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Ausgabe:

März/2017

Spalte:

164–179

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Peter Gemeinhardt

Titel/Untertitel:

Bildung und Religion als interdisziplinäres Forschungsthema

Ein neuer Sonderforschungsbereich in Göttingen und seine Agenda

I Aktuelle Herausforderungen und historische Perspektiven

1.


In seinem Buch »Ungläubiges Staunen. Über das Christentum« dankt Navid Kermani den »unzähligen Gelehrten«, die gemeinsam »an dem vielleicht größten Projekt arbeiten, das die Menschheit kennt: Man nennt es Bildung.«1 Diese wissenschaftliche Bildungsarbeit dient der Auseinandersetzung mit Religion – in persönlicher, engagierter Weise, indem Kermani Riten, Denkmuster und Bilder des Christentums auf dem Hintergrund seiner eigenen Erziehung und Ausbildung als Muslim reflektiert. Das gemeinschaftliche Projekt Bildung wird zur Grundlage des individuellen Bildungsprozesses, in den der Autor die Lesenden mit hineinnimmt; der Gegenstand dieses Bildungsprozesses aber ist Religion.

»Bildung und Religion« ist ein aktuelles Thema. Die Frage nach islamischem Religionsunterricht in Deutschland und der entsprechenden Ausbildung des Lehrpersonals2 wirft grundsätzliche Probleme auf: (Wie) kann Religion überhaupt Gegenstand von Bildung sein? Soll der Unterricht über Religion informieren oder von der religiösen Binnenperspektive ausgehen? Müssen Lehrer und Lehrerinnen diese Innensicht teilen, und wer prüft, ob das tatsächlich der Fall ist? Und warum ist das beim islamischen Religionsunterricht komplizierter als beim christlichen? Ist nicht jede Religion in gleicher Weise bildungsaffin – und wenn nein, warum?

Aktuelle Fragen müssen gegenwartsorientiert beantwortet werden – sie haben aber eine historische Tiefendimension. Erfahrungen und Traditionen, Entwicklungen und Persistenzen, die auf forma-tive Phasen in vergangener Zeit zurückgehen und vielfache Transformationen unterliefen, prägen die religiöse Praxis von Juden, Chris­ten und Muslimen; das betrifft die normativen Schriften(corpora), die Auslegung dieser Schriften und die darauf beruhenden Lebenspraxen, aber auch die theologische Reflexion religiöser Identität. Bildung ist ein befruchtender und provozierender Faktor, der in Debatten über Geschichte, Gegenwart und Zukunft von Reli-gion(en) hineinwirkt – und damit auch ein Thema der Theologie.3

2.


Religiöse und nichtreligiöse Bildungsvorstellungen, ihre Interaktionen und Transformationen in historischer Perspektive zu analysieren ist das Ziel des DFG-Sonderforschungsbereichs 1136 »Bildung und Religion in Kulturen des Mittelmeerraums und seiner Umwelt von der Antike bis zum Mittelalter und zum Klassischen Islam«, der zum 1. Juli 2015 an der Universität Göttingen seine Arbeit aufnahm.4 Historische Konstellationen von Bildung und Religion sind bisher meist als unidirektionale Rezeptionen wahrgenommen worden.5 In vielen Fällen ist aber eine Multidirektionalität von Interaktionen zu beobachten. Altertums- und religionswissenschaftliche Fächer so­wie die exegetischen und historischen Disziplinen der Theologie wirken bei dieser vergleichenden Arbeit zusammen,6 um die Kenntnis der Geschichte von (Religions-)Kulturen zu erweitern und zu vertiefen; und die Wahrnehmung historischer Tiefendimensionen kann zu Klärungen von Diffusitäten und Lösungsansätzen von Konflikten bezüglich Bildung und Religion in der Gegenwart beitragen. Denn die antike »world full of Gods«7 war auch eine Welt voller Bildung – und voller Debatten über beides.

3.


Freilich sind »Bildung« und »Religion« neuzeitliche Konzepte. Die Unterscheidung zweier soziokultureller Bereiche (»Systeme«), die zueinander in Beziehung treten können (aber nicht müssen), ist in der athenischen Polis, im frühen Christentum oder im Klassischen Islam so nicht gegeben. Ob Bildung Religion braucht oder ob Religion Gegenstand von Bildungsprozessen sein soll, fragt sich nicht, wo eine Gesellschaft vom Umgang mit Göttlichem so tief geprägt ist wie im alten Ägypten oder wo das Leben so grundlegend von religiösen Leitvorstellungen getragen wird wie im rabbinischen Judentum. Zwar gibt es seit klassisch-griechischer Zeit eine phi-losophische Religionskritik, aber in der römischen Kaiserzeit kon- vergieren Philosophie und Religion: Der delphische Philosoph Plutarch ist zugleich Priester,8 und spätantike Neuplatoniker wie Jamblich und Proklos üben theurgische Praktiken und sehen sich als Erben Platons, dessen Texte als »heilig«, vorsichtiger ausgedrückt: als religiös normativ ausgelegt werden.9

Doch wird »Bildung« von »Religion« durchaus unterschieden. Die Methoden der alexandrinischen Homerexegese werden auf Platons Texte, im hellenistischen Judentum und im frühen Christentum auf die Bibel angewandt – im Wissen darum, dass es sich um eine »fremde«, für andere Textcorpora entwickelte Hermeneutik handelt.10 Der kritische Umgang mit alter Literatur, den der Grammatiklehrer vermittelt, wird in religiösen Kontexten fruchtbar gemacht, was wiederum zu Diskussionen führt, ob dies statthaft sei, und wenn ja, unter welchen Kautelen.11 Intra- und interreligiös wird in der Antike über Bildungsgüter und religiöse Deutungen debattiert. »Bildung« und »Religion« bilden so die Brennpunkte einer Ellipse, die sich als aufschlussreich für die Kultur- und Religionsgeschichte des orbis mediterraneus erweist: Gerade weil Religion in Antike und Mittelalter nicht in modernem Sinne von anderen gesellschaftlichen Sphären abzugrenzen ist, sind Bezüge auf, aber auch Konflikte mit Bildungsinhalten und -institutionen von hohem Erkenntniswert. Und gerade weil Bildung mit religiösen Praktiken und Deutungen in enger Verbindung steht, ist es signifikant, wo Bildung religiös begründet oder umgekehrt von Religiösem distanziert wird. Die Verbindung von religions- mit bildungsgeschichtlichen Fragen eröffnet Beobachtungen über lange Dauer: Z. B. stellt religiöse Bildung im Judentum unter oft wechselnden politischen und sozialen Rahmenbedingungen von der Weisheitsliteratur über die hellenistische Exegese bis zur rabbinischen Erziehung eine Konstante dar.12 Die Ellipse von Bildung und Religion kann insofern als (ein) Schlüssel zur Kultur- und Religionsgeschichte des Mittelmeerraums in der Vormoderne dienen.

II Bildung und Religion: Wie kann man in historischer Perspektive davon sprechen?


1.


Bei der Erforschung historischer Themen wird unweigerlich mit Begriffen operiert, die nicht den Quellensprachen entnommen sind, wenn man nicht einfach die Quellen nacherzählen will. Aber kann man das frühe Christentum eine »Bildungsreligion«13 nennen? Gewiss bedienen sich die Autoren des Neuen Testaments rhetorischer Gestaltungsmuster, die sie in der hellenistischen Schule gelernt haben. Aber wo der Schlüsselbegriff der antiken Schulbildung – παιδεία – fällt, steht meist der Sprachgebrauch der Septuaginta im Hintergrund, der im Deutschen nicht mit »Bildung«, sondern mit »Erziehung« oder »Zucht« wiederzugeben wäre. Das wird z. B. deutlich an Eph 6,4 – »Erzieht (ἐκτρέφετε) eure Kinder in der Zucht (παιδεία) und Ermahnung (νουθησία) des Herrn« – und an Hebr 12,5–11, wo die παιδεία κυρίου in einem Zitat aus Spr 3,11 f. LXX begegnet. Gemeint ist eine göttliche Erziehung, nicht litera-rische Bildung. Doch wird mit παιδεία der terminus technicus für »Bildung« in schulmäßigem Sinne verwendet, um das hebräische mûsār (»Zucht«; Spr 1,8; 3,11 u. ö.) zu übersetzen. Eine solche Überlappung der Bedeutungsfelder liegt z. B. auch im ersten Clemensbrief vor.14 Der innerbiblische und frühchristliche Sprachgebrauch zeigt, wie »Bildung« mehrfach codiert ist und dass die quellensprachlichen Begriffe religiös konnotiert sein können, es aber nicht sein müssen. Die für das Christentum postulierte »Bildungsreligion« führt auf ein komplexes Zusammenspiel von kulturellen und sozialen, normativen und epistemischen Aspekten und damit zur Frage, ob hier überhaupt von Bildung gesprochen werden kann und sollte.

