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Ausgabe:

März/2017

Spalte:

275–276

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Douglas, Brian

Titel/Untertitel:

The Eucharistic Theology of Edward Bouverie Pusey. Sources, Context and Doctrine within the Oxford Movement and Beyond.

Verlag:

Leiden u. a.: Brill 2015. 258 S. = Anglican-Episcopal Theology and History, 1. Kart. EUR 55,00. ISBN 978-90-04-30457-4.

Rezensent:

Anna Schneider

Edward Pusey gilt vielen als ein erzkonservativer, wenig origineller Gelehrter, an den man sich höchstens wegen seiner führenden Rolle innerhalb der Oxford Bewegung erinnert. Dagegen wendet sich Brian E. Douglas, Priester der Anglican Church of Australia und Dozent an der Charles Sturt University, der mit seinem Werk Puseys eucharistische Theologie im Kontext seiner Zeit erhellen will, um dessen Überlegungen aus heutiger Perspektive neu zu würdigen. Dabei bietet D. eine umfassende Rekonstruktion von Puseys Eucharistieverständnis, in der er dessen moderat-realistisches Verständnis von der Realpräsenz Christi in Abgrenzung von der römisch-katholischen Transsubstantiationsvorstellung und von einem protestantisch geprägten Nominalismus in den Mittelpunkt seiner Ausführungen stellt.
Nach der Erläuterung seines Grundanliegens und einer einführenden Darstellung von Puseys Werdegang sowie der allgemeinen Grundlagen der anglikanischen Abendmahlstheologie präsentiert D. im Hauptteil seines Werkes (Kapitel 3–4) seine Untersuchung von Puseys eucharistischer Theologie und führt seine Untersuchungsergebnisse schließlich zu einer Neueinschätzung Puseys (Kapitel 5) zusammen. Dabei geht er größtenteils werkimmanent-chronologisch vor. Auf der Basis zahlreicher Briefe, Schriften und Predigten, in denen sich Pusey mit den sakramentaltheologischen und epistemologischen Traditionen in der Alten Kirche sowie der Kirche von England und ihren philosophischen Grundlagen auseinandersetzt, entfaltet D. die moderate Interpretation der Realpräsenz Puseys vor deren erkenntnistheoretischem Hintergrund. Demnach lehne Pusey eine rein rationalistisch-empirische Erkenntnis zugunsten der Vorstellung von auch übernatürlich vermittelter Erkenntnis ab (vgl. 170 f.) und wende diesen doppelten Erkenntnisweg aus Intellekt und Erfahrung auch auf sein Schriftverständnis und somit auf seine Deutung der Einsetzungsworte an. Pusey unterscheide zwischen dem Universalen und dem Partikularen, so dass unterschiedliche Partikulare als Träger des gleichen Universalen ausgewiesen werden könnten. Auf diese Weise könne das sakramentale Zeichen zum tatsächlichen Träger des Bezeichneten werden, indem das Unendliche im Endlichen erfahrbar werde.
D. betont besonders Puseys entsprechende Abgrenzung sowohl von einem wörtlichen Verständnis der Realpräsenz im Sinne einer körperlichen Präsenz Christi als auch von einem nur erinnernden Nominalismus. Vor dem Hintergrund seiner Suspendierung aufgrund des Sermon on the Holy Eucharist von 1843 habe Pusey dann begonnen, seine Erkenntnisse systematischer auf Lehrebene zu formulieren, um seine Haltung gezielt gegen den Vorwurf einer verdeckten Transsubstantiationslehre verteidigen zu können. D. geht hier insbesondere auf Puseys Auseinandersetzung mit dem Substanzbegriff vor dem Hintergrund der Einsetzungsworte ein. »Substanz« sei im Sinne einer vom Verstand nicht erfassbaren »Essenz« zu verstehen, die nicht wandelbar sei, sondern die innerliche, wahre Präsenz Christi im Sakrament darstelle. Entsprechend f inde in der Eucharistie weder eine Personalunion Christi mit der Materie von Wein und Brot statt noch eine rein erinnernde Repräsentation Christi in den sakramentalen Zeichen, sondern die Materie diene als Instrument zur Vermittlung der Präsenz Christi.
Im fünften Kapitel widmet sich D. dann einer Neubewertung von Pusey als dem Verfechter einer moderaten Interpretation der Realpräsenz. Er verteidigt in diesem Zusammenhang Pusey gegen die Vorwürfe des Konservativismus und Obskurantismus und hebt dessen typologisch geprägten hermeneutischen Ansatz und das daraus folgende sakramentale Prinzip sowie die epistemologische Bestimmung unterschiedlicher Formen von Vernunft hervor. Er betont dabei durchgehend Puseys enge Bindung an die anglikanische Tradition und sieht dessen Vorstellungen widergespiegelt in den Modellen des ökumenischen Dialogs der ARCIC. Das anglikanische Multiformitätsdilemma werde demnach bereits von Pusey durch die Grundlegung der »katholischen Wahrheit« einer moderat realistischen Interpretation dahingehend gelöst, dass radikale protestantische oder römisch-katholische Ansichten ausgeschlossen werden. Im kurzen sechsten Kapitel bietet D. schließlich eine Zusammenfassung der gewonnenen Erkenntnisse.
D. liefert in seinem Buch eine umfassende und sorgfältige theologiegeschichtliche Rekonstruktion von Puseys eucharistischer Theologie, der allerdings zum Teil die kritische Distanz fehlt, und der aufgrund einer eher werkimmanent-wiedergebenden Vorgehensweise nur bedingt eine differenzierte, systematisch-theologische Auseinandersetzung mit den Inhalten gelingt. So erläutert D. z. B. zwar zentrale von Pusey verwendete Begriffe, wie z. B. »Substanz« (vgl. 143), »Katholizität« (vgl. 97 und 133), »Vernunft« und »Wahrheit« (vgl. 222 ff.) sowie dessen Deutung der Einsetzungsworte (vgl. 147), übernimmt aber insgesamt dessen Definitionen ohne eigenständige kritische Auseinandersetzung mit den Begrifflichkeiten. Entsprechend fällt auch das Eingehen auf mögliche philosophische Grundlagen und Parallelen von Puseys Gedanken primär darstellend und wenig analytisch aus (vgl. die Auseinandersetzung mit Coleridge und Habermas 107 f. und 227 f.).
Die zum Teil recht redundante Darstellung gewährt damit einen detaillierten Einblick in Puseys Briefe, Schriften und Predigten, da D. eine breite Quellengrundlage sorgfältig und ausführlich vorstellt. Die von ihm dabei zusammengetragenen Informationen bieten insofern einen neuen Einblick in Puseys sakramentaltheologische Grundgedanken. Nichtsdestotrotz wäre eine tiefergehende und kritischere Auseinandersetzung mit Puseys Gedankengut über die in der Tat sehr eindringlich getätigte Feststellung hinaus, dass Pusey einen moderaten Realismus vertreten habe, aus systematisch-theologischer Perspektive wünschenswert gewesen.