Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

März/2017

Spalte:

190–191

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

Flesher, Paul V. M., and Bruce Chilton

Titel/Untertitel:

The Targums. A Critical Introduction.

Verlag:

Waco: Baylor University Press 2011. 575 S. Kart. US$ 69,95. ISBN 978-1-60258382-5.

Rezensent:

Beate Ego

Paul V. M. Flesher und Bruce Chilton, beide renommierte Forscher im Bereich der Targumstudien, haben eine umfangreiche Monographie vorgelegt, die einen fundierten und umfassenden Überblick zu diesem wichtigen Bereich der antik-jüdischen Literatur gibt. Teil 1 (Getting started, 3–70) führt in die Thematik ein, wenn zunächst die Begrifflichkeit definiert wird, verschiedene Typen targumischer Übersetzungstechnik vorgestellt und sieben zentrale hermeneutische Regeln für diese Art der Bibelauslegung genannt werden (z. B. wörtliche Wiedergaben; Erweiterung durch Einschübe etc.). Die beiden nächsten Kapitel präsentieren die verschiedenen Targume: So werden die unterschiedlichen Pentateuchtargu me Targum Neofiti, die Geniza-Fragmente, »Targumic Tosafot«, Targum Onqelos und Targum Pseudo-Jonathan (71–166) bzw. den Targumim zu den Propheten und Schriften (169–264) in ihren je­weiligen Charakteristika und wichtigen theologischen Themen be­schrieben und die verschiedenen Datierungsvorschläge be­nannt. Außerdem zeigen die Verfasser verschiedene Modelle zum Verhältnis der Pentateuchtargume untereinander, zum Wachstum von Targum Jonathan (inbesondere zu Jesaja) bzw. zu literarischen Beziehungen bei den Megillot-Targumen. Weitere Ausführungen der Autoren widmen sich der Kontextualisierung der Targumli-teratur im antiken Judentum (267–385) und frühen Christentum (385–438).
So führen die Autoren in die Geschichte des Aramäischen mit den verschiedenen Epocheneinteilungen ein, verweisen und erarbeiten auf der Basis des rabbinischen Quellenmaterials, wie man sich die Lektüre der Targumtexte in ihrem wichtigsten »Sitz im Leben«, dem Synagengottesdienst, vorzustellen hat; daneben bildete aber – bislang in der Forschung eher vernachlässigt – auch das Studium in einem privaten Rahmen eine nicht zu vernachlässigende Rolle. Interessant ist auch der Abschnitt »Censoring Scrip-tures«, der deutlich macht, warum die Übersetzung bestimmter Abschnitte der Hebräischen Bibel verboten war bzw. zumindest darüber diskutiert wurde (mMeg 4,10; cf. Gen 35,22; 38,1 ff.; Ex 32,1–20; Ez 1,1 ff. et al.). Hier spielen sowohl sexuelle Tabus und die Ablehnung der Bilderverehrung eine Rolle, als auch die religiöse Scheu, Gott zu nahe zu kommen (insbesondere Ez 1,1 ff.). Neben Hinweisen auf die Hermeneutik der targumischen Schriftauslegung sowie ihre Unterschiede zur Midraschexegese werden in diesem Abschnitt auch weitere Übersetzungen der Hebräischen Bibel– so der Samaritanische Pentateuch, die lediglich in Fragmenten erhaltene Bibelübersetzung der palästinischen Christen, die Peshitta und die Hiobfragmente aus Qumran sowie Septuaginta und Vulgata kurz beschrieben. Im Buchteil »The Targums and Early Christianity« wiederum verweisen die Autoren auf die unterschiedlichen Bezüge zwischen der Targumüberlieferung und dem Neuen Testament. Dieses Thema ist insbesondere vor dem Hintergrund der älteren Targumforschung wichtig, in der man in verschiedenen Targumtraditionen die Quellen für neutestamentliche Überlieferungen zu finden glaubte und vor diesem Hintergrund eine Frühdatierung dieses Materials durchführte. Als konkretes Beispiel wird auf die Bezüge zwischen dem Johannesevangelium und der targumischen memra-Konzeption verwiesen.
Der Band schließt mit einer Zusammenfassung und einem Ausblick (439–493). Hier erfolgt der Vergleich der targumischen Auslegung von Gen 22 mit rabbinischen Texten und der Überlieferung der Kirchenväter; ausblicksartig wird zudem auf den Gebrauch der Targumliteratur in der gaonäischen und mittelalterlichen Periode und auf andere, nicht-aramäische Bibelübersetzungen in der nachrabbinischen Zeit (z. B. dem arabischen Tafsir) verwiesen. Angehängt sind zudem zwei Appendizes – ein Verzeichnis, das die Parallelen der Erweiterungen zu Gen 28–50 in den verschiedenen Handschriften auflistet (Appendix A; 495–498), sowie ein Überblick zu den babylonischen Punktierungszeichen (Appendix B, 499). Darauf folgen ein Glossar mit zentralen Begriffen (501–509), eine ausführliche Bibliographie (511–539) und ein detaillierter Index (541–557).
Das Werk gibt so einen guten Überblick über die unterschiedlichen sprachlichen, bibelhermeneutischen, theologischen, kommunikativen und kulturellen Aspekte der Targumliteratur. Neben der klaren und umsichtigen Darstellung, die wichtige Quellen in Zitatform und mit dem hebräischen bzw. aramäischen Original präsentiert, sind insbesondere die bibliographischen Hinweise sehr hilfreich, die sich im gesamten Buch, oft auch bei kleineren Abschnitten, finden. Durch knappe Kommentare erfährt die Leserschaft hier alles Wesentliche über die Bedeutung der einschlägigen Textausgaben und der genannten Forschungsliteratur. Hilfreich ist der Band auch insofern, als die Autoren verschiedene forschungsgeschichtliche Positionen beleuchten (die ja gerade im Hinblick auf die Rekonstruktion der Entstehung der Texte und ihrer Datierung eine erhebliche Spannbreite zeigen) und in diesem Kontext dann ihren eigenen Standpunkt verorten. Leider vermisst man allerdings einen chronologisch ausgerichteten Abriss zur Geschichte der Targumforschung. Neben Martin McNamaras »Targum and Testament Revisited. Aramaic Paraphrases of the Hebrew Bible« (Grand Rapids, Michigan/Cambridge, U. K. 22010 [vgl. ThLZ 137, 2012, 525]) ist das Buch derzeit das wichtigste Re-ferenzwerk für die Erforschung der Targumliteratur, das sowohl Spezialisten als auch andere Interessierte, die sich die Thematik er­schließen wollen, gewinnbringend nutzen können.