2.


Bildung ist »als neuzeitlicher Grundbegriff Ergebnis der Aufklärung und zugleich Antwort auf sie«.15 Mit »Bildung« kann dabei Unterschiedliches bezeichnet werden: a) der Prozess, in dem sich ein Mensch (selbsttätig) bildet; b) das Resultat dieses Prozesses, ein Selbstverhältnis zu (Gott und) Welt; c) die Inhalte der prozessualen Bildung, die der kritisch-reflexiven Selbst-Bildung dienen, also nicht mit Lerninhalten zu verwechseln sind. Bei einem Verständnis von Bildung als »Prozess der Vermittlung von Selbst und Welt, von Subjekt und Objekt […], in dem sich beide Seiten, Person und Welt, verändern«16, ist (selbstbezügliche) Bildung von (nicht ausdrücklich intendierter) Sozialisation und (absichtsvoller) Erziehung zu unterscheiden.17 Diese dreifache Unterscheidung ist aber auch auf vormoderne Gesellschaften anwendbar: Kann Erziehung anhand definierter Ziele operationalisiert werden (in den kaiserzeitlichen scholae publicae, aber auch in der jüdischen und islamischen religiösen Unterweisung), erfolgt Sozialisation – »Erfahrungs- und Umgangslernen«18 – durch Partizipation und Imitation, was eine Ausbildung der Priester für die öffentlichen Kulte erübrigte. Bildung im engeren Sinne ist dagegen von der Dialektik von Freiheit und Verdanktheit des sich bildenden Subjekts geprägt und daher unverfügbar. Kurz gesagt: Die Weisung im delphischen Apollontempel »Erkenne dich selbst« (γνῶθι σαυτόν) lässt sich nicht ex­tern induzieren.

Doch wird schon in der Antike diskutiert, ob die Mahnung zur Selbsterkenntnis religiös zu verstehen sei. Nach Plutarch lässt das »Erkenne dich selbst« den Menschen die Schwachheit seiner Natur im Gegenüber zum Göttlichen erkennen: Selbsterkenntnis wird zur Beziehungserkenntnis, das Selbst erkennt sich als bezogen auf das Göttliche, als verdankt und begrenzt.19 Die von Foucault als Signatur der Spätantike beschriebene »souci de soi« ist in eine Welt einzuzeichnen, in der Philosophie und Religion konvergieren. Eine religiöse Konnotation ist aber dem Bildungsbegriff genuin zu eigen: Dieser bezeichnet bei Meister Eckhart († 1328) die Gottebenbildlichkeit des Menschen als vorgängige »Bildung« durch Gott, der die (Wieder-)»Ein-Bildung« Gottes in die menschliche Seele entspricht.20 Zu dieser Gottebenbildlichkeit führt keine Erziehung (institutio), sie zielt nicht auf Gelehrsamkeit (eruditio) oder Wissen (scientia), sondern auf Weisheit (sapientia). Trotz der neuzeitlichen Transformation des Bildungsbegriffs liegt hier ein Moment der Kontinuität: Bildung lebt seit jeher – so Bernd Schröder – »von Voraussetzungen, über die Menschen nicht verfügen können«21. Aus pädagogischer Sicht versteht Dietrich Benner die »Bildsamkeit« des Menschen als Ausdruck seiner Geschöpflichkeit, Religion daher als Lebenspraxis eigenen Rechts;22 Volker Ladenthin definiert Bildung als »Gesamtheit der verantworteten Handlungsfähigkeit«.23 In der bildungstheoretischen Perspektive einer »kategorialen Bildung«24 geht es nicht um konkrete Lernprozesse und -ziele, sondern um die »Bildungsfähigkeit des Subjekts«.25

Hierin ähnelt die gegenwärtigen Debatte der philosophischen und theologischen Reflexion in der Vormoderne. Jedoch sind auch Differenzen festzustellen. Der Subjektbegriff ist mit dem anti-ken »Selbst« verwandt, jedoch nicht identisch.26 Werner Jaeger sah παιδεία als »Formung des Menschen«, als Verwirklichung eines anthropologischen philosophischen Ideals.27 Das scheint auf den ersten Blick auch Aulus Gellius im 2. Jh. n. Chr. zu belegen: »Man kann es fast als Mensch-Sein bezeichnen, was die Griechen Paideia nennen, wir aber Erziehung (eruditio) und Unterweisung (institutio) in den bonas artes28 Bildung zielt demnach in modern erscheinendem Sinne auf die »Menschwerdung des Menschen«29: Um humanitas zu erlangen, muss der Mensch »ent-roht« (eruditus), d. h. in die Lebensweise initiiert werden, deren Leitfaden die artes liberales bilden, die Bildungsgüter, die »eines freien Mannes würdig« sind und die eine »abgerundete Bildung« (ἐγκύκλιος παιδεία) darstellen.30 Exemplarisch wird hier die Interaktion von Prozess, Resultat und Inhalt nachvollziehbar.

Freilich erwartet Aulus Gellius die Entfaltung der menschlichen Anlagen von einer schulischen Bildung, die durch das Lehrer-Schüler-Verhältnis strukturiert und zu bezahlen ist. Der Erwerb von Wissensbeständen zielt nicht primär auf die Autonomie des Subjekts, sondern auf die Herausbildung von Fähigkeiten, durch die man an sozialen und (als zum gesellschaftlichen Leben gehörig) an religiösen Prozessen kompetent partizipieren kann. Bildung hat hier vor allem soziale Bedeutung, und zwar nicht nur dort, wo es um Elitebildung geht, sondern auf allen sozialen und intellektuellen Niveaus.31

Dieses Zusammenspiel von sozialen und individuellen Momenten ist entscheidend: Bildung als Prozess der Initiation in den römischen mos maiorum, in die Praxis einer asketischen Gemeinschaft oder in einen rabbinischen Lernzirkel erfordert eine durch Tradition und Experten und Autoritäten gesteuerte Erziehung, wofür Sozialisation durch Partizipation und Imitation (»learning by doing«) im öffentlichen Raum und in der Familie die Grundlagen schafft.32 Diesen Zusammenhang von Erziehung und Sozialisation zu philosophischer und religiöser Selbst-Bildung bringt der deutsche Begriff »Bildung« in einer Weise auf den Punkt, wie es etwa »education« im Englischen nicht vermag.33 Gerade die Rede von »Bildung« erlaubt hier Differenzierungen, sowohl in Bezug auf die drei Komponenten des Bildungshandelns als auch in Bezug auf religiöse Bildung, weil der religiöse Bezug dem Bildungsbegriff eingestiftet ist.

3.


Auch »Religion« ist als neuzeitlich geprägter Begriff nur mit Vorsicht auf vormoderne Sachverhalte anzuwenden. Das lateinische religio ist nicht dasselbe wie das griechische εὐσέβεια oder θρησκεία und das arabische din (ein hebräisches Äquivalent fehlt ganz), und all diese Begriffe sind von der neuzeitlichen Sicht von »Religion« als individuellem Verhältnis zu einem personalen Gott und zum eigenen frommen Selbst zu unterscheiden.34 Weil in der Vormoderne der Plural »Religionen« ganz unterschiedliche Riten, Praktiken und Deutungen zusammenfasst, wird sogar postuliert, den Religionsbegriff für Antike und Mittelalter gar nicht zu ge­brauchen,35 um nicht ein kontingentes Produkt westlicher Dis-kurse unangemessen zu universalisieren, zumal die Rede von einem »Wesen der Religion« für die historische Heuristik problematisch zu sein scheint. Harnacks Diktum »Wer diese Religion (sc. das Christentum) nicht kennt, kennt keine, und wer sie samt ihrer Geschichte kennt, kennt alle«36 wäre zu entgegnen: Wer eine Religion kennt, kennt eben nicht alle, sondern (bestenfalls) diese eine.

