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Ausgabe:

November/1999

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Chadwick, Henry

Titel/Untertitel:

Antike Schriftauslegung. Pagane und christliche Allegorese. Activa und Passiva im antiken Umgang mit der Bibel.

Verlag:

Berlin-New York: de Gruyter 1998. XIX, 87 S. 8 = Hans-Lietzmann-Vorlesungen, 3. Kart. DM 28,-. ISBN 3-11-016168-0.

Rezensent:

Albrecht Dihle

Dieser Band, der dritte aus der an der Universität Jena gehaltenen Vorlesungsreihe, enthält eine ausführliche Einleitung des Herausgebers Christoph Markschies (VII-XIX), die eigentliche Vorlesung mit dem Titel "Pagane und christliche Allegorese" (1-24), sowie eine thematisch ergänzende Studie des Verfassers "Activa und Passiva im antiken Umgang mit der Bibel" (25-87).

Die Einleitung würdigt die herausragende Rolle Chadwicks in den Beziehungen zwischen der englischen und deutschen Patristik, insbesondere soweit sie mit Namen und Werk Hans Lietzmanns verbunden sind. - Dem kursorischen Leser ist zu empfehlen, seine Lektüre mit dem zweiten Beitrag Ch.s zu beginnen, behandelt dieser doch in gewissem Sinn die Voraussetzungen der exegetischen Praxis, denen der Vortrag gewidmet ist. Es geht dabei, unter besonderer Berücksichtigung der Bibel, um die Bedeutung heiliger Schriften in paganem, jüdischem und christlichem Milieu, ihre Rolle in der praktizierten Religion und Philosophie, das Problem ihrer Übersetzbarkeit sowie ihren Bekanntheitsgrad und ihre argumentative Verwendung innerhalb wie außerhalb der ihnen zugeordneten Gemeinschaft.

Ein mit vielen Details und wichtigen Beobachtungen ausgestatteter Überblick über die Geschichte der allegorischen Auslegung bei Heiden, Juden und Christen bildet den Inhalt der Vorlesung. Diese Methode ergab sich aus der Notwendigkeit, befremdliche, anstößige und unverständliche Passagen autoritativer oder heiliger Texte mit einem moralischen, kosmologischen oder religiösen Sinn zu füllen, ohne den sich die Autorität des Textes nicht aufrecht erhalten ließ. Den Virtuosen in dieser Technik wie Origenes entging so wenig wie ihren Gegnern, daß es dabei zu Widersprüchlichkeiten und Kontroversen kommen mußte, und gerade darin liegt die vom Vf. beobachtete Parallele zwischen Poesie und allegorischer Deutung.

Beide Studien erweisen einmal mehr die Meisterschaft ihres Vf.s. Mit eindrucksvoller Souveränität verfügt er über das reiche und disparate Quellenmaterial, das von der vorklassischen Antike bis ins frühe Mittelalter reicht. Der Leser spürt, wie ihm bei der Behandlung eines jeden Details stets das Ganze vor Augen steht. Dadurch gewinnt die Darstellung perspektivische Tiefe, und die flüssige, eingängige, jeden Fachjargon vermeidende Diktion macht die Lektüre zu einem Vergnügen.

Das kleine Buch, für einen weiteren Leser- bzw. Hörerkreis bestimmt und geeignet, sei gerade auch dem Fachmann, der immer wieder der Versuchung erliegt, geschichtliche Phänomene allzu isoliert zu betrachten, ans Herz gelegt. Viele Einzelfragen der Allegorese in dem beschriebenen Zeitraum verdienen noch genauere Untersuchung, und Ch.s Studie kann dabei als Wünschelrute dienen.