher Sicht« und »Praktisch-theologische Beobachtungen und Reflexionen« von Jan Hermelink zur »Mitwirkung an bzw. Durchführung von nicht-theologischen Studiengängen seitens Theologischer Fakultäten« folgen Ausführungen des Mitherausgebers Hendrik Munsonius zur Frage der »Einführung nichttheologischer Doktorgrade an theologischen Fakultäten«. Ein juristischer Beitrag von Christian Walter – »Fachfremde (fremd-theologische/nicht-theologische) Professuren an theologischen Fakultäten« beschließt den Abschnitt.
Auch über die facettenreichen Überlegungen hinaus, die im vorliegenden Band insbesondere zum institutionellen Rang Evangelischer Theologie vorgestellt werden, ist deutlich erkennbar, dass der im Untertitel benannte Religionsforschungskontext wesentlich weiter greift und intensiv auf den Islam und das Judentum einzugehen ist, wodurch die seit langer Zeit geführte Debatte nach dem Verhältnis von Religionswissenschaft und Theologie auch noch einmal neue Impulse erhält. Unübersehbar gefordert ist da­bei religionstheologische Argumentations- und Reflexionsfähigkeit. Und so lautet es schon zukunftsweisend am Ende des Vorwortes: »Doch vielleicht ist gerade das ein Charakteristikum guter Wissenschaft: man darf nach der Lektüre eines Buches mehr Fragen haben als vorher – aber nicht mehr die gleichen« (VII).