Tatsächlich ist »das« Christentum von Anfang an ein Konglomerat aus vielen »Christentümern«, ebenso wie der entstehende Islam umgehend in mehrere Richtungen zerfällt, sich die Differenz von »Judentum« und »Christentum« über einen längeren Zeitraum herausbildet37 und die Fülle griechischer und römischer Kulte vollends nicht als eine »Religion« angesehen werden kann. Zudem ist »Religion« ein Teil der gesellschaftlichen Wirklichkeit (»embedded religion«), nicht eines von mehreren »Funktionssystemen«. Diese postkoloniale Sensibilität für die Wirkmacht neuzeitlicher Auffassungen bei der Beschreibung von Religion ist wichtig – und dennoch endet die jüngste Reiteration dieser Kritik am Religionsbegriff damit, Letzteren doch als »redescriptive category« nutzen zu wollen. 38 Denn was unter »Religion« fällt, lässt sich hinsichtlich konkreter Praktiken vergleichen, auch wenn dahinter nicht in glei-cher Weise elaborierte Konzepte stehen:39 Wo von Gott, Göttern, Dämonen, Mächten etc. die Rede ist, verbinden sich damit zwar im Einzelnen unterschiedliche Vorstellungen von diesen Größen und von der Möglichkeit, mit ihnen in Beziehung zu treten und auf sie einzuwirken. Opfer, Gebete oder mantische Übungen sind aber hinreichend vergleichbare Handlungsweisen, die in Politik, Wirtschaft, Sozialleben oder Kunst »eingebettet« sind, jedoch nicht restlos darin aufgehen. Das macht eine nicht-essentialistische Rede von »Religion« legitim und geboten. 40 Das Resultat ist nicht »die« Religion der Griechen, der Juden oder der Muslime und schon gar nicht ein universales »Wesen« von Religion, sondern die je kontextspezifische Identifikation von Handlungsmustern, vermittels derer mit einem Gegenüber umgegangen werden soll, das jenseits der alltäglichen Erfahrung gedacht ist.41 Ein solcher polythetischer Ansatz bietet für die Religionen des Mittelmeerraums und seiner Umwelt hinreichende Trennschärfe; er trägt zugleich dem Umstand Rechnung, dass nur das Handeln von Menschen, nicht das Gegenüber selbst untersucht werden kann, ohne dass bestritten werden müsste, dass die Akteure mit der Realität ihres Gegenübers rechneten. Von »Religion« ist also in relationaler Weise die Rede, als Klasse von Beobachtungen, die durch die Bezugnahme auf ein Gegenüber jenseits der Erfahrungswelt definiert ist – das dann je konkret konzeptualisiert wird.

Ein solches praxeologisches Verständnis von jüdischer, christlicher und islamischer, aber auch spätantik-neuplatonischer Religion schließt die theologische Selbstreflexion ein; es ergeben sich aber umgekehrt für das frühe Christentum neue Perspektiven, wenn nicht das Argumentationsniveau der Apologeten, sondern die Lebenspraxis der Menschen und Gemeinden als Ausgangspunkt der Frage dient, was für die Zeitgenossen das kennzeichnend Christliche ausmacht und wo im Alltag solche Unterscheidungen sichtbar werden.42 Dass diese erkennbar sind, dass normative Grenzen zugleich aber strittig sind, steht außer Frage – die Konflikte zwischen Anhängern traditioneller Kulte und den Christen in der Spätantike sowie zwischen Christen, Juden und Muslimen im Mittelalter lassen erkennen, dass die Bezugnahme der Zeitgenossen auf Götter und Göttliches als »Religion« wahrgenommen wird und zu Diskursen führt. Hierin liegt für Martin Riesebrodt der Anknüpfungspunkt für ein Religionsverständnis, das nicht aus neuzeitlich-europäischer Warte, sondern aus den antiken Quellen Religion und Religiöses zu identifizieren erlaubt.43 Damit ist der Grund gelegt, in einem interdisziplinären Projekt mit Religion synchron und diachron vergleichend umzugehen.

III Bildung und Religion – religiöse Bildung: ein heuristischer Doppelfokus


1.


In den im SFB thematisierten Kulturen können Bildung und Religion unterschieden werden – und im Verhältnis zueinander stehen, insbesondere in der Form religiöser Bildung. Beides zusammen – Unterscheidung und Verhältnisbestimmung – ergibt eine hinreichend differenzierte Matrix zur Analyse der Konstellationen von Bildung und Religion im Mittelmeerraum und seiner Umwelt. Nimmt man Bildung und Religion als Gegenüber in den Blick, so ist Religion Gegenstand und Ziel von Bildungsprozessen – in Form einer sozial vermittelten Praxis, in literarischer Präsentation, als Thema intellektueller Reflexion oder als methodisch geleitete Auslegung normativer Texte. Hingegen ist Bildung für Religion als Ausbildung für religiöse Vollzüge einer Gruppe, als Trägerin von Bildungsgütern mit Bezug auf religiöse Praxis und Vorstellungen, als Set von reflexiven Kompetenzen oder als Vermittlung eines rationalen Umgangs mit normativen Texten bedeutsam. Das Ge­genüber kann zur ausdrücklichen Distanzierung werden: So erheben christliche Mönche den Verzicht auf literarische Bildung zum Programm; 44 doch wird implizit die Angewiesenheit von Religion auf Bildung deutlich, insofern zwar Bildungsgüter abgelehnt werden, Bildungshandeln aber eine wichtige Rolle spielt, und dies unter Aufnahme bewährter didaktischer Methoden.45 Für solche Aneignungen wurden schon bald hermeneutische Modelle entwickelt, so z. B. im hellenistischen Judentum und im frühen Chris-tentum die allegorische Deutung der Mitnahme des Goldes und Silbers der Ägypter durch die Israeliten beim Exodus (Ex 3,21 f.; 12,35 f.) auf die Rezeption »heidnischer« Bildungsgüter durch die Christen.46 Der damit suggerierte einlinige Vorgang der Rezeption einer feststehenden Entität durch einen eindeutigen Rezipienten – im Sinne einer »Nutzung« antiken Bildungsgutes auf der Basis »kritischer Auswahl« (χρῆσις)47 – muss aber hinterfragt werden: Mit dem Berliner SFB 644 »Transformationen der Antike« ist davon auszugehen, dass nicht nur die »Aufnahmekultur« durch Bezugnahmen auf Früheres transformiert, sondern zugleich auch die »Referenzkultur« (neu) konstituiert wird.48 Wo religiös relevante Bildung (Wissen über Götter, exegetische Methoden, philosophische Deutungen) gegenüber ihrem Herkunftskontext umgeformt wird, entsteht zugleich dieser Kontext als neue Konstruktion: Das gilt für die christlicherseits eingeführte Leitunterscheidung von Christen und »Heiden«, die es nie als einheitliche »Religion« gab, oder für die Sicht auf Juden und Christen als »Leute der [Heiligen] Schrift« im Islam. Wo Religion selbst zum Gegenstand von Bildung wird, wie in der spätantiken Kompendienliteratur, konstruiert der dem rö­mischen mos maiorum verpflichtete Macrobius – zur Belehrung seines Sohnes – ebenso ein Bild der traditionellen Religion wie der Christ Cassiodor in seiner »Einführung in die geistlichen und weltlichen Wissenschaften« für die Mönche des Klosters Vivarium.

Solche Transformationsprozesse eröffnen Einsichten in die Kon­stitution religiöser und sozialer Identität durch kreative Mo­dellierungen der Ellipse von Bildung und Religion. Dabei geht es nicht um rein literarische Diskurse, sondern um interagierende Aspekte sozial vermittelten Handelns, die in Institutionen verankert sind. Neben organisationsförmigen Strukturen (z. B. Bibliotheken) muss von »Institutionalisierungen« in weiter gefasstem Sinn die Rede sein: Institutionalität bezeichnet »einen Aggregatzustand sozialer Handlungs- und Kommunikationsstrukturen zwischen Wandel und Dauer«.49 Institutionen bilden »unausweichliche Ordnungs- und Bezugsraster jeglichen sozialen Handelns«, die Menschen dazu verhelfen, Orientierung und Identität im Wandel zu gewinnen und weiterzugeben.50 Unter dieses Verständnis von Institutionalität fallen philosophische Schulen, rabbinische Lernzirkel und der christliche Katechumenat, aber auch die Gemeinschaft von Qumran, die aus der Auslegung ihrer Texte lebt. Diese soziologische Auffassung von Institutionen setzt anthropologisch voraus, dass Menschen zur konstruktiven Partizipation an Institutionen befähigt sind; diese Befähigung ist das »Resultat der individuellen Bildungsgeschichte«.51 Bildung geschieht demnach in Institutionen, führt aber auch zur Partizipation an ihnen hin. Hier eröffnet sich ein weites Feld von Fragen: Sind Orte der Bildung zugleich Orte der Religionsausübung, ist der Erwerb religiöser Bildung an Heiligtümer, Synagogen, Klöster, Kirchen, Moscheen ge­bunden? Wie verhalten sich diese zu organisationsförmig weniger ausgestalteten Orten religiöser Bildung – Kultvereine, philosophische Schulen, asketische Zirkel? Ob die genannten materiellen Strukturen eine bestimmte Verhältnisbestimmung von Bildung und Religion implizieren, ist eine Frage – inwieweit dies den Zeitgenossen bewusst geworden sein könnte, eine andere.

2.


Fällt die Kopula weg, so richtet sich der Blick auf religiöse Bildung. Dies betrifft formaliter die Unterweisung zwecks Initiation in eine Religionsgemeinschaft oder die Qualifikation zur Übernahme von religiösen Funktionen, materialiter die Vertrautheit mit Inhalten solcher Bildung, die teils nicht von Menschen, sondern von Gott oder Göttern vermittelt wird, z. B. bei religiösen Virtuosen oder »Theodidakten«.52 Die Strittigkeit von Bildung in Bezug auf Religion kehrt auf der Ebene religiöser Bildung wieder, sowohl beim Erwerb von Bildung (Bildungsprozesse) als auch bei dessen Resultat (religiöse Bildung als geistiges Ideal, als sozialer Habitus oder als praktische Kompetenz). Dass beides nicht nur in monotheistischen Religionen zusammengehört, zeigt der Sachverhalt, dass hochgebildete Personen wie Cicero oder Plutarch die Funktionen von Kultpriestern übernehmen. Im antiken Griechenland und in Rom durchdringt Religion alle Lebensbereiche, so dass Bildung stets religiös konnotiert ist und vor allem durch familiäre Erziehung weitergegeben wird. Eine solche »embeddedness« von Religion und Bildung ist auch im rabbinischen Judentum gegeben; hier wird religiöse Bildung in spezifischen Institutionen vermittelt, ebenso im Katechumenat des spätantiken Christentums, wo eine Priesterausbildung aber weitgehend fehlt.53

Ob es sich im konkreten Fall aber um religiöse Bildung handelt, ist genau zu prüfen: Mythische Texte werden schon beim Erwerb der Elementarbildung als Medien eingesetzt (am Homer-Text lernt man buchstabieren), aber erst christliche Theologen sehen ein Problem darin, Kinder mit Geschichten von (falschen) Göttern zu konfrontieren.54 Müssen Bildungsgüter aus anderen kulturell-religiösen Kontexten eine Transformation, ja »Konversion« durchlaufen? Hieronymus verwendet dafür das Bild der gefangenen Sklavin, die gereinigt und geschoren werden muss, bevor ein Israelit sie zur Frau nehmen darf (Dtn 21,10–13).55 Insofern hat die Unterscheidung von »Bildung und Religion« und »religiöser Bildung« perspektivierenden, nicht exkludierenden Charakter: Religiöse Bildung als Einführung in die Praxis kompetenten Umgangs mit heiligen Texten unterscheidet die zu rezipierende Bildung von deren religiösen Herkunftskontexten, wendet sich aber bisweilen auch gegen jede Rezeption nichtreligiöser Bildungsgüter und Kulturtechniken und postuliert eine rein religiöse Bildung – was im Gegenzug er­kennen lässt, dass das Spannungsfeld von Bildung und Religion auch da vorausgesetzt ist, wo es überwunden werden soll.

3.


Unter dem Doppelfokus von »Bildung und Religion« und »religiöser Bildung« geht es nicht um präexistente, universal gültige Zuordnungen, die es nur in verschiedenen Kulturen aufzuspüren gälte. Vielmehr lassen sich plurale Konstellationen dessen, was mit beiden Termini bezeichnet wird, in verschiedenen Kontexten be­schreiben, so dass sich ein komparatistisches Forschungsfeld ergibt. Eine solche Pluralität entsteht nicht erst im Laufe der Religionsgeschichte, sie ist in allen Religionskulturen präsent, die der SFB behandelt. Dabei können Genealogien vorliegen: So wirken im Christentum Impulse aus dem Judentum und dem Hellenismus weiter, die wiederum für den Islam in statu nascendi von Bedeutung sind, durch das jüdische Umfeld Mohammeds in Mekka und durch die Rezeption christlich-syrischer Traditionen in den ersten muslimischen Generationen. Entscheidend ist jedoch nicht eine chronologische Abfolge, sondern die sachliche Vergleichbarkeit von Konstellationen von Bildung und Religion, also von Konfigurationen dieser Ellipse. Eine Historisierung solcher Konfigurationen verhindert die Bildung abstrakter Idealtypen, vielmehr soll durch historisch sensible Typologien vergleichendes Arbeiten ermöglicht werden.

IV Konkretionen: Forschungsstand, -fragen und -ziele


1.


Die Religionskulturen, die der SFB adressiert, waren bereits und sind weiterhin Gegenstand der Forschung, allerdings nur vereinzelt in vergleichender Sicht und fast gar nicht unter der hier verfolgten Leitperspektive.56 Der SFB greift neuere disziplinäre Trends der Forschung auf, um sie unter dem Dachthema von »Bildung und Religion« interdisziplinär fortzuentwickeln:

– So ist im Blick auf das Judentum in neuerer Zeit vor allem die alttestamentliche Weisheitsliteratur unter dem Gesichtspunkt der Bildung untersucht worden,57 ebenso liegen mittlerweile substantielle Studien zum rabbinischen Judentum vor.58

– Mit Bezug auf das frühe Christentum wird derzeit insbesondere diskutiert, ob es in neutestamentlicher Zeit59 und im frühen Christentum60 (um einen Lehrer zentrierte) »Schulen« gab, analog zu den philosophischen Schulen der Kaiserzeit.

– Dass Bildungs- zunehmend mit Religionsfragen verbunden werden, ist charakteristisch für die Spätantike, mit Blick auf den paganen Monotheismus61 oder das vermeintlich einheitliche »Heidentum«.62

– Das »öffentliche« Schulsystem der Antike ist bezüglich regionaler Differenzierungen neu in den Fokus genommen worden,63 samt der Frage nach der »normalen« Schulkarriere – Augustins sukzessives Absolvieren von Elementar-, Grammatik- und Rhetorikunterricht ist eine (allzu gut dokumentierte) Ausnahme!64

– Als Raum der Begegnung von Judentum und Christentum65 und von syrischem Christentum und frühem Islam66 steht neuerdings der Vordere Orient im Blick, verbunden mit der Einordnung des Islams in die Spätantike.67

– Bildung und Religion im Islam stellt nicht nur für sich,68 sondern auch mit Blick auf die Rezeption des antiken Erbes69 ein prosperierendes Forschungsfeld dar.

– Von hier aus reicht der Bogen über Byzanz zurück ins Abendland und die dort geführten interreligiösen Diskurse in unterschiedlichen Sprachen, Regionen und Kulturen.70

Der SFB wird, ausgehend von diesem Forschungsstand, über ergänzende Einzelstudien zu komparatistischen Untersuchungen vorstoßen. Die skizzierte Terminologie – die weiter zu differenzieren ist – bietet ein Gerüst, um solche Vergleiche zu ermöglichen; an welchen konkreten Themenbereichen diese vorgenommen werden, ist im Folgenden kurz zu beschreiben. Denkbar wäre zunächst eine Gliederung nach Epochen und Regionen; dies soll auf Tagungen und Workshops realisiert werden, einschließlich des titelgebenden »Mittelmeerraums«.71 Einen höheren Innovationsgrad ermöglicht die Anordnung der Forschungsfelder nach sachlichen Gesichtspunkten. Vier Aspekte wurden ausgewählt, um die Eigenheiten der behandelten Kulturen zu profilieren und kulturübergreifende Vergleiche anzustellen: A. Bildungsspeicher, B. Interpretationen, C. Vermittlungen, D. Diskurse.72 Damit ist das Forschungsfeld noch nicht erschöpfend kartiert; vielmehr soll der SFB im Verlauf seiner maximal drei Förderperioden weitere Themen erschließen und auch weitere wissenschaftliche Disziplinen integrieren.

2.


In welchen Institutionen wird Bildung tradiert, selektiert und (neu) organisiert? Projektbereich A konzentriert sich auf die Verbindung von Kult und Wissen in antiken Bibliotheken in Ephesus und Rom sowie in christlichen Bibliotheken in Caesarea (Origenes), Rom (Bibliotheca Pacis, später zur Kirche SS. Kosmas und Damian gehörig) und Squillace (Cassiodors Kloster Vivarium). In solchen Bibliotheken wurde sowohl Wissen über Religion als auch religiöses Wissen gespeichert. War aber die Bibliothek von Alexandrien eine religiöse Institution, weil sie (auch) Wissen über Göttliches beinhaltete? Diente Origenes’ Bibliothek der schulmäßigen Vermittlung von philosophisch-theologischer Bildung an Verächter und Sympathisanten des Christentums? Und wie kam es zur Reaktivierung gespeicherten Wissens in Bibliotheken der Karolingerzeit, etwa in der »Hofbibliothek« Karls des Großen, und zur Sammlung von Bildung in »virtuellen Bibliotheken« der Spätantike, d. h. in von Johannes Stobaios, Proklos und Isidor von Sevilla verfassten Kompendien?

Mit der Untersuchung exegetischer Praktiken setzt Projektbereich B einen anderen Akzent. Das Augenmerk liegt auf Formen des »kunstgerechten« Umgangs mit als »heilig« angesehenen Schriften, deren Autorität in ihrer Verbindung zu Gott liegt. Behandelt werden Kommentare (Pescharim) aus Qumran, die Paulusbriefe und – in einem assoziierten Projekt – frühe rabbinische Midraschim, weiterhin schriftbasierte syrische Polemiken gegen Juden und Muslime sowie das exegetische Werk des ägyptischen Abtes Schenute. Neben den Methoden (so etwa das Fortwirken der hellenistischen Homerexegese in Judentum und Christentum) ist ebenso das Bildungsniveau von Interesse, dessen Ausleger und Adressaten bedürfen, um einander zu verstehen. Weitere Perspektiven eröffnen sich dabei auf das hellenistische Judentum, die Platonauslegung im spätantiken Neuplatonismus oder die Koranexegese.

Projektbereich C stellt Vermittlungen in den Fokus. Das berührt sowohl die Institutions- als auch die Akteursperspektive und schließt Genderzuschreibungen ein. Konkret geht es um Religion, Bildung und Geschlechterstereotypen im klassischen Athen, um Antiquarianismus und Bildungsvermittlung in Kompendien des 2. Jh.s n. Chr. (Plutarch, Aulus Gellius) und um rabbinische Erziehungspraxis und -theorie im Kontext der spätantiken Umwelt des Judentums (auch dies in einem assoziierten Projekt). Weiterhin sind Lehrer und Lehrerinnen in christlicher Gemeinde, Familie und monastischer Gemeinschaft Thema der Analyse sowie der spätantike und frühmittelalterliche Katechumenat, auch im Blick auf seine Rezeption in der Neuzeit – hier arbeiten Vertreter der Kirchengeschichte und der Religionspädagogik zusammen, um exemplarisch das Knüpfen von Verbindungsfäden von der Vormoderne in die Gegenwart zu erproben, in der im Kontext von katechetischen (aber auch von liturgischen) Debatten gerne auf frühchristliche Modelle zurückgegriffen wurde und wird.

Projektbereich D schließlich widmet sich intra- und interreligiösen Diskursen: Was ist in einem soziokulturellen Setting »sagbar«, und von wem und wodurch wird dies bestimmt? Die Frage nach der diskursiven Konstitution und Stabilisierung von religiöser Identität richtet sich auf Gottes-, Menschen- und Weltbilder, die mit Bezug auf eigene und fremde Traditionen reflektiert werden. Die religionsphilosophischen Dialoge Ciceros und das Evangelium des Lukas im Kontext der hellenistischen Bildungswelt sind ebenso Thema wie der islamische Ethiker des 11. Jh.s n. Chr., Miskawaih und, last but not least, die dialogische Konstitution religiöser Identität bei lateinischsprachigen Theologen des 12. Jh.s. Hier wird die Dynamik sichtbar, die in der Interaktion von Bildungs- und Religionskulturen entsteht, zumal wenn diese einander mehr verdanken bzw. miteinander gemeinsam haben, als wünschenswert ist, und darum die eigene Identität durch Bezug auf Alterität definieren.

3.

Dieser Zuschnitt der Projektbereiche ermöglicht interdisziplinäre Forschung an Themen, die nicht oder nur selten in den im SFB verankerten Konstellationen thematisiert werden: So liegt es nahe, dass Klassische Philologie und Neues Testament kooperieren, nicht aber die Zusammenarbeit beider mit Islamwissenschaft und Kirchengeschichte (Projektbereich D). Ebenso ist die Vermittlung religiöser Bildung seit jeher ein Thema der Patris­tik, in der Alten Geschichte hingegen nicht; differenziert man aber zwischen Sozialisation, Erziehung und Bildung, erweist sich die Frage nach religiöser Kompetenz auch für das klassische Athen als aufschlussreich (Projektbereich C). Der Zusammenhang von Bildung und Kult stellt sich in den Tempelbibliotheken polytheistischer Religionskulturen an­ders dar als in den Bildungsspeichern monotheistischer Religionen; ob und wie konzeptionelle Unterschiede im Verständnis von Religion praktische Auswirkungen haben und sich institutionell äußern, ist zu klären (Projektbereich A). Bei der Bezugnahme auf das (teilweise) gleiche Textcorpus – die Hebräische Bibel und die Septuaginta – wirft der Fokus des SFB die interdisziplinär bisher nicht behandelte Frage auf, inwiefern Schriftauslegung als Bildungsvorgang verstanden werden kann, von Qumran und den Paulusbriefen bis zum Weißen Kloster des Schenute (Projektbereich B).

Das interdisziplinäre Gespräch bietet also die Möglichkeit, die Ellipse von Bildung und Religion auf übergreifende Forschungsfragen hin zu öffnen:

Methodisch verhilft der Doppelfokus zur differenzierten Wahrnehmung von Prozessen und Praktiken im Feld von Bildung und Religion, gerade in Bezug auf die Terminologie: Wo ist παιδεία der Leitbegriff – als Ideal, als Prozess oder als Resultat? Welche Begriffe treten in anderen Sprachen an diese Stelle, inwiefern ist deren Bedeutungsumfang vergleichbar? Und wo ist explizit und implizit von »Schulen« und von »Lehrern« die Rede?

Sachlich zielt der SFB auf ein vertieftes Verständnis davon, wie »Bildung« und »Religion« zueinander in Beziehung stehen – indifferent, wechselseitig befruchtend, spannungsreich oder gar konflikthaft? Dadurch werden Dynamiken in sozialer, kultureller und religiöser Hinsicht deutlich, für die Bildungshandeln prägend, ja maßgeblich ist; es kann rekonstruiert werden, inwieweit kompetente gesellschaftliche Mitwirkung ebenso wie Welt- und Selbsterkenntnis religiös fundamentiert ist und wo (und ggf. warum) das nicht so ist.

Komparatistisch ergibt sich eine neue Perspektive für kultur- und religionsgeschichtliche Studien zur Vormoderne. Der SFB thematisiert prägende Übergänge zwischen Kulturen und Religionen, das Fortwirken ägyptischer und orientalischer Weisheit in Israel und im klassischen Griechenland, die Überformung von Bildung, Religion und Gesellschaft in Rom durch griechische Einflüsse, die Weitergabe jüdischer Bildungstraditionen über das hellenistische Judentum an das Christentum, die Übernahme christlich rezipierter antiker Bildung im Islam durch Vermittlung des syrischen Christentums oder die Rezeption antiker griechischer und iranisch-indischer Bildungsideale durch Muslime infolge der ara-bischen Übersetzungsbewegung, die wiederum die Bildungsgeschichte Europas im Mittelalter beeinflusst hat. Unterscheiden sich poly- und monotheistische Religionskulturen darin, dass in Letzteren eine Zunahme der theologischen Reflexion und der Inanspruchnahme von Bildung für diesen Zweck (nur) die Norm ist oder auch die Praxis prägt? Dabei sind Narrative des »ersten Mil-lenniums«73 oder der »abrahamitischen Religionen«74 konstruktiv aufzunehmen, aber auch kritisch zu hinterfragen. Dass dafür die Verhältnisbestimmung von Bildung und Religion der einzige Zugang sei, wird damit nicht behauptet – dass sie aber dafür ein überaus nützlicher Schlüssel sein kann, ist offensichtlich.

V Bildung und Religion –

ein Thema (auch) der Theologie


1.

Der SFB »Bildung und Religion« hat mit seiner Arbeit erst begonnen – daher werden hier vor allem Fragen formuliert. Damit erschließt der SFB aber neue historische Perspektiven für die beteiligten Fächer. Ins gemeinsame Gespräch werden auch theologische Perspektiven eingebracht. Dabei wird aus der Perspektive der beteiligten Disziplinen heraus das interdisziplinäre Gespräch gesucht, wofür Begriffe und Typologien zu präzisieren bzw. zu erarbeiten sind. Nicht die Verifikation einer leitenden Theorie, sondern die Auseinandersetzung mit den Quellen, damit aber auch mit der Binnenperspektive von Religionskulturen ist das Ziel. Bildung ist für die jüdische, christliche und muslimische Religion nicht äußerlich. Sie ist ein Thema, ja ein Teil von Theologie – als Rede von Gott und damit vom Menschen, der zu Gott oder den Göttern in einem Verhältnis steht, das gebildet werden will.

2.


Dem entspricht, dass der moderne Bildungsbegriff offen für Religiöses ist. Dietrich Benner identifiziert Religion als diejenige Praxis, »in der Menschen ihre eigene Endlichkeit reflektieren und eine ›religiöse Musikalität‹ entwickeln können«75. Religion ist Bildungsinhalt, aber auch Bildungsdimension – und gebildete Religiosität ein Bildungsziel, freilich eines, das sich der Operationalisierung entzieht.76 In der gegenwärtigen Debatte über Lernen und Kompetenzen ist es wichtig, an Bildung als Zielbestimmung festzuhalten und die historische Tiefendimension des Verhältnisses von Bildung und Religion in den Blick zu bekommen. Ob das Paradies ein »Hörsaal für die Seelen« ist (so Origenes),77 sei dahingestellt; den Menschen als »bildbares« Wesen zu sehen, dessen Geschichte mit seinem Schöpfer und Erlöser als Bildungsprozess verläuft, ist nicht nur für das christliche Wirklichkeitsverständnis fundamental. Daher ist die Frage nicht nur antiquarisch interessant, sondern theologisch bedeutsam, wie es zu dieser grundlegenden Affinität von Bildung zu (christlicher) Religion kam und wo die Unterschiede und Gemeinsamkeiten im Vergleich mit anderen Religionen der Geschichte und Gegenwart liegen.

3.


Insofern ist es nicht nur sinnvoll, sondern notwendig, dass die Theologie an einem Projekt beteiligt ist, das »Religion« und »Bildung« zum Thema hat. Mit der ihr eigenen disziplinären Vielfalt trägt sie zum interdisziplinären Gespräch und darüber hinaus auch zum eingangs erwähnten »Menschheitsprojekt Bildung« bei, zu dem Religion gehört, sowohl als Thema als auch als Gegenstand und ebenso als Movens von Bildung. Und es dürfte ihr in keiner Weise abträglich sein, wenn die Theologie dabei selbst über das Christentum in Geschichte und Gegenwart in »(un-)gläubiges Staunen« geriete.

Abstract


In 2015 the University of Göttingen established a Collaborative Re-search Centre »Education and Religion«. The present paper outlines the ac-tual conflicts between educational formation and religion. The research project seeks to reconstruct the historical roots of these conflicts based on a working definition of these two modern no-tions which can be fruitfully applied to Greek and Roman ritual practice and philosophy as well as to Judaism, Christianity and Islam. The relationships between education and religion will be analyzed in four thematic fields: storage of knowledge, interpretations, transmissions and discourses. In each case there will be a focus on the interaction between education and religion as distinguishable areas as well as on religious formation as a unity of practice and interpretation. The findings of this research unit will open up comparative perspectives on the history of religions, the history of culture and social history in antiquity and the middle ages. They are also instructive with regards to the present in which the aforementioned relationships and configurations are still operative.

Fussnoten:

1) Navid Kermani, Ungläubiges Staunen. Über das Christentum, München 2015, 292.
2) Vgl. dazu Wolfgang Bock (Hrsg.), Islamischer Religionsunterricht? Rechtsfragen, Länderberichte, Hintergründe (RuA 13), Tübingen 22007.
3) Vgl. aus der Perspektive christlicher Theologie Friedrich Schweitzer, Bildung (Theologische Bibliothek 2), Neukirchen-Vluyn 2014, sowie demnächst Bernd Schröder (Hrsg.), Bildung (TdT), Tübingen 2017 [i. V.].
4) Aktuelle Informationen: www.sfb1136.uni-goettingen.de.
5) Der Klassiker dieser Sichtweise ist Henri-Irénée Marrou, Geschichte der Erziehung im klassischen Altertum, hrsg. von Richard Harder, Freiburg 1957 (ND München 1977).
6) Beteiligt sind aus der Theologischen Fakultät: Altes Testament, Neues Tes­tament, Kirchengeschichte und Religionspädagogik; aus der Philosophischen Fakultät: Christlicher Orient, Religionswissenschaft, Alte Geschichte, Mittelalterliche Geschichte, Klassische Archäologie, Klassische Philologie, Koptologie und Islamwissenschaft. Zwei Kooperationsprojekte im Fach Judaistik sind an der Hebräischen Universität in Jerusalem angesiedelt.
7) Keith Hopkins, A World Full of Gods: Pagans, Jews, and Christians in the Roman Empire, London 1999.
8) Dazu Rainer Hirsch-Luipold, Plutarch – Religiöse Philosophie als Bildung zum Leben, in: Tobias Georges u. a. (Hrsg.), Bedeutende Lehrerfiguren. Von Platon bis Hasan al-Banna, Tübingen 2015, 95–122.
9) Vgl. Michael Erler, Platons Dialoge als »heilige Texte«? Altes Wissen und »anagogische« Exegese platonischer Dialoge in der Kaiserzeit, in: Peter Gemeinhardt (Hrsg.), Zwischen Exegese und religiöser Praxis. Heilige Texte von der Spätantike bis zum klassischen Islam, Tübingen 2016, 61–83.
10) Vgl. Karl Olav Sandnes, The Challenge of Homer. School, Pagan Poets and Early Christianity (LNTS 400), London/New York 2009.
11) Zu Letzteren vgl. Peter Gemeinhardt, Das lateinische Christentum und die antike pagane Bildung (STAC 41), Tübingen 2007.
12) Vgl. James L. Crenshaw, Education in Ancient Israel. Across the Deading Silence, New York 1998; Günter Stemberger, Das klassische Judentum: Kultur und Geschichte der rabbinischen Zeit, München 2009, 107–123.
13) Thomas Söding, Neues Denken. Das Urchristentum als Bildungsreligion, Bochum 2010.
14) Belege aus 1Clem samt deren biblischen Prätexten bei Gemeinhardt, Pagane Bildung (Anm. 11), 7 f.
15) Reinhart Koselleck, Einleitung – Zur anthropologischen und semantischen Struktur der Bildung, in: Ders. (Hrsg.), Bildungsbürgertum im 19. Jahrhundert, Teil 2: Bildungsgüter und Bildungswissen (Industrielle Welt. Schrif­- tenreihe des Arbeitskreises für moderne Sozialgeschichte 41), Stuttgart 1990, 11–46, hier 19; vgl. auch Rudolf Vierhaus, Art. Bildung, in: GGB 1 (1972), 508–551.
16) Bernhard Dressler, Unterscheidungen. Religion und Bildung (ThLZ.F 18/ 19), Leipzig 2006, 85; vgl. Dietrich Korsch, Bildung und Glaube. Ist das Christentum eine Bildungsreligion?, in: NZSTh 36 (1994), 190–214, hier 193.
17) Vgl. Bernd Schröder, Religionspädagogik (Neue Theologische Grundrisse), Tübingen 2012, 214; Eva Borst, Theorie der Bildung, Baltmannsweiler 22011, 21–27.
18) Dietrich Benner, Allgemeine Pädagogik. Eine systematisch-problemgeschichtliche Einführung in die Grundstruktur pädagogischen Denkens und Handelns, Weinheim 72012, 232.
19) Plutarch, De E apud Delphos 21 (394C). Vgl. Richard Sorabji, Self. Ancient and Modern Insights about Individuality, Life, and Death, Oxford 2006, 43.172–177.
20) Vgl. Borst, Theorie der Bildung (Anm. 17), 40.
21) Schröder, Religionspädagogik (Anm. 17), 221.
22) Benner, Dietrich: Bildung und Religion. Nur einem bildsamen Wesen kann ein Gott sich offenbaren. Paderborn: Ferdinand Schöningh 2014. 150 S. = Religionspädagogik in pluraler Gesellschaft, 18. Kart. EUR 24,90. ISBN 978-3-506-77994-6, hier 27.
23) Volker Ladenthin, Was ist Bildung? Systematische Überlegungen zu einem aktuellen Begriff, in: EvTh 63 (2003), 237–260, hier 241.
24) Vgl. Reiner Preul, Evangelische Bildungstheorie, Leipzig 2013, 74–89.
25) Korsch, Bildung und Glaube (Anm. 16), 196.
26) Einen wichtigen Ausschnitt der Debatte beleuchten Greg Woolf/Jörg Rüpke (Hrsg.), Religious Dimensions of the Self in the Second Century CE (STAC 76), Tübingen 2013.
27) Werner Jaeger, Paideia. Die Formung des griechischen Menschen, Bde. I–III, Berlin 1933–1947.
28) Aulus Gellius, Noctes Atticae XIII 17,1.
29) Ladenthin, Was ist Bildung? (Anm. 23), 256.
30) Quintilian, Institutio I 10,1.
31) Dazu Konrad Vössing, Die Geschichte der römischen Schule – ein Abriß vor dem Hintergrund der neueren Forschung, in: Gymn. 110 (2003), 455–497, hier 481–483.
32) Jan N. Bremmer, The Family and Other Centres of Religious Learning in Antiquity, in: Jan Willem Drijvers/A. A. MacDonald (Hrsg.), Centres of Learning. Learning and Location in Pre-Modern Europe and the Near East (Brill’s Studies in Intellectual History 61), Leiden u. a. 1995, 29–38.
33) Das bedeutet natürlich nicht, dass nicht der Sache nach auch in anderen Sprachen über das nachgedacht würde, was im Deutschen mit »Bildung« bezeichnet wird; vgl. dazu Roland Reichenbach, Philosophie der Bildung und Erziehung. Eine Einführung, Stuttgart u. a. 2007, 126–131.
34) Vgl. Ernst Feil, Art. Religion I. Zum Begriff, in: RGG4 7 (2004), 263–267.
35) Vgl. Talal Asad, The Construction of Religion as an Anthropological Cat-egory, in: Ders. (Hrsg.), Genealogies of Religion. Discipline and Reasons of Power in Christianity and Islam, Baltimore/London 1993, 27–54.
36) Adolf Harnack, Die Aufgabe der theologischen Fakultäten und die allgemeine Religionsgeschichte, in: Ders., Reden und Aufsätze, Bd. II, Gießen 21906, 159–187, hier 168.
37) Vgl. Daniel Boyarin, Border Lines: The Partition of Judaeo-Christianity, Philadelphia 2004, und Tobias Nicklas, Jews and Christians? Second Century ›Christian‹ Perspectives on the ›Parting of the Ways‹, Tübingen 2014.
38) Brent Nongbri, Before Religion. A History of a Modern Concept, New Haven CT/London 2013, 157.
39) Martin Riesebrodt, Cultus und Heilsversprechen. Eine Theorie der Religionen, München 2007, 24.
40) So etwa Burkhard Gladigow, Mögliche Gegenstände und notwendige Quellen einer Religionsgeschichte, in: Ders., Religionswissenschaft als Kulturwissenschaft, hrsg. von Christoph Auffarth/Jörg Rüpke (Religionswissenschaft heute 1), Stuttgart 2005, 23–39; Jan N. Bremmer, Greek Religion and Culture, the Bible, and the Ancient Near East, Leiden/Boston 2008; Hubert Cancik/Jörg Rüpke (Hrsg.), Die Religion des Imperium Romanum: Koine und Konfrontationen, Tübingen 2009.
41) Vgl. Wouter J. Hanegraaff, Defining Religion in Spite of History, in: Jan G. Platvoet/Arie L. Molendijk (Hrsg.), The Pragmatics of Defining »Religion« (SHR 84), Leiden u. a. 1999, 337–378, hier 371; Michael Stausberg, Distinctions, Differ­entiations, Ontology, and Non-humans in Theories of Religion, in: Method and Theory in the Study of Religion 22 (2010), 354–374, hier 359 f.; Ilinca Tanaseanu-Döbler/Marvin Döbler, Towards a Theoretical Frame for the Study of Religious Education: An Introduction, in: Dies. (Hrsg.), Religious Education in Pre-Modern Europe (Numen Book Series 140), Leiden/Boston 2012, 1–38, hier 2; Jörg Rüpke, Pantheon. Geschichte der antiken Religionen, München 2016, 19.
42) Vgl. Kocku von Stuckrad, »Christen« und »Nichtchristen« in der Antike. Von religiös konstruierten Grenzen zur diskursorientierten Religionswissenschaft, in: Manfred Hutter (Hrsg.), Hairesis. FS Karl Hoheisel (JbAC.E 34), Münster 2002, 184–202; anders akzentuiert bei Peter Gemeinhardt, Heilige, Halbchristen, Heiden. Virtuelle und reale Grenzen im spätantiken Christentum, in: Ders., Die Kirche und ihre Heiligen. Studien zu Ekklesiologie und Hagiographie in der Spätantike (STAC 90), Tübingen 2014, 47–69; vgl. Hartmut Leppin, Christianisierungen im Römischen Reich, in: ZAC 16 (2012), 245–276.
43) Riesebrodt, Cultus und Heilsversprechen (Anm. 39), 44.72 f.
44) Paradigmatisch: Athanasius, Vita Antonii 1,2.
45) Z. B. Lillian Larsen, Early Monasticism and the Rhetorical Tradition: Sayings and Stories as School Text in: Peter Gemeinhardt u. a. (Hrsg.), Education and Religion in Late Antique Christianity. Reflections, Social Contexts, and Genres, London/New York 2016, 13–33.
46) Pier Franco Beatrice, The Treasures of the Egyptians. A Chapter in the History of Patristic Exegesis and Late Antique Culture, in: StPatr 39 (2006), 159–183. Der locus classicus ist Augustin, De doctrina christiana II 40,60 f.
47) Christian Gnilka, Chrêsis. Die Methode der Kirchenväter im Umgang mit der antiken Kultur, Bd. I: Der Begriff des »rechten Gebrauchs«, Basel/Stuttgart 1984.
48) Hartmut Böhme u. a., Transformation. Ein Konzept zur Erforschung kulturellen Wandels, München 2011, bes. 39–56.
49) So der Institutionenbegriff des SFB 537 »Institutionalität und Geschichtlichkeit« (TU Dresden, 1997–2008, Sprecher: Gert Melville); zitiert nach: Historische Sozialforschung 26/4 (2001), 271–274, hier 271. Vgl. zur Anwendbarkeit des Institutionenbegriffs auf die Antike Christoph Markschies, Kaiserzeitliche christliche Theologie und ihre Institutionen. Prolegomena zu einer Geschichte der antiken christlichen Theologie, Tübingen 2007, 33–40.
50) Gert Melville, Institutionen als geschichtswissenschaftliches Thema. Eine Einleitung, in: Ders. (Hrsg.), Institutionen und Geschichte. Theoretische Aspekte und mittelalterliche Befunde (Norm und Struktur 1), Köln u. a. 1992, 1–24, hier 2.12.
51) Eilert Herms, Art. Institution III. Sozialwissenschaftlich, in: RGG4 4 (2001), 177 f., hier 178.
52) Der Begriff θεοδίδακτος begegnet in Jes 54,13 sinngemäß und in 1Thess 4,9 wörtlich. Bei Tatian, Oratio ad Graecos 29,3, bezeichnet er die »Barbaren«, die mehr von Gott verstanden haben als die gebildeten Griechen, bei Athanasius, Vita Antonii 66,2, den nicht formal gebildeten und dennoch scharfsinnigen Eremiten, bei Johannes Chrysostomus, In annuntiationem deiparae (PG 62, 763), den »gottgelehrten Rhetor« Basilius von Caesarea.
53) Kanon 11 des Konzils von Vaison (529) schreibt vor, dass Gemeindepries­ter junge, unverheiratete Lektoren bei sich aufnehmen und in ihre künftigen Aufgaben einführen sollen (CChr.SL 148A, 78.15–25 Munier). Zum antiken Pries­tertum vgl. Jan N. Bremmer, Athenian Civic Priests from Classical Times to Late Antiquity: Some Considerations, in: Marietta Horster/Anja Klöckner (Hrsg.), Civic Priests. Cult Personnel in Athens from the Hellenistic Period to Late Antiquity (RGVV 58), Berlin/Boston 2012, 219–235.
54) Hierzu jetzt Leppin, Hartmut [Hrsg.]: Antike Mythologie in christlichen Kontexten der Spätantike. Berlin u. a.: de Gruyter 2015. VIII, 318 S. m. 16 Tfn. = Millennium-Studien, 54. Geb. EUR 119,95. ISBN 978-3-11-040043-4.
55) Hieronymus, Epistula 21,13,5–9 (CSEL 54, 122,13–124,7 Hilberg).
56) Vgl. aber Tanaseanu-Döbler/Döbler (Hrsg.), Religious Education in Pre-Modern Europe (Anm. 41).
57) Frank Ueberschaer, Weisheit aus der Begegnung. Bildung nach dem Buch Ben Sira (BZAW 379), Berlin/New York 2007.
58) Günter Stemberger, »Schaff dir einen Lehrer, erwirb dir einen Kollegen« (mAv 1,6) – Lernen als Tradition und Gemeinschaft, in: Beate Ego/Helmut Merkel (Hrsg.), Religiöses Lernen in der biblischen, frühjüdischen und frühchristlichen Überlieferung (WUNT 180), Tübingen 2005, 141–155; Marc Hirshman, The Stabilization of Rabbinic Culture, 100 C. E.–350 C. E. Texts on Education and Their Late Antique Context, New York u. a. 2009; Gerhard Langer, Menschen-Bildung. Rabbinisches zu Lernen und Lehren jenseits von PISA, Wien u. a. 2012.
59) Udo Schnelle, Denkender Glaube. Schulen im Neuen Testament, in: Peter Gemeinhardt/Sebastian Günther (Hrsg.), Von Rom nach Bagdad. Bildung und Religion von der römischen Kaiserzeit bis zum klassischen Islam, Tübingen 2013, 81–110; skeptisch bezüglich »Schulen« äußert sich allerdings Thomas Schmeller, Schulen im Neuen Testament? Zur Stellung des Urchristentums in der Bildungswelt seiner Zeit (HBS 30), Freiburg u. a. 2001.
60) Tobias Georges, »… herrlichste Früchte echtester Philosophie …« – Schulen bei Justin und Origenes, im frühen Christentum sowie bei den zeitgenössischen Philosophen, in: Millennium 11 (2014), 23–38.
61) Peter Van Nuffelen, Rethinking the Gods. Philosophical Readings of Religion in the Post-Hellenistic Period, Cambridge 2011; Alfons Fürst, Die Rhetorik des Monotheismus im Römischen Reich. Ein neuer Zugang zu einem zentralen historischen Konzept, in: Ders. u. a. (Hrsg.), Monotheistische Denkfiguren in der Spätantike (STAC 81), Tübingen 2013, 7–32.
62) Alan Cameron, The Last Pagans of Rome, Oxford 2011.
63) Konrad Vössing, Schule und Bildung im Nordafrika der römischen Kaiserzeit (CollLat 238), Brüssel 1997; Raffaella Cribiore, Gymnastics of the Mind. Greek Education in Hellenistic and Roman Egypt, Princeton NJ 2001; Isabella Sandwell, Religious Identity in Late Antiquity. Greeks, Jews and Christians in Antioch, Cambridge 2007; Tobias Georges u. a. (Hrsg.), Alexandria (COMES 1), Tübingen 2013.
64) So Robert A. Kaster, Guardians of Language. The Grammarian and Society in Late Antiquity (The Transformation of the Classical Heritage 11), Berkeley 1988, 25.
65) Michal Bar-Asher Siegal, Early Christian Monastic Literature and the Babylonian Talmud, Cambridge 2013.
66) Dmitrij Bumazhnov (Hrsg.), Bildung und Religion bei den christlichen Syrern = ZAC 19, Heft 1, Berlin/Boston 2015; Martin Tamcke, Wie der Islam die christliche Bildung beflügelte, in: Gemeinhardt/Günther (Hrsg.), Von Rom nach Bagdad (Anm. 59), 243–267.
67) Angelika Neuwirth, Der Koran als Text der Spätantike. Ein europäischer Zugang, Berlin 2010; Nora Schmidt u. a. (Hrsg.), Denkraum Spätantike. Reflexionen von Antiken im Umfeld des Koran (Episteme in Bewegung. Beiträge zu einer transdiziplinären Wissensgeschichte 5), Wiesbaden 2016.
68) Sebastian Günther, »Das Buch ist ein Gefäß gefüllt mit Wissen und Scharfsinn«. Pädagogische Ratschläge klassischer muslimischer Denker, in: Gemeinhardt/Günther (Hrsg.), Von Rom nach Bagdad (Anm. 59), 357–379.
69) Dimitri Gutas, Greek Thought, Arabic Culture: The Graeco-Arabic Translation Movement in Baghdad and Early Abbâsid Society (2nd–4th/8th–10th centuries), London/Abingdon 1998.
70) Sita Steckel/Niels Gaul/Michael Grünbart (Hrsg.), Networks of Learning. Perspectives on Scholars in Byzantine East and Latin West, c. 1000–1200 (Byzantinistische Studien und Texte 6), Münster u. a. 2014; Peter Gemeinhardt/Tobias Georges (Hrsg.), Theologie und Bildung im Mittelalter (Archa Verbi. Subsidia 13), Münster 2015.
71) David Abulafia, Das Mittelmeer. Eine Biographie, Frankfurt am Main 2011; Barbette Stanley Spaeth (Hrsg.), The Cambridge Companion to Ancient Medi-terranean Religions, Cambridge 2013.
72) Der Sonderforschungsbereich beinhaltet in diesen vier Projektbereichen insgesamt sechzehn wissenschaftliche Teilprojekte. Ausführliche Informationen zu deren konkreten Forschungszielen, ihren Leitern und Leiterinnen sowie zu den Bearbeitern und Bearbeiterinnen sind über die oben (Anm. 4) erwähnte Website zugänglich.
73) Garth Fowden, Before and After Muḥammad: The First Millennium Re-focused, Princeton NJ 2014.
74) Guy G. Stroumsa, The Making of the Abrahamic Religions in Late Ant-iquity, Oxford 2015.
75) Benner, Bildung und Religion (Anm. 22), 50.
76) Schweitzer, Bildung (Anm. 3), 205–210.
77) Origenes, De principiis II 11,